Erfolgreiche Positionierung im Wettbewerb

Kooperationen auf dem Prüfstand


Ursula Hasan-Boehme

Angesichts des offenen Ausgangs des EuGH-Verfahrens in Sachen Fremdbesitz stellen sich viele Apotheker Fragen im Zusammenhang mit Kooperationen. Muss ich jetzt eintreten? Bin ich in der richtigen Kooperation? Lohnt sich der Beitritt für mich überhaupt?

Kooperationen gibt es in sehr vielfältiger Form im Apothekenmarkt. Sie reichen von relativ losen Verbünden meist auf lokaler Ebene über strukturiert geführte überregionale Kooperationen bis hin zu Franchisesystemen.

Leistungsangebote

Hauptmotivation der Apotheker, einer Kooperation beizutreten, war vor allem 2004 – im Jahr des Inkrafttretens des GMG – das Versprechen besonderer Einkaufsvorteile seitens der großhandelsverbundenen Kooperationen. Die­se Vorteile bei den Einkaufskonditionen bestehen häufig aus weitergegebenen Vorteilen von Industriepartnern.

Ein ebenfalls wichtiger Leistungsbereich sind Angebote aus dem Marketingsektor. Diese gewinnen zunehmend an Bedeutung. Dabei geht es um Platzierungen in Sichtwahl und Freiwahl, hinter denen ebenfalls Partnerschaften zwischen Industrie und Großhandel stehen. Auch weitere Unterstützungen im Marketing beziehen sich auf Produkte der Partnerfirmen. Angebote können jedoch auch allgemeiner Natur sein wie Marketing- und Aktionsplanungen oder die Lieferung von Werbematerial. Die Verkaufstrainings dienen gleichfalls der Steigerung des Verkaufspotenzials.

Einige Kooperationen bieten sich auch als Partner für Krankenkassen an, denen sie besondere Angebote unterbreiten wollen. Sie treten hiermit in Konkurrenz zu den Landesapothekerverbänden, was die Position der Apotheker eher schwächt.

Durch das Angebot von „Fertigkonzepten“ lassen sich Kostenvorteile generieren, jedoch nur im Verhältnis zu selbst entwickelten Maßnahmenpaketen im vergleichbaren Umfang. Ansätze zur Managementunterstützung finden sich eher selten.

Grundsatzfragen

Vor dem Beitritt oder vor dem Wechsel zu einer anderen Kooperation sind Antworten auf einige grundsätzliche Fragen zu finden. Zunächst steht die Überlegung an, ob überhaupt Kooperationsbedarf vorhanden ist. Dabei geht es darum, die Bereiche zu iden­tifizieren, in denen Bedarf gesehen wird.

Wichtig ist die Klärung der Ziele der Kooperation. Dies ist nicht immer einfach. Ein erklärtes Ziel in Kooperationsverträgen, Flyern und auf Homepages lautet meist recht uniform und allgemein „Stärkung der inhabergeführten Apotheke“. Der Kooperationspartner kann aber noch weitergehende andere Zie­le haben, die sich im Widerspruch zu den erklärten Zielen befinden. Dabei ist zu beachten: Wer steht hinter dem Kooperationskonzept oder nimmt maßgeblichen Einfluss darauf? Welche Affinität hat dieser z. B. zum Fremdbesitz und wie verträgt sich das mit den eigenen Präferenzen?

Mit dem Beitritt zu einer Ko­operation geht die Apotheke Verpflichtungen ein. Welcher Art sind diese Verpflichtun­gen? Wie weit gehen der Bindungsgrad und die Einschränkung der Eigenständigkeit und bin ich bereit, dies zuzulassen? Sind die angebotenen Leistungen bzw. versprochenen Vorteile für mich relevant und sinnvoll, passen sie zu der Ausrichtung der eigenen Apotheke?

