Klaus Hölzel
Manche Medikamente, die zur kompletten Problemlösung einer Erkrankung gehören, werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr bezahlt. Das gilt ohnehin für freiverkäufliche Produkte und reine Selbstmedikationsarzneimittel. Deshalb als HV-Mitarbeiter auf ein qualitativ hochwertiges Angebot zu verzichten, ist heilberuflich nicht vertretbar. Der Apotheken-Auftrag lautet nämlich opti-male Versorgung und nicht persönliche Einschätzung der Kundenkaufkraft. Wer sich Markenprodukte nicht leisten kann oder will, wird sie nicht kaufen. Die Entscheidung trifft also der Kunde, nicht der Apothekenmitarbeiter.
Wettbewerb durch Versandhandel
Diese Regel hat Bestand, auch wenn Kunden immer öfter preisbewusst reagieren und den Kauf ablehnen. Die OTC-Verkaufszahlen der preisgünstigen Versender steigen kontinuierlich. Deshalb darf allerdings nicht von vornherein auf das Angebot von Qualitätsmarken verzichtet werden. Doch was kann man tun, um preisbewusste Kunden doch zu überzeugen?
Zunächst ein Blick über den Zaun. In anderen Branchen ist das selbstbewusste Auftreten selbstverständlich. Der BMW- Verkäufer kann sich bestimmt nicht das teuerste Modell seiner Marke leisten. Dennoch verkauft er es als Profi.
Tipp 1: Qualität verkaufen
Bei exklusiven Produkten und bekannten Marken zieht das Qualitätsargument, nicht der Preis. Die Angst vor einem angeblich hohen Preis findet allein im Kopf des Mitarbeiters statt. Er hat jedoch nur dann keine Angst vor der Preisforderung, wenn er von dem Produkt und dessen Leistungen überzeugt ist.
Tipp 2: Gezielte Fragen
Häufig wird bei Beratungen und Produktempfehlungen noch ins Blaue hinein präsentiert und argumentiert. Doch wenn bekannt ist, was der Kunde will und wie er Entscheidungen fällt, kann das Verkaufsgespräch optimal auf seine Bedürfnisse abgestimmt werden.
Die beiden zentralen Fragen lauten: „Was erwarten Sie von...?“ und „Was ist Ihnen besonders wichtig?“ Bevor man den Kunden mit Produktdetails langweilt, sollten die Antworten auf diese Fragen zur gezielten Empfehlung führen. Das Thema „Preis“ spielt bis dahin keine Rolle, es sei denn, der Kunde bezieht es von sich aus in die Antwort ein.
Wichtig: Das jeweilige Alleinstellungsmerkmal ist hervorzuheben. Bietet nur das eine Produkt dem Kunden den gewünschten Nutzen, kann man sich auch in höherpreisigen Regionen bewegen. Das Alleinstellungsmerkmal ist dem Kunden Geld wert.
Tipp 3: Verräterische Sprache
„Billig“ und „teuer“ sind emotional besetzte Worte, die oft gleichgesetzt werden mit „taugt nicht viel“ und „zu teuer“. Daher sollten „billig“ und „teuer“ im Kundengespräch vermieden werden. Der Kunde entscheidet, ob das Produkt „preiswert“ ist oder nicht.
Tipp 4: Sandwich- Methode und Spareffekt
Dem HV-Mitarbeiter stehen zwei Methoden zur Verfügung, den Preis darzustellen: Bei hohen Preisen werden die Kosten auf kleine Einheiten heruntergebrochen. Statt des gesamten Preises wird die für eine Woche oder einen Tag anfallende Teilsumme genannt: „Bei der Einnahme von täglich drei Tabletten kostet Sie die Behandlung nur 0,80 € pro Tag“ (Sandwich-Methode). Bei verschieden großen Packungen stellt man statt des Preises den Sparvorteil heraus. Beispiel: Kosten bei Produkt A 125 ml 8,90 € und 200 ml 12,99 €, wird der Preisvorteil von 1,25 € hervorgehoben.
