Die Stimmung ist am Boden, nicht nur in den Apotheken. Das zeigt sich in den Zukunftserwartungen und demzufolge bei den Unternehmensbewertungen, ob für Apotheken oder börsennotierte Konzerne. Vieles ist sogar unter Buchwert zu haben – Chancen für Schnäppchenjäger?
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(© Reinhard Herzog 2025)
„Stell Dir vor, es gibt eine Chance auf einen 200.000 Euro-Job, aber keiner will ihn …“ Diese Situation kennen wir schon länger von den Landarztpraxen. Eine Vielzahl steht zur Neubesetzung an, mit im Grunde sicherer Einnahmebasis, welche die oben genannte Einkommensregion leicht ermöglicht oder gar noch etwas übertrifft. Doch kaum jemand mag eine solche Chance wahrnehmen. Vielleicht weil es den Ärzten zu gut geht und es für sie sehr viele Job-Alternativen gibt? Oder weil man ein wenig das dauerhaft harte Arbeiten verlernt hat und die „Work-Life-Balance“ ganz oben steht (wobei man als Praxisinhaber ja schon gewisse Freiheiten hinsichtlich Gestaltung der Praxiszeiten hat)? Oder scheut man mehr als früher die Verantwortung, die ganze Bürokratie und das viele „Drumherum“, sowie die Tatsache, in guten wie in schlechten Zeiten (z.B. eigene Krankheit) auf sich allein gestellt zu sein? Es dürfte von allem etwas sein.
Bei den Apotheken ergibt sich zunehmend ein ähnliches Bild. Allen Wehklagen zum Trotz gibt es eine Reihe von Kleinoden und Diamanten gerade im ländlichen Bereich. Nicht selten mit einem Versorgungsgebiet von 8.000 oder gar 10.000 Einwohnern als einzige Apotheke auf weiter Flur, Umsätze deutlich überdurchschnittlich, die Spanne ebenfalls eher über dem Schnitt, weil doch nicht gar so viele Hochpreis-Präparate aus den hochspezialisierten Facharztpraxen der Städte anlanden. Und trotzdem: Diese Objekte müssen teils angeboten werden wie sauer Bier, erst recht in diesen Tagen, und dann nicht selten unter Wert. Manch Inhaberin oder Inhaber muss ungeplante Extrarunden drehen, bevor es in den eigentlich lange geplanten Ruhestand gehen kann. Argumente hier? Vielfach ähnlich wie bei den Ärzten, plus die deutlich angespannteren wirtschaftlichen Aussichten, wobei letztere gerade für solche Objekte abseits des großen Getümmels immer noch ganz ordentlich mit beachtlichen Einkommensperspektiven aussehen. Aber man ist eben „ab vom Schuss“, auf sich gestellt, und wahrscheinlich heißt das berufsmäßige Urteil dann tatsächlich „lebenslänglich“. Das muss man schon auch wollen.
Viele Chancen am (Land-)Wegesrand
Nichtdestotrotz: Gerade jetzt bieten sich enorme Chancen, wenn man bereit ist, sich aus der einen oder anderen Komfortzone zu lösen, räumlich flexibel ist und vielleicht nicht nur die Schattenseiten des Lebens abseits der großen Metropolen sieht. Wo ist es in Ballungsräumen noch möglich, sich ein schmuckes Familienheim mit großem Grundstück zu leisten, wenn man nicht gerade absoluter Spitzenverdiener ist (oder gut geerbt hat)? Etwas abseits klappt das sehr wohl noch …
Und vor diesem Hintergrund kann die berufliche wie private „Lebensbilanz“ (u.a. in Form des „Lebenseinkommens“) dort immer noch sehr gut aussehen. Nicht zuletzt hat man im Vergleich zu wettbewerbsintensiven Stadtlagen weitaus größere Spielräume hinsichtlich Öffnungszeiten, Preisgestaltung, Stammkundenbindung und Vernetzung mit den anderen Gesundheitsberufen. Landapothekerin oder Landapotheker – ganz klar die Spezies, die schon lange vollkommen unter Wert gehandelt und viel zu unattraktiv eingeschätzt wird! Schaut man aber in die Republik, zieht sich die Spur der Unterbewertung momentan durchaus noch wesentlich weiter.
Blick über den Tellerrand
Doch nicht nur im Kleinen sehen wir massive Unterbewertungen. Der Blick gerade auf die Kurszettel der heimischen Börsen fördert teils Erstaunliches zutage. Nicht wenige Weltkonzerne von Rang und Namen notieren teils weit unter ihren Buchwerten, sind also an der Börse für weniger zu haben, als ihr bilanzieller Wert ausmacht. Nun ist die Analyse der Buchwerte so eine Sache. Was wird in den Bilanzen wie bewertet (z.B. Goodwills, Rechte usw. oder auch übernommene Firmen), und welchen Wert haben diese Assets wirklich? Und eine Maschine oder Anlage kann noch mit 70 % ihres Anschaffungswertes in den Büchern stehen, auf dem freien Markt bekäme man nur einen Bruchteil davon. Will heißen: Im Buchwert kann eine ganze Menge „Luft“ drinstecken. Nicht selten weisen solche auf dem Papier „spottbilligen“ Firmen zudem eine geringe Bewertungsrelation ihrer Gewinne auf, sprich das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist niedrig. Und bezogen auf den Umsatz liegen die Relationen teils noch abenteuerlicher auseinander. So ist beispielsweise der Volkswagen-Konzern gerade mal rund 15 Prozent seines Umsatzes wert, eine Firma Ferrari dagegen gut das Zwölffache (!). Die einen bauen über 9 Millionen Autos im Jahr, die Luxusschmiede nur weniger als 15.000 – was für eine verrückte Welt (siehe auch die Abbildung 1).
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Abb. 1: Verrückte Unternehmensbewertung: Beispiel Volkswagen versus Ferrari; wer ist wohl im Grunde massiv unter-, und wer überbewertet?
Gleichwohl notieren viele unserer Unternehmen deutlich unter Wert, gerade in den momentanen Krisenbranchen Auto, Chemie (Bayer, BASF, Evonik u.a.) sowie Zulieferer – obwohl wir unbestritten nach wie vor weltweit führende Firmen im Land (und in Europa) haben. Zu einem guten Teil ist dies ein politischer Abschlag für eine schlechte Wirtschaftspolitik, zudem droht Ungemach aus den USA.
All das kann sich aber schneller als gedacht in positiver Weise auflösen. Wenn man ein gewisses Vertrauen darin setzt, dass am Ende doch die wirtschaftliche Vernunft obsiegt, lohnt ein Blick und gegebenenfalls ein Investment in die „fallen angels“. Dort winken hohe Gewinnchancen, wie bei so mancher Apotheke, die nicht im Publikums-Mittelpunkt steht. Der kluge Investor handelt zu einem guten Teil antizyklisch!
„Investiere am Punkt des maximalen Pessimismus.“ (John Templeton)
„Investiere nur in eine Aktie, deren Geschäft du auch verstehst.“ (Warren Buffet)
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Prof. Dr. Reinhard Herzog
Apotheker
Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.