Mögliche Nachteile für Apotheker

Je nach Ausrichtung, Bindungsgrad und Konzeptumfang der Kooperation müssen die beitretenden Apotheker zum Teil Nachteile in Kauf nehmen. Zu den möglichen Nachteilen gehören:

  • Aufgabe eines Teils der Entscheidungsfreiheit / Selbstständigkeit;
  • nicht alle Angebote passen zur eigenen Ausrichtung;
  • Verträge enthalten teilweise auch nicht gewünschte Leistungen mit Abnahmeverpflichtung;
  • angebotene Leistungen sind manchmal nicht transparent;
  • versprochene Leistungen werden nicht immer eingehalten;
  • es entstehen Kosten durch laufende Beiträge und teilweise Sonderkosten für Leistungen, diese sind oft intransparent;
  • Eintrittsgebühren stehen manchmal keine konkreten Leistungen gegenüber, sie sind Hemmschwelle für einen möglichen Austritt;
  • Offenlegung von wirtschaftlichen Daten;
  • mangelnde Berücksichtigung der Individualität der Apotheke.

Bei den einzelnen Kooperationen treten nicht alle diese Nachteile auf, sondern unter Umständen nur ganz bestimmte. Der Einzelne muss für sich feststellen, ob er relevante Nachteile und ihr Ausmaß tolerieren kann und will. Derjenige, der schon Mitglied einer Kooperation ist und ggf. über einen Wechsel nachdenkt, kann bei dieser Einschätzung dank seiner Erfahrungen leichter zwischen Theorie und Praxis unterscheiden.

Wann lohnt der Beitritt?

Eine Kooperation lohnt sich, wenn diese Aufgaben besser bewältigen kann, als es alleine möglich wäre. Bei der Nutzenabwägung sollten die Vorteile/Leistungen die Nachteile überwiegen. Gerade die­se Abwägung ist allerdings in der Praxis schwierig vorzunehmen, da sich das Problem der Messbarkeit ergibt. Nur ein Teil der Vor- und Nachteile ist unmittelbar messbar. Die direkten Kosten lassen sich meist verhältnismäßig einfach feststellen. Im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Bewertung soll­ten zunächst die direkt messbaren Kostengrößen aufgelistet werden. Dafür ist das unten stehende Raster hilfreich. Sodann sind analog die direk­ten Vorteile zu beziffern (siehe hierzu die Abbildung auf Seite 7 oben).

Fast immer ist bei dieser Gegenüberstellung das Ergebnis negativ, d.h., die erfassten Kosten sind höher als die direkt messbaren Vorteile. Auf dieser Basis kann durch eine Break-even-Betrachtung berechnet werden, wie hoch mindestens ein Mehrumsatz ausfallen müsste, damit der Beitritt zu der Kooperation wenigstens ergebnisneutral ist. Erst wenn realistisch davon ausgegangen werden kann, dass der zu erwartende Mehrumsatz dauerhaft über der berechneten Mindestgröße liegt, ist die Kooperation wirtschaftlich lohnend.

Betragen z.B. die überschießenden Kosten pro Jahr 10.000 €, so müsste bei einem Ausgangsrohgewinn von 27% der Mehrumsatz über dem Schwellenwert von 40.000 € pro Jahr liegen, damit sich die Kooperation rechnet. Gesondert muss abgeschätzt werden, ob ein Überschreiten dieses Wertes realistisch ist.

Franchise – ein Sonderfall?

Franchise ist kein eindeutig feststehender Begriff und die Systeme werden häufig nicht als solche bezeichnet, sondern nennen sich z.B. Marktpartnerschaft, Lizenzsysteme usw. Letztlich kommt es auf den Inhalt an. Franchisesysteme sind eng geführte Kooperationsformen, d.h., die Verpflichtungen der Franchisenehmer sind sehr viel weitergehend als bei anderen Verbünden.

