Zukunft des Gesundheitsfonds

Drei Fragen an Prof. Dr. h.c. Herbert Rebscher


Dr. Christine Ahlheim

Prof. Dr. h.c. Herbert Rebscher ist Vorsitzender des DAK-Vorstandes und Honorarprofessor für Gesundheitspolitik und Gesundheitsökonomie an der Universität Bayreuth.

?Welche kurz- und mittelfristige Zukunft hat nach Ihrer Einschätzung der geplante Gesundheitsfonds?

Das ist seriös zurzeit kaum einzuschätzen, da es noch zahlreiche ungeklärte Fragen gibt: die Höhe des Einheitsbeitragssatzes, die Zuweisun­gen aus dem Morbi-RSA, die Ausgestaltung des neuen Insolvenzrechts, die Wirkun­gen der Vergütungsreform im ambulanten Bereich, die Belastungen aus den Vergütungsstrukturen im zahnärztlichen Bereich und die Belastungen aus den Vergütungsstrukturen im Krankenhaussektor.

Allein diese Aufzählung der noch zu lösenden Aufgaben zeigt, wie komplex die Auswirkungen dieses Reformvorhabens sind. Da der Fonds kein Problem des Gesundheitswesens lösen wird – im Gegenteil neue schafft –, wird er über kurz oder lang politisch wieder infrage gestellt werden. Beide Koalitionsparteien favorisieren andere Modelle. Ich rechne damit, dass die Diskussion um den Gesundheitsfonds eines der ganz zentralen Themen des nächsten Bundestagswahlkampfes sein wird. Wir werden die Aufführung des seltsamen Stücks erleben, dass kritisiert wird, was alle gerade selbst beschlossen haben.

?Welche Alternativen se­hen Sie zur Einführung des Gesundheitsfonds?

Der Gesundheitsfonds ist Gesetz. Deshalb stellt sich die Frage nach einer Alternative aktuell nicht. In der Vergangenheit haben die politisch Verantwortlichen immer darauf geachtet, Reformen nicht von heute auf morgen, sondern schrittweise über einen längeren Zeitraum einzuführen. Denken Sie an die Einführung des Kassenwettbewerbs und Risikostrukturausgleichs ab 1993 oder die Einführung des DRG-Systems im Kran-kenhaussektor ab 2003.

Das schrittweise Vorgehen führte zu einer höheren Akzeptanz der gesetzlichen Maßnahmen bei den Beteiligten. Zudem konnten Verwerfungen hinsichtlich der Versorgung der Versicherten vermieden, Probleme rechtzeitig erkannt und Neujustierungen vorgenommen werden. Das zeitlich abgestufte Vorgehen bei gro­ßen Reformvorhaben zahlte sich aus: Es erhöhte die Qualität der Ergebnisse.

Deshalb unterstütze ich jetzt die Idee, den Gesundheitsfonds einzuführen, aber nicht scharf zu schalten. Das heißt, wir sollten in einer einjährigen Erprobungsphase simulieren, welche Effekte mit der grundlegenden Umstellung der Finanzierungssystematik der gesetzlichen Krankenversicherung verbunden sind. In dieser Testphase werden alle zentralen Reformelemente des GKV-WSG realisiert, ohne jedoch gleich die neue Finanzierungssystematik scharf zu stellen. Lediglich auf die Installierung des GKV-weit einheitlichen Beitragssatzes sowie des kassenindividuellen Zusatzbeitrags wird zunächst verzichtet. In dieser ersten Phase bleibt das funktionierende heutige Finanzierungssystem der GKV bestehen. So können die realen Wirkungen der Reformelemente, also des Morbi-RSA, der Euro-Gebührenordnung, des Insolvenzrechts etc., genau analysiert werden, um gegebenenfalls nachzusteuern. Außerdem könnten die Krankenkassen die komplexen Wirkungsmechanismen der Neuregelun­gen bei ihren Haushalts­ent­scheidun­gen vor Scharfschaltung des Fonds mit berücksichtigen.

?Welche Entwicklungen werden aus Ihrer Sicht in nächster Zeit den Apotheken- und Arzneimittelbereich prägen?

Ich gehe davon aus, dass der Europäische Gerichtshof mit seinen nächsten Entscheidungen den deutschen Arzneimittelmarkt weiter libe­ralisieren wird. Er wird den Weg für Apothekenketten im deutschen Markt frei machen. Auch moderne, internetaffine Patienten werden stärker als heute Versandapotheken im In­ternet nutzen. Diese Trends sind nicht aufzuhalten. Darauf sollten sich alle Marktteil­nehmer einstellen. Ansonsten sehe ich noch Potenzial in Rabattverträgen und anderen innovativen Vertragskonzep­ten. Wir haben hier mit unseren Risk-Share-Verträgen bereits gezeigt, dass es neben den Rabattverträgen auch andere innovative Lösungen gibt.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(09):4-4