Change Management

Vom Umgang mit der Veränderungs-Angst


Klaus Hölzel

Politische und ökonomische Veränderungen, die der einzelne Apotheker nicht beeinflussen kann, stellen den Berufsstand insgesamt auf die Probe. Wie geht er mit den drohenden Herausforderungen um? Fressen Angst die Seele wirklich auf? So weit muss es nicht kommen.

„Ich habe schon etwas Angst vor einem drohenden Fremdbesitz, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass kluge Richter so etwas in Deutschland einführen wollen.“ So oder ähnlich äußern sich viele Apotheker im Frühjahr 2008 – im Vorfeld der Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof.

Gravierende Strukturverände­rungen, denen die Apotheker bisher in einer weit geringeren Dimension ausgesetzt waren, produzieren ein Gefühl von Angst. Veränderungen konfrontieren Apotheker auf oft unangenehme Weise mit sich selbst. Sie müssen sich fragen, wie sie sich auf die neue Situation einstellen können und ob sie es überhaupt wollen. Und sie müssen prüfen, ob sie genügend Bewältigungskompetenz besitzen.

Vertraute Welt existiert nicht mehr

Neue Eigentumsstrukturen erzeugen das Gefühl, dass Vertrautes plötzlich unvertraut wird. Der Mitbewerber im Ort erscheint in Übergröße, weil er vielleicht bald zu einem Weltkonzern gehört. Die regionale Marktstabilität ist in Frage gestellt. Die Zuversicht ins eigene Können schwindet, es entstehen Versagensängste.

Apothekenleiter ab 50 Jahre erfasst zudem das Gefühl, zum alten Eisen zu gehören. In der Regel schleichen sich Zweifel ein, ob man von den Kollegen noch ernst genommen wird oder ob man mittlerweile an Kompetenz eingebüßt hat, weil man nicht mehr so fit ist wie mit 30 Jahren. Insgesamt sind es sechs wichtige Change-Management-Killer, die eine erfolgreiche Wende nach einer Systemveränderung verhindern können (siehe unten).

Bei einer grundlegenden Veränderung des Apothekenmarktes gibt es nicht den einen und einzigen konkreten „Feind“, auf dessen Bekämpfung man sich vorbereiten könnte. Wenn man in dieser Situation die Angst, die angesichts der tiefen Verunsicherung entsteht, ignoriert, verschlimmert man die Lage. Nutzt man aber die Angst, kann sie helfen, mit dieser Herausforderung angemessen umzugehen.






Schlechtes Image fürs Beharren

Angststarre würde also nichts nutzen. Die Frage, die sich vor einer drohenden Veränderung jeder stellen sollte, lautet also: Will ich den Veränderungsprozess selbst beeinflussen oder will ich nichts tun?

Wir leben in einer Zeit, in der Veränderung ein weitaus besseres Ansehen hat als Nichtveränderung. Die Angst zeigt uns, dass sich das Nachdenken über die Frage lohnt: Was will ich, was will ich nicht, will ich überhaupt? Also nachzudenken, ob möglicherweise Nichtveränderung auch eine Option sein kann, die mit meinen Wertmaßstäben bis auf Weiteres vereinbar ist.

Ob der Apotheker handelt oder nicht, hängt auch von seinem ganz persönlichen „Angstpegel“ ab. Es ist häufig keine gute Strategie, jeden Anflug von Angst möglichst schnell beseitigen zu wollen. Umgekehrt bedeutet völlig angstfrei zu sein, einen Verzicht auf wertvolle Informationen. Zu wenig Angst macht unangemessen sorglos. Die Erfahrungen mit einem Dutzend Gesundheitsreformen haben bei vielen Apothekern den Angstpegel deutlich sinken lassen.





Nur Furcht – aber keine Angst

„Es wird schon alles nicht so schlimm werden“, war die häufigste Antwort auf drohen­de Gesetzesauswirkungen. Man hatte zwar Furcht vor den Auswirkungen (zum Beispiel der Rabattverträge), aber keine existenzielle Angst. Das wäre bei Einführung neuer Strukturen anders. Ein positiver Aspekt: der Faktor Zeit. Es muss nicht ad hoc entschieden werden, sondern es steht noch etwas Zeit zum Nachdenken zur Verfügung. Allerdings sollte man das Nachdenken jetzt nicht mehr aufschieben.

Ergebnis des Nachdenkens sind häufig vier verschiedene Grundhaltungen:

  • Verhalten 1 – „Ich bleibe üb­rig“, also Kampf/Verteidigung ;
  • Verhalten 2 – „Ich denke, es passiert nichts“, also Vermeidung/Verdrängung ;
  • Verhalten 3 – „Ich gehe in eine Gruppe Gleichgesinn­ter“, also Kooperation ;
  • Verhalten 4 – „Ich finde eine Kette prima“, also Anpassung/Unterwerfung.

Rund 70% der Apotheker haben bis jetzt den Weg in eine Kooperatio­n gefunden (Verhal­ten 3). Mehrere Umfragen der letzten Jahre bestätigen den Trend, dass bis zu 20 % auch als Ketten-Apotheker leben könnten (Verhalten 4). Doch wie groß die Zahl der Kämpfer (Verhalten 1) wirklich wäre, falls es zu einem Systembruch käme, lässt sich nur schwer prognostizieren. Im Zweifel sind es gerade diejenigen, die sich schon heute intensiv um eine strategisch erstklassige Ausgangslage bemühen.

Akzeptieren und Handeln

Wie sehen Lösungsansätze zur Bekämpfung der Angst aus? Es gibt in der Theorie zwei Wege: Konfrontation mit der Angst, was zunächst zur Stärkung der Angst führt. Dazu ein historisches Beispiel: Goethe bewältigte seine Höhenangst dadurch, dass er sich zwan­g, trotz Angst aufs Straßburger Münster zu steigen.

Der zweite Weg zur Bekämpfung passt eher zur Lage der Apothekerschaft in Deutschland: akzeptieren und handeln. Zum Akzeptieren gehört es zunächst, Veränderung und Angst nicht gleichzusetzen. Dazu bedarf es einer genau­‑ en Selbstbeobachtung: Kommt das Gefühl der Angst auf, wenn ich über neue Strukturen nachdenke? Einen Abbau dieses Zusammenhangs erreicht man am besten in Kombination mit dem ersten Weg: Fremdbe­sitz in der Schweiz oder in Großbritannien konkret zu erleben, verringert häufig die Angst.

Der zweite Schritt fällt schwe­rer: das Handeln! Wichtig ist, dass Apotheker erkennen: Sie können sofort damit beginnen, ihre Apotheke neu auszurichten. Sie müssen nicht damit warten, bis ihre Ängste verschwunden sind. Welche Aus­richtung das sein kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • eigene Wertvorstellungen,
  • Standort der Apotheke,
  • Teamqualität,
  • Veränderungskompetenz,
  • finanzielle Mittel,
  • Expansions-Strategie.

Viele dieser Faktoren sind risikobehaftet, also nicht angstfrei zu bewältigen. Doch als Apotheker hat man ja das Fürchten schon ein wenig gelernt.

Dipl.-Volkswirt Klaus Hölzel,
Apotheken Management-
Institut GmbH,
65375 Oestrich-Winkel
E-Mail: sekretariat@apothekenzukunft.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(09):10-10