Dr. Christine Ahlheim
?Welche Konsequenzen für die Verbraucher hätte die von interessierter Seite angestrebte Zulassung von Apothekenketten?
Zunächst einmal gehen wir davon aus, dass der Europäische Gerichtshof der Stellungnahme der Bundesregierung folgt, die sich für die aktuelle und damit die beste Struktur der Arzneimittelversorgung in Deutschland ausspricht. Grundsätzlich würde eine Zulassung von Apothekenketten zu einer Vertikalisierung in der Arzneimittelversorgung der Verbraucher führen.
Wir sehen schon heute eine bedenkliche Konzentration im Großhandelsmarkt. Hier beobachten wir die Vorstufe der norwegischen Verhältnisse, die dann dem kompletten Apothekenmarkt und auch den Verbrauchern drohen könnte.
Die Konsequenzen sind für die Gesundheitsversorgung fatal: Angebotsbeschränkung, Kostensteigerung, Clusterbildungen, Unterversorgung in für Ketten uninteressanten Lagen. Eine Handvoll Großhändler würde den Markt kontrollieren – und damit auch die Apothekenvertriebsstufe.
Zusätzlich ermöglichen vertikale Strukturen Handelskonzernen eine Ertragsmaximierung von der Produktion bis zur Abgabe. Die heute existierende totale Transparenz geht in kürzester Zeit verloren – zu Lasten von Verbrauchern, Kassen und Politik.
?Wie können öffentliche Apotheken dem Vorwurf entgegentreten, dass die Arzneimittel bei ihnen zu teuer seien?
Arzneimittel sind hierzulande nicht teuer – zumal beispielsweise im RX-Segment Apotheker seit dem Jahr 2004 bekanntlich durch ein Fixhonorar aus dieser Debatte raus sind. Es ist elementar, immer wieder zu erklären, dass Arzneimittel einen besonderen Wert haben und ein bedeutendes Gut in der Gesundheitsversorgung und der Prävention sind. Gekoppelt an die Leistungstiefe in der Apotheke vor Ort, ergibt sich ein fairer Preis.
Der totale Preiswettbewerb, den noch nicht einmal Verbraucherschützer ernsthaft einfordern, führt zu Miss- und Mehrverbrauch und damit zu einer enormen Belastung des Gesundheitssystems. Für die flächendeckende Versorgung braucht es im Übrigen eine gesunde Mischkalkulation. Wer Preisdumping zum Beispiel in der Selbstmedikation fordert, handelt fahrlässig gegenüber den Verbrauchern, weil die Gesamtbetrachtung entscheidend ist. Wer Preissenkungen in Apotheken erwartet, der erwartet sehenden Auges einen höheren Absatz. Genau hierin unterscheiden sich Arzneimittel aber von Gütern des täglichen Bedarfs.
?Wie wird sich aus Ihrer Sicht die Apothekenlandschaft in Deutschland in den nächsten Jahren verändern?
Wir werden sehen, dass sich die Apotheken verstärkt auf ihre heilberufliche Qualifikation konzentrieren sowie ihre Stärken als Pharmazeuten als entscheidenden Wettbewerbsvorteil permanent ausbauen. Fort- und Weiterbildung sind dafür ebenso unerlässlich wie eine stringente Mitarbeiterführung und eine konsequente Patientenorientierung. Egal, wie Gerichte, wie die Politik entscheiden: Die schwache Entwicklung des Versandhandels und seine enormen Risiken verdeutlichen, dass die Menschen auf die unabhängige patientennahe Apotheke setzen.
Unsere Aufgabe ist es, diese Leute aufmerksam abzuholen und entschieden dem Eindruck entgegenzutreten, Apotheker seien lediglich Einzelhändler. Da gibt es zahlreiche Unterscheidungsmerkmale, auf die wir setzen müssen. Dann verändern wir den Markt, weil wir ihn qualitativ fortentwickeln.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(07):3-3