Helmut Lehr
Bislang können geerbte Verluste unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich geltend gemacht werden. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs hat sich in seinem Beschluss vom 17. Dezember 20071) jedoch ausdrücklich gegen eine steuerwirksame Vererbung von Verlusten ausgesprochen. Aus Vertrauensschutzgründen soll die neue einschränkende Rechtsauslegung gemäß den Vorgaben des Bundesfinanzhofs erst auf Erbfälle angewandt werden, die nach dem 12. März 2008 (Tag der Veröffentlichung des Beschlusses) eintreten.
Hinweis: Die Finanzverwaltung hat sich jedoch für eine weitergehende Übergangsregelung entschieden und wendet die neue Rechtsprechung erst nach deren „amtlichen“ Veröffentlichung im Bundessteuerblatt an2).
Aufgrund der neuen Rechtslage wird es zukünftig verstärkt darauf ankommen, steuerliche Verluste im Vorfeld eines Erbfalls möglichst zu vermeiden bzw. zu minimieren – insbesondere, wenn bereits Verlustvorträge bestehen. Hier ist Weitsicht gefragt sowie eine gezielte Planung in Absprache mit dem steuerlichen Berater.
Hinweis: Steuerliche Verluste sollten nicht nur wegen der künftig fehlenden Möglichkeit der Vererbung vermieden werden, sondern auch, weil bei einer negativen Summe der Einkünfte etwaige Sonderausgaben (z.B. Vorsorgeaufwendungen, Kirchensteuer) und außergewöhnliche Belastungen in dem Jahr steuerlich verloren gehen. Auch der Grundfreibetrag bleibt im Verlustentstehungsjahr ungenutzt.
Erhöhung des Einkommens
Um steuerliche Verluste zu minimieren, muss das steuerliche Einkommen erhöht werden. Dazu bieten sich sowohl Maßnahmen im betrieblichen als auch im privaten Bereich an.
- Stille Reserven aufdecken: Natürlich kann insbesondere ein (rechtzeitiger) Verkauf der Apotheke bzw. eines werthaltigen Betriebsgrundstücks zu außerordentlichen Erträgen führen, die mit etwaigen Verlusten „verrechnet“ werden. Im laufenden Geschäftsbetrieb könnte ein Wechsel von der degressiven zur meist niedrigeren linearen Abschreibung angestrebt werden – auch noch für zurückliegende Jahre, wenn diese etwa wegen einer bevorstehenden Betriebsprüfung noch offen sind.
- „Stille Reserven“ können auch im Privatbereich „gehoben“ werden, z.B. durch den gewinnbringenden Verkauf eines vermieteten Grundstücks innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist.
- Sind die Verlustvorträge (auch) aus Aktienspekulationen entstanden, könnten diese insoweit mit Aktienveräußerungsgewinnen innerhalb der derzeit noch bestehenden einjährigen Spekulationsfrist ausgeglichen werden.
- Bei einer verbilligten Vermietung an Angehörige3) wäre zu überlegen, mit einer Mietanhebung höhere positive Einkünfte zu erzielen.
- Verlustbringende Wirtschaftsgüter könnten (unentgeltlich) auf die künftigen Erben übertragen werden, sodass diese den Verlust in eigener Person realisieren.
- Umgekehrt könnten gewinnbringende Anlagen auf den („potenziellen“) Erblasser übertragen werden, damit dieser die Einkünfte steuerwirksam realisiert.
Verhalten nach dem Erbfall
Solange die Steuerbescheide des Erblassers noch „offen“ sind, können die Erben bestehende steuerliche Wahlrechte zugunsten eines höheren Gewinns „für den Erblasser“ ausüben. Insbesondere könnten bestehende Rücklagen möglicherweise noch gewinnerhöhend aufgelöst werden. In engen zeitlichen Grenzen ist es auch möglich, die Aufgabe eines bisher im Ganzen verpachteten Betriebs zu erklären, um dadurch stille Reserven zu realisieren.
Verstirbt einer der Ehegatten, besteht bei Zusammenveranlagung die Möglichkeit, dass der überlebende Partner bis zum Ende des Todesjahres sein Einkommen durch gezielte Maßnahmen (siehe oben) noch erhöht und somit weitere Verlustvorträge vermeidet/minimiert.
Folgewirkungen bedenken
Die Minimierung von einkommensteuerlichen Verlusten sollte jedoch keinesfalls übereilt erfolgen. Bei größeren Gestaltungen, insbesondere bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern, sollte genau überlegt werden, ob eventuell erbschaft- und schenkungsteuerliche Folgewirkungen der Rentabilität der Maßnahme entgegenstehen. Auch der endgültige Verlust des Eigentums sollte bedacht werden.
Hinweis: Ist in bestehenden Testamenten eine Verlustvererbung festgehalten, wäre diese Klausel zu überdenken.
Verlustrücktrag nach wie vor möglich
Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Vererblichkeit von Verlustvorträgen hat die bestehenden Verlustrücktragsmöglichkeiten nicht verändert. Es können also nach wie vor nicht ausgeglichene Verluste bis zur Höhe von 511.500 € (1.023.000 € bei Ehegatten) ins unmittelbar vorangegangene Jahr rückgetragen und dort mit positiven Einkünften verrechnet werden.
Weiterhin ist es grundsätzlich möglich, die in einem Jahr aus einer Einkunftsquelle entstandenen Verluste mit positiven Einkünften des gleichen Jahres aus einer anderen Einkunftsquelle zu verrechnen.
Beispiel: Apothekerin Ley erzielt 2008 wegen größerer Erhaltungsarbeiten an ihrem vermieteten Mehrfamilienhaus einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung von voraussichtlich 70.000 €. Der Gewinn aus der Apotheke wird zum Jahresende 2008 voraussichtlich 80.000 € betragen. Das Thema „Verlustrücktrag/Verlustvortrag“ stellt sich in diesem Fall gar nicht, da Frau Ley den Vermietungsverlust sofort und in voller Höhe mit dem Apothekengewinn steuerwirksam verrechnen kann.
1) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 7 vom 1. April 2008, Seite 4.
2) Vgl. Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 24. Juli 2008, Aktenzeichen IV C 4 – S 2225/ 07/0006.
3) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 15 vom 1. August 2008, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 18.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(17):18-18