Entscheidungen treffen

Die Qual der Wahl


Ute Jürgens

Dass große Entscheidungen wohlüberlegt sein wollen und ihre Zeit brauchen, ist für jedermann selbstverständlich. Oft genug hakt es jedoch schon bei kleinen Dingen. Aus Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen, zögert man, bis man unter Zugzwang steht.

Trifft man eine Entscheidung unter Druck, so kann man sich nicht mehr in Ruhe die angenehmste Alternative aussuchen, sondern wählt hastig das Erstbeste oder lässt andere bestimmen. Zur Zufriedenheit führt das eher selten. Wir beschließen ständig unbewusst Dinge, da funktioniert das Treffen von Entscheidungen gut. Schwierig wird es, wenn man sehr viel dar­über nachdenkt und zu sehr ins Detail geht.

Unnötiges Plagen

Ein Beispiel: In der Apotheke soll ein Ausschank stattfinden. Früchtetee oder Vitamine? Eisgekühlt, heiß oder Raumtemperatur? Hier ist die spontane Bauchentscheidung vollkommen ausreichend, nächste Woche kann die Alternative angeboten werden. Trotzdem macht sich mancher das Leben schwer, indem er sich lange mit letztlich unwichtigen Überlegungen plagt und Probleme sieht, die ihm un­überwindlich scheinen.

Angst vor Konsequenzen, uneinschätzbare Risiken, Hadern mit „fertigen“ Lösungen, die Bedeutung des Entschlusses ins Unermessliche steigern, Furcht vor Veränderungen und Unsicherheit die eigenen Wünsche betreffend – das sind nur ein paar Gründe, die uns zögern lassen. Manchmal geht das Ganze nur uns selbst etwas an, manchmal sind noch andere Menschen mit betroffen.

Stellen Sie sich vor, ein Straßenarbeiter kommt hereingestürzt, die Hand blutet stark, ein Unfall mit der Kreissäge. Was tun? Die Angestellten sind im Urlaub, zu Tisch, überfordert oder gerade hinten. Überlegen Sie jetzt, wo Sie nach der letzten Revision die Erste-Hilfe-Tafeln hingeräumt haben? Schauen Sie im Internet nach? Nein, Sie handeln hoffentlich. Diese Situation scheint einfacher als all die anderen, die immer „ganz von alleine“ so kompliziert werden. Hier haben Sie den Blick für das Wesentliche.

Die erste Idee ist oft die beste

Bei den ganz kleinen Dingen hilft es, spontan auf das Erste zu hören, was innerlich zu vernehmen ist. Außerdem kann man sich fragen: „Wird es morgen wichtig sein, ob ich heute vegetarische oder Salami-Pizza gewählt habe?“ Wenn Sie Fragen dieser Art verneinen können, bedeutet es: Das Erstbeste ist genauso gut wie das nach einer halben Stunde Entschiedene.

Eine andere Methode für die schnelle Entscheidung ist das „K.o.-System“ (Birgit Preuß-Scheuerle in: Entscheide und ... gewinne, Gräfe und Unzer Verlag, 2006). Hier stellen Sie ein paar Punkte auf, die die entsprechende Lösung nicht aufweisen soll.

Im Ausschank-Beispiel hieße das: Das Getränk soll uns bei der Herstellung keine Umstände bereiten, weil es dann zu lange dauert. Wir erwarten heute am Markttag viele Kunden, wenn der Tee zu heiß zum Trinken ist, bleiben diese alle lange stehen und wollen unterhalten werden. Das wollen wir aber heute nicht. Das Getränk soll nicht nur Wellness-Effekt haben – jetzt sind Sie also schon beim Multivitamindrink angelangt. Bei diesem System müssen Sie also wissen, was Sie nicht wollen. Das ist oft einfacher zu finden als die positiven Kriterien.

Typische Fehler beim Treffen von Entscheidungen sind:

  • Es gibt nur ein Entweder – Oder. Der polnische Apho­ristiker Stanislaw Jerzy Lec meint dazu: „Hinter jeder Ecke lauern ein paar Richtungen.“ Oft genug sind noch mehr Varianten da, eine einzige davon trifft Ihren Geschmack am besten. Sie gilt es zu finden.
  • Aufgeblähte Bedeutungen: Sie glauben, es geht um „Leben oder Tod“. Versuchen Sie, sich an eine schwergefallene Entscheidung vor vier Wochen zu erinnern! Wahrscheinlich fällt Ihnen keine ein, sie war also doch nicht lebenswichtig.
  • „Nichts wie weg!“ – die Flucht ist nur ein Aufschieben, man kommt in der Sache selbst nicht weiter.
  • Das Arbeiten auf der falschen Baustelle: Statt zu überlegen, ob Sie die Apotheke verkaufen oder nicht, sehen Sie sich nach einer neuen Beziehung um.
  • Man setzt sich unter Druck und tritt dabei auf der Stelle.
  • Sie machen sich Vorwürfe für Weichen, die Sie in der Vergangenheit gestellt haben.

In ihrem Buch „Ja, nein, vielleicht? Entscheidungen leichter treffen“ nennt Gitte Härter die Voraussetzungen für gute Entscheidungen. Wichtig ist zunächst das Erkennen und Anerkennen der eigenen Bedürfnisse und Gefühle. Wenn Angst da ist, stellt sich die Frage „wovor?“. Meist ist das schlimmst­mögliche Ereignis relativ unwahrscheinlich.

Reagieren Sie auf Inhalte und nicht auf Personen

Das Trennen von unfruchtbaren Spekulationen und weiterhelfenden Fakten will gelernt sein. Fakten liefert das informative Gespräch mit Mitarbeitern oder Kollegen. Hier gilt es zu beachten: Was wird gesagt? Ist es für Sie zu gebrauchen? Wer spricht? Hintergrund und Blickwinkel bringen neue Gesichtspunkte. Wesentlich ist auch Ihre persönliche Einstellung zu dem jeweiligen Gesprächspartner. Meist ist es schwieriger, Ideen von „Nichtfavoriten“ anzunehmen. Versuchen Sie den neutralen Blick. Reagieren Sie somit auf die Inhalte und nicht auf die Person.

Die Prioritätenliste mit Gewichtung ermöglicht eine Übertragung von weichen in harte Faktoren. Zunächst sortieren Sie Ihre Überlegun­gen nach verschiedenen Kriterien, die sich aus dem Thema ergeben. Dann verteilen Sie bei jeder infrage kommenden Alternative für jedes Kri­terium Punkte von 0 bis 4, je nachdem, ob dieses Kriterium voll (4 Punkte) oder gar nicht (0 Punkte) erfüllt ist. Im nächsten Schritt ordnen Sie den einzelnen Kriterien einen Gewichtungsfaktor von 1 bis 3 zu als Ausdruck dafür, wie wichtig das jeweilige Kriterium für Sie persönlich ist. Wenn z.B. niedrige Kosten für Sie das Wichtigste sind, wählen Sie den Faktor 3, spielen sie dagegen nur eine untergeordnete Rolle den Faktor 1.

Anwendungsbeispiel: Sie erwägen die Einführung einer weiteren Kosmetikserie und müssen sich zwischen mehreren Alternativen entscheiden. Dabei spielen u.a. folgende Kriterien eine Rolle:

  • Zusammensetzung,
  • Kundenakzeptanz,
  • niedrige Investitionskosten,
  • hohe Erträge,
  • Unterstützung durch den Hersteller,
  • Zeitaufwand in der Beratung.

Betrachten wir die Kundenakzeptanz. