Wertesysteme in der Apotheke

Wer Erfolg will, muss Sinn bieten


Klaus Hölzel

Der Anspruch an die Führungsstärke von Apothekenleitern nimmt stetig zu. Wollen Sie Top-Mit­arbeiter binden, bedarf es mehr als der üblichen materiellen Motivationsinstrumente. Die Sinn- und Wertefragen gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Jede tiefer gehende Auseinandersetzung mit der Führung der Apotheke beginnt mit den sogenannten W-Fragen: Was ist mir wichtig? Was lenkt und leitet mein Führungsverhalten? Woran orientiere ich mich? Was gibt mir Halt? Was ist bei der Apothekenfüh- rung das wirklich Wesentliche? Alle diese Fragen sind im konkreten Alltag oft weniger zentral, prägen aber über die Zeit hinweg entscheidend den Weg der Apotheke.

Wahrnehmung fast nur im Ernstfall

Läuft ein Tag nahezu wie der nächste ab und kommen dabei nur die üblichen kleineren Sorgen auf, dann werden Sinnfragen selten vor dem geistigen Auge auftauchen. Doch beginnt eine tief greifende ökonomische oder mitarbeiterbezogene Krise, stellt sich die Sinnwahrnehmung ein:

  • Wie funktioniert unser Führungsprinzip?
  • Gibt es neben der Krisen­thematik auch problemfreie Zonen?
  • Welche Gestaltungsalternativen haben wir zur Problemlösung und wie sieht die Umsetzung aus?

Pragmatiker gehen sofort an die Lösung der Führungsaufgaben. Manche reflektieren dabei und stellen Wertefragen. Andere verzichten aus Zeitgründen oder Desinteresse darauf – bis das nächste noch gravierendere Füh­rungs­pro­blem auftaucht, sich dann verschärft und so weiter.

Ob hinter dem Führungsverhalten auch dauerhaft tragfähige Werte stehen, kann der Mitarbeiter nicht immer erkennen. Kommunikation und Verhalten sind sichtbar, quasi oberhalb der Wasseroberfläche. Doch innere Einstellung und eigene Grundwerte bleiben oft unsichtbar unterhalb der Oberfläche. Das führt bei Mitarbeitern zu Irritationen, falls Kommunikation und Haltung nicht identisch sind. Apothekenleiter, die „Ja“ sagen, obwohl sie „Nein“ meinen, sind ein typisches Beispiel für nicht eindeutiges Führungsverhalten. Stimmig wird die Führung erst, wenn Einstellung, Verhalten und Kommunikation auf der Basis eines festen Werteschemas für die Mitarbeiter identisch sind.

Wertedefinition steht am Anfang

Zum Erarbeiten gemeinsa­mer Teamwerte beginnt die Alpha-Apotheke unter Leitung eines Coaches, Wertebegriffe zu sammeln und zu ordnen.

Neben der Wertedefinition werden die Mitarbeiter aufgefordert, die Apothekenstärken zu beschreiben. Damit kann der Trainer besser feststellen, ob Grundwerte und Stärken zueinanderpassen. Dabei wird unterstellt, dass die Einschätzungen der Mitarbeiter im Kern zutreffend sind. Ein Abgleich mit der Inhaber­meinung dazu ist deshalb unumgänglich. Im „Worst Case“ fallen Werte, Mitarbeitereinschätzungen und Chefziele weit auseinander. Doch der Regelfall ist das nicht. Die Mitarbeiter der Alpha-Apotheke bringen ihre Vorstellungen über die Stärken der Apotheke folgendermaßen ein:

  • Wettbewerbsorientierung – Preisvergleiche sind an der Tagesordnung.
  • Kreativität – Schaufensterideen faszinieren alle Mit­arbeiter.
  • Verantwortungsorientierung – Kundenzusagen sind verpflichtend, Dienstpläne auch.
  • Zukunftsorientierung – neue Produkte, Dienstleistungen und Vertriebsideen gehören zum Alltag.

Gerade der Wert „Verantwortung“ hat einen Leuchtturm-Charakter. Er funktioniert umso besser, je öfter der Chef seine Vorbildfunktion wahrnimmt. Dieser persönliche Wert bildet einen Orientierungspunkt für das Team.

Teamwerte: Was uns verbindet

Aus der Vielzahl der möglichen Wertebegriffe hat das Alpha-Team eine Prioritätenliste erstellt.

  • Offenheit: Je stärker man Transparenz spürt, umso mehr Vertrauen entsteht.
  • Verantwortung: die Verantwortung vom Beginn bis zum Ende übernehmen.
  • Sorgfalt: einander mit Respekt begegnen.
  • Erfolg: Projekte und Ver­antwortlichkeiten definieren und nachverfolgen.
  • Selbstbewusstsein: Wir wis­sen, wo wir gut sind. Wir geben anderen Vertrauen und Sicherheit. Wir stehen für die eigene Meinung ein. Wir kommunizieren kontinuierlich. Wir entwickeln und pflegen eine Streitkultur.

Ein sichtbarer Einstellungswechsel des gesamten Teams einschließlich des Apothekeninhabers durch Vermittlung der Grundwerte kann zu einem harmonisch-kreati­ven Arbeiten und Leben in der Apotheke führen. Von der Entschlossenheit aller Betei­ligten hängt es dann ab, ob der Coaching-Prozess öfter wiederholt werden muss. Ein Rückfall in alte Egoismen wäre als ein erstes Alarmsignal zu werten.

Vertikale und horizontale Werteordnung

Die Werteordnung einer Apotheke kann zum Beispiel in einer pyramidalen Anordnung erfolgen. Den Kunden dabei zu helfen, ihren Gesundheitszustand zu verbessern bzw. zu erhalten, stellt den am häufigsten formulierten Leitwert dar. Alle anderen Werte ordnen sich in diesem Fall dem Leitwert unter. Das kann dann kritisch werden, wenn die Hilfe durch allzu viel kostenlosen Service und unbezahlbare extensive Betreuung zu wirtschaftlichen Engpässen führt. Deshalb gehört zum Leitwert auch eine wichtige Nebenbedingung: der Erhalt von Apotheke und Arbeitsplätzen.

Denkbar ist auch eine horizontale Werteordnung. Dabei stehen mehrere Werte auf der gleichen Stufe. Im Fall der Teamführung können das Offenheit, Sorgfalt und Erfolg sein. Vorteil dieser Rangordnung ist die Risikostreuung. Wird ein Wert etwas zu wenig gelebt, sind alle anderen Werte noch umsetzbar. Die Abhängigkeit von dem „einen gro­ßen Sinn“ ist viel geringer.

Wie auch immer die Werteordnung in der Apotheke gegliedert ist – Friedrich Nietzsche drückt es klar aus: „Wer ein Warum hat, erträgt fast jedes Wie.“

Dipl.-Volkswirt Klaus Hölzel,
Apotheken Management-
Institut GmbH,
65375 Oestrich-Winkel
E-Mail: sekretariat@apothekenzukunft.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(17):10-10