Mehrarbeit in Apotheken

Diskussionsthema Überstunden


Jasmin Theuringer

Die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit wird bei einigen Mitarbeitern auch in Apotheken häufig überschritten. Im Zuge dessen kann es zu Diskussionen zwischen Apothekenleiter und Mitarbeiter kommen. Wie sieht die rechtliche Situation konkret aus?

Die Anzahl der wöchentlich zu leistenden Arbeitsstunden ist im Arbeitsvertrag geregelt. Dieser ist nicht nur vom Mitarbeiter einzuhalten, sondern auch vom Arbeitgeber. Für die Anordnung von Überstunden bedarf es entweder einer vertraglichen Abrede oder eines triftigen Grundes.

Anordnung der Überstunden

Viele Verträge enthalten eine Verpflichtung, Überstunden zu leisten. Aber auch ohne diese vertragliche Vereinbarung kann der Arbeitnehmer nicht stets die Ableistung von Überstunden verweigern. Es besteht eine vertragliche Treue­pflicht, die im Einzelfall eine Verpflichtung zur Ableistung von Überstunden begründen kann. Dann muss es sich aber auch um besondere Situationen handeln wie z. B. einen außergewöhnlich hohen Krankenstand. In einer solchen Situation darf der Arbeitnehmer aufgrund der Treuepflicht seinen Arbeitgeber nicht „hängen lassen“. Gehört die Anordnung von Überstunden dagegen zum betrieblichen Alltag, dürfen diese verweigert werden. Der Arbeitgeber muss nämlich dafür Sorge tragen, dass der normale Betriebsablauf auch ohne die Anordnung von Überstunden auskommt. Es sind daher Vorkehrungen zur Überbrückung des üblichen Krankenstandes und der Urlaubszeiten der Mit­arbeiter zu treffen. Es müssen genügend Mitarbeiter und notfalls auch vorübergehend Aushilfen beschäftigt werden.

Bei der Anordnung von Überstunden sind die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zu beachten. Danach ist eine werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden zulässig. Diese kann auf zehn Stunden erhöht werden, wenn bei Betrachtung eines Zeitraums von sechs Kalendermonaten der Durchschnitt von acht Stunden täglich nicht überschritten wird. Werden darüber hinausgehende Überstunden verlangt, kann der Arbeitgeber sich sogar strafbar machen.

Das Arbeitszeitgesetz gilt nicht für leitende Angestellte. Insbesondere von Filial­leitern werden oft erhöhte Ar­beitszeiten verlangt. Ein Filialleiter ist aber in der Regel kein leitender Angestellter im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, da er nicht zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern befugt ist. Mehr als acht Stunden täglich als regelmäßige Arbeitszeit und mehr als zehn Stunden täglich in Ausnahmefällen sind auch hier unzulässig.

Vergütung der Überstunden

Ob und wie Überstunden zu vergüten sind, richtet sich in erster Linie nach den Vereinbarungen im Arbeitsvertrag. Möglich sind Regelungen, wonach Überstunden zu vergüten oder in Freizeit auszugleichen sind oder wonach monatlich eine Pauschale gezahlt wird. Denkbar ist schließlich auch die Vereinbarung, dass Überstunden mit dem Gehalt ab­gegolten sind.

Ist ein Freizeitausgleich vereinbart, kommt ein finanzieller Ausgleich der Überstunden nur dann in Betracht, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich diesbezüglich verständigen oder wenn eine Freizeitgewährung aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich ist.

Bei Vereinbarung einer Vergütung sind Überstunden so zu bezahlen wie die übliche Arbeitszeit auch. Ein Anspruch auf Zahlung von Überstundenzuschlägen existiert nicht, solange dies nicht arbeits- oder tarifvertraglich vereinbart ist. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung von Überstundenzuschlägen besteht dagegen nicht, auch wenn häufig die Regelungen über die steuerli­che Behandlung von Zuschlägen dahingehend missverstanden werden.

Bei der Vereinbarung einer Pauschale oder gar der Abgeltung von Überstunden durch das regelmäßige monatliche Entgelt ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer nicht benachteiligt wird. Empfehlenswert ist, dass der Mitarbeiter spürbar über der tariflichen Vergütung verdient und die Anzahl der abgegoltenen Überstunden im Vertrag auf ein vernünftiges Maß begrenzt wird.