Die Apotheken müssen meist auf das vorgeschriebene Erscheinungsbild des Franchisegebers umgerüstet werden. Teilweise wird eine bestimmte Preispolitik angeordnet, verschiedene Marketingaktivitä­ten sind verpflichtend mitzumachen. Bestimmte Betätigun­gen können untersagt sein, z.B. eigener Versandhandel.

Für die Bewertung der ökonomischen Vor- und Nachteile kann dieselbe Vorgehensweise angewandt werden wie bei anderen Kooperationsformen. Ein wesentlicher Unterschied liegt meistens allerdings bereits in der Kostenhöhe. Die Monatsbeiträge liegen z.B. bei 2.000 €, dazu kommen hohe Eintrittskosten, Umbaumaß­nahmen, weitere Ausgaben durch Abnahmeverpflichtun­gen und obligatorische Aktivitäten auf eigene Rechnung. So können Jahreskosten von rund 60.000 € entstehen. Der zum Ausgleich erforderliche Mehrumsatz liegt dann in einer Größenordnung, die nicht ohne zusätzliches Personal bewältigt werden kann. Rechnet man z.B. die Kosten für eine PTA noch hinzu, so erhöht sich der mindestens zu erreichen­de Mehrumsatz bereits auf eine Größenordnung von mehr als 400.000 €.

Nicht-ökonomische Vor- und Nachteile

Die Bewertung einer Kooperation kann sich nicht in der ökonomisch messbaren Kosten-Nutzen-Betrachtung erschöpfen. Es gibt darüber hinaus auch immateriellen Nutzen, z.B. durch die Bildung von Netzwerken, durch den Austausch von Informationen, durch Angstabbau als Folge des Gruppengefühls und auch durch Bequemlichkeit. Es stellt sich insbesondere die Frage, wie diese Aspekte zu bewerten sind. Das gilt ebenfalls für „weiche“ Leistungen wie z.B. Schulungen, unabhängig von der Kostenfrage. Auch eine denkbare höhere Kunden­zufriedenheit oder ein grö­ßerer Bekanntheitsgrad der Apotheke ist schwierig einzuschätzen. Weiter ist zu beachten, dass Vorteile sich oft erst zeitver­zögert einstellen. Unklar ist regelmäßig auch der Ursa­che-Wirkungs-Zusam­men­hang: Sind Verbesserungen tatsächlich der Kooperation zuzurechnen?

Dieses Bewertungsproblem ergibt sich auch für Nachteile, die über rein monetäre Größen hinausgehen. Wie sind weitergehende Nachteile von einzugehenden Verpflichtun­gen einzustufen? Wie wird der mögliche Verlust an Individualität beurteilt? Sehr eng geführte Kooperationen können durchaus eine Vorstufe für Apothekenketten sein.

Auch wenn die immateriellen Vor- und Nachteile sich der Messbarkeit entziehen, so müssen sie doch vom Einzelnen individuell eingeschätzt werden, um für sich persönlich die Frage zu beantworten, ob die möglichen Vorteile die Nachteile aufwiegen.

Gesamtwürdigung

Kooperationen haben sich am Markt etabliert. Gleichwohl gibt es zahlreiche Apotheker, die sich keiner Kooperation angeschlossen haben. Es kommt auf die Überzeugung an, ob die Kooperation Aufgaben besser bewältigt oder mit einem besseren Erfolg, als es alleine möglich wäre.

Beim Beitritt zu einer Kooperation oder beim Wechsel haben die Apotheker vielfältige Möglichkeiten, sich für eine vorteilhaft erscheinende Ko­operation zu entscheiden, mit deren Zielen sie konform gehen. Eine Hilfestellung bei der Entscheidung kann die zum September 2008 aktuali­sierte Kooperationsbroschüre der Treuhand Hannover GmbH geben.

Dipl.-Volkswirtin Ursula
Hasan-Boehme, Steuerberaterin,
TREUHAND HANNOVER
GmbH, Steuerberatungsgesellschaft,
30519 Hannover,
E-Mail: ursula.hasan-boehme@treuhand-hannover.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(18):7-7