Tipp 5: Fachberatung gratis
Höhere Arzneimittelpreise den Kunden gegenüber zu vertreten, fällt in einer Zeit des OTC-Preisverfalls im Versandhandel besonders schwer. Aber die Apotheke hat es auch jetzt nicht nötig, sich zu verstecken. Sie ist ein Fachgeschäft, das besondere Produkte mit einer besonderen Leistung und zusätzlichem Service bietet. Deshalb sollte man auch die Preise selbstbewusst, aber gezielt „verkaufen“. Mit Aussagen wie „Bei uns erhalten Sie eine Fachberatung gratis dazu“ oder „Unsere kompetente Beratung kostet Sie keinen Cent“ erinnert man Preisfüchse daran, dass sie in der Apotheke kostenlos eine kompetente Beratung bekommen. Damit vermittelt man den Mehrwert, den die Apotheke mit ihrer Atmosphäre und der freundlichen Beratung bietet.
Tipp 6: Die Gesamtleistung herausstellen
Erläutert man den Kunden, dass eine bessere Leistung auch einen höheren Preis hat und verweist zusätzlich auf die hohe Qualität der Apothekenprodukte, dann wird die Gesamtleistung der Apotheke deutlich: „Dieses Produkt wird erst durch das spezielle Herstellungsverfahren zu einem besonders hochwertigen Präparat“, „Erst die hochwertigen Inhaltsstoffe sorgen für die intensive Wirkung dieses Präparats“ oder „Zur Entwicklung dieses Arzneimittels war intensive Forschungsarbeit notwendig. Aber jetzt können Sie aufgrund der schnellen Wirkung davon profitieren“.
Tipp 7: Nur bei uns
Macht man den Kunden deutlich, dass die Apotheke individuelle Lösungen (Rezepturen) für die Probleme und Bedürfnisse der Patienten bereithält, dann wird die Alleinstellung offensichtlich: „Bei uns erhalten Sie ein individuelles Produkt“, „Diese Salbe ist für Ihr Bedürfnis genau maßgeschneidert“ oder „Dieses Mittel ist allein auf Ihre Bedürfnisse abgestimmt“.
Tipp 8: Die Überraschung
Durch Coupon-Systeme, Zugaben und andere Vorteile werden Kunden in den Versandhandel oder zum örtlichen Mitbewerber gelockt. Dem kann sich kaum eine Apotheke entziehen. Heben Sie sich ab: Fragen Sie, welche Ihrer Zugaben der Kunde gerade bevorzugt. Er freut sich über Ihre Auswahl und ist positiv überrascht.
Tipp 9: Switchen
Der Kunde tendiert zum Kauf des preisgünstigeren Produkts – Sie wollen ihn vom höherpreisigen Premium-Medikament überzeugen. Dazu bedarf es Ihrer sachlichen und emotionalen Gesprächskompetenz. Geben Sie ihm Argumente, die er sozusagen „mitnehmen“ kann. Stellen Sie die Vorteile des Premium-Artikels besonders heraus und sagen Sie am Ende: „Meine persönliche Empfehlung ist Produkt B – ich habe es selbst ausprobiert und es hat wirklich geholfen.“
Tipp 10: Die sanfte Alternative
Werben Sie mit dem bekannten Indikator-Artikel „X-Nasenspray“ und wollen das pflanzliche Präparat „Z- Nasenspray“ verkaufen, können Sie nach der persönlichen Empfehlung und den Argumenten aufgrund der Wirksamkeit auch noch die Vorteile eines pflanzlichen Produkts anführen: „Bei diesem Mittel handelt es sich um ein Naturprodukt, es wirkt besonders schonend.“
Überzeugen heißt nicht mit Tricks überreden. Auch darf der Druck des Inhabers auf die Steigerung des Korbumsatzes bei den Mitarbeitern nicht zum „verkaufen müs‑ sen“ führen. Wer Top-Qualität zu höherem Preis anbietet, braucht aber kein schlechtes Gewissen wegen des angeblich „orientalischen“ Teils des Verkaufsgesprächs zu haben.
Dipl.-Volkswirt Klaus Hölzel,
Apotheken Management- Institut GmbH,
65375 Oestrich-Winkel,
E-Mail: sekretariat@ apothekenzukunft.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(18):8-8