Fehlt es an einer Vereinbarung darüber, dass Überstunden zu vergüten sind, heißt das nicht, dass diese vergütungsfrei sind. Nach dem Gesetz gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Leistung üblicherweise nur gegen Vergütung erwartet werden kann. Das ist in der Regel bei der Leistung eines Mitarbeiters der Fall. Ausnahmen können jedoch für Angestellte in gehobenen Positionen gelten, wenn sich das im Gehalt entsprechend niederschlägt. Ein Filialleiter, der 10 % über Tarif verdient und darüber hinaus am Gewinn der Apotheke beteiligt wird, kann für sporadisch anfallen­de Überstunden keine zusätzliche Vergütung verlangen.

Regelungen im BRTV

Ist der Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter (BRTV) auf das Arbeitsverhältnis anwendbar, so sind dessen Regelungen ergänzend heranzuziehen. Der BRTV erlaubt die Anordnung von Überstunden im gesetzlichen Rahmen, auch hier ist also das Arbeitszeitgesetz zu beachten. Eine Besonderheit findet sich aber in § 7 BRTV, wonach eine zusätzliche Arbeit von zehn Minuten täglich, die aufgrund von Publikumsverkehr vor Geschäftsschluss erforderlich ist, nicht als Mehrarbeit zählt. Diese zehn Minuten können daher weder ver­weigert werden noch lösen sie Vergütungs- oder Abgeltungsansprüche des Mitar­beiters aus.

Der BRTV sieht weiterhin vor, dass Überstunden zu vergüten sind und ein gestaffelter Überstundenzuschlag zu zahlen ist:

  • Von der 41. bis zur 50. Wochenstunde (also von der ersten bis zur 10. Überstunde) ist ein Zuschlag von 25 % zusätzlich zur Grundvergütung zu zahlen,
  • ab der 51. Stunde ein Zuschlag in Höhe von 50 %.

Diese Grenzen gelten auch für Teilzeitbeschäftigte: Erst wenn diese auf mehr als 40 Wochenstunden kommen, wird ein Überstundenzuschlag fällig. Bei einer 20-Stunden-Kraft bedeutet dies, dass die 21. bis 40. Wochenstunde zwar Mehrarbeit darstellt, aber für diese Zeit nur die Grundvergütung ohne Zuschlag zu zahlen ist. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 1994 stellt die Tatsache, dass Teilzeitmitarbeiter deshalb in geringerem Maße in den Genuss von Überstundenzuschlägen kommen, keine mittelbare Frauendiskriminierung dar. Ob diese Rechtsprechung vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des EuGH zu vergleichbaren Fällen Bestand haben wird, erscheint allerdings äußerst fraglich.

Schließlich sieht der BRTV vor, dass nach Wahl des Apothekeninhabers die Überstunden in Geld oder durch Freizeitausgleich zu vergüten sind. Entscheidet sich der Apothekeninhaber für eine Abgeltung durch die Gewährung bezahlter Freizeit, sind aber auch hier die Zuschläge zu gewähren. Das bedeutet, zur Abgeltung der ersten 10 Überstunden sind 12,5 Stunden be­zahlte Freizeit zu gewähren.

Unbezahlte Überstunden

Grundsätzlich sind nur die Überstunden abzugelten, die vom Arbeitgeber angeordnet worden sind. Dies kann auch stillschweigend geschehen, indem dem Arbeitnehmer soviel Arbeit übertragen wird, dass diese innerhalb der üblichen Arbeitszeit nicht zu bewältigen ist. Arbeitnehmer, die ihr Arbeitstempo bewusst drosseln und so den Anschein erwecken, sie müssten län- ger arbeiten, werden es bei der Durchsetzung einer Überstundenvergütung dagegen schwer haben, da die Überstunden weder angeordnet noch geduldet worden sind.

Jasmin Theuringer, Rechts­anwältin, Bellinger Rechts­anwälte und Steuer­berater, 40212 Düsseldorf, E-Mail: theuringer@bellinger.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(09):12-12