Steuer-Spartipp

Erbschaft- und Schenkungsteuer: Kettenschenkung


Helmut Lehr

Die sogenannte Kettenschenkung gehört wohl zu den klassischsten Gestaltungen zur Vermeidung von Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer. Dabei geht es letztlich um die Übertragung von Vermögen an den Beschenkten unter Vorschaltung eines Mittelsmanns bzw. Zwischenerwerbers. Die Gestaltung hat das Ziel, persönliche Freibeträge mehr­fach auszunutzen und/oder den Erwerb gegebenenfalls in eine günstigere Steuerklasse zu verlagern.

Typische Anwendungsfälle

Insbesondere Vermögens­übertragungen innerhalb der Familie werden oft als Kettenschenkungen ausgestaltet. Will der Vater etwa seiner Tochter umfangreiches Vermögen zuwenden, das den persönlichen Freibetrag (zurzeit 205.000 €) übersteigt, kann er die Zuwendung aufspalten und der Tochter nur einen Teil des Vermögens (z.B. bis zur Höhe des Freibetrags) übertragen und den anderen Teil zunächst seiner Ehefrau. Diese kann später eine Weiterübertragung an die Tochter veranlassen. Im Ergebnis werden die persönlichen Frei­beträge mehrfach ausgenutzt und das Vermögen gegebenenfalls völlig „schenkung­steuerfrei“ übertragen1) .

Hinweis: Großer Beliebtheit erfreuen sich Kettenschenkungen auch, wenn Großeltern ihren Enkeln Vermögen übertragen möchten und dabei zunächst ihr Kind (Mutter/Vater des eigentlich Begünstigten) zwischenschalten. Auf diese Weise kann insbesondere der relativ niedrige Freibetrag für Enkelkinder (zurzeit 51.200 €, wenn Kinder noch leben) „umgangen“ werden.

Bevorstehende Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerreform

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 20062) darf das derzeitige Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht längstens bis zum 31. Dezember 2008 angewendet werden. Spätestens bis zu diesem Zeitpunkt muss der Gesetzgeber eine verfassungskonforme Neuregelung getroffen haben. Diese wird voraussichtlich im Sommer dieses Jahres verabschiedet werden3) .

Auch danach bleibt die Kettenschenkung wirtschaftlich interessant für die mehrfache Ausnutzung der persönlichen Freibeträge, z. B. bei einer Schenkung von Mutter und Vater an das gemeinsame Kind. Daneben wird es vor-aussichtlich weiterhin große Unterschiede zwischen der Höhe der Freibeträge für Kinder (geplant: 400.000 €) und Enkelkinder (geplant sind 200.000 €, wenn Kinder noch leben) geben.

Voraussetzungen

Kettenschenkungen werden vom Finanzamt nur dann an­erkannt, wenn sie nicht als solche „erkannt“ werden. Ein eventuell vorhandener Gesamtplan, nämlich die von Beginn an beabsichtigte Bereicherung des eigentlichen Begünstigten (Letzterwerbers) darf also nicht offen zutage treten. Die Übertragungen müssen deshalb so gestaltet sein, dass sie jeweils als selbstständige Schenkungen qualifiziert werden.

Steht fest, dass der Ersterwerber verpflichtet ist, das erhaltene Vermögen an den Zweit­erwerber weiterzugeben, wird die Kettenschenkung steuerlich nicht anerkannt. Der Vorgang wird dann so besteuert, als wenn das Vermögen direkt auf den Letzterwerber übertragen worden wäre. Es kommt also maßgeblich darauf an, ob dem Ersterwerber tatsächlich eine eigene Rechtsposition eingeräumt wird und er so-mit noch einen eigenen Entscheidungsspielraum hinsichtlich der „Weitergabe“ des Vermögens hat4).

Hinweis: Auch das Hessische Finanzgericht hat zuletzt mit Urteil vom 24. Oktober 20075) bestätigt, dass eine Kettenschenkung nicht anerkannt wird, wenn der zunächst Beschenkte als bloße Durchgangs- oder Mittelsperson keine eigene Dispositionsmöglichkeit hinsichtlich des „erhaltenen“ Vermögens hat.

Gestaltungsansätze

Damit die Gestaltung überhaupt eine Chance bei den Finanzämtern hat, sollten mehrere Punkte beachtet werden.

  • Engen zeitlichen Zusammenhang vermeiden: Keinesfalls sollten die Übertra­gung und die Weiterüber­tragung des Vermögens am gleichen Tag erfolgen, insbesondere nicht im Rahmen eines Beurkundungstermins beim Notar (auch wenn dadurch höhere Kosten entstehen). Welcher zeitliche Abstand für eine Anerkennung der Gestaltung ausreichend ist, lässt sich aus der Rechtsprechung nicht herleiten. Es sollten aber schon mehrere Monate sein, besser noch mehrere Jahre, damit eine realistische Chance besteht.
  • Vertraglichen/faktischen Zwang zur Weitergabe vermeiden: Es ist sicherzustellen, dass das Vertragswerk keine Vereinbarungen enthält, die zur Weitergabe „verpflichten“. Auch faktische Zwänge sollten ausgeschlossen sein.
  • Gegenstand der Schenkung wechseln: Wird Ka­pitalvermögen übertragen, sollte es sich bei der Weiterschenkung nicht um die gleiche Summe wie bei der Erstschenkung handeln. Wird zwischenzeitlich auch noch die Art der Kapital­anlage gewechselt, spricht dies tendenziell ebenfalls gegen eine missbräuchliche Gestaltung.

Hinweis: Selbst wenn diese Grundsätze beachtet werden, ist nicht sicher, ob die Finanzverwaltung die „Gestaltung“ anerkennt. Gegebenenfalls muss entsprechend vor Gericht geklagt werden. In jedem Fall sollte rechtzeitig steuerlicher Rat eingeholt werden. Haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Letzterwerbers vor der Weitergabe des Vermögens durch den Ersterwerber wesentlich geändert (beispielsweise zwischenzeitliche Unternehmensgründung), ist dies natürlich ein Argument für die Weitergabe des Vermögens außerhalb eines bestehenden Gesamtplans.

1) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 8 vom 15. April 2003, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 18.

2) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 4 vom 15. Februar 2007, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 19.

3) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 24 vom 15. Dezember 2007, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 18 und AWA -Ausgabe Nr. 5 vom 1. März 2008, Seite 8 bis11.

4) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 14 vom 15. Juli 2007, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 18.

5) Aktenzeichen 1 K 268/04.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(09):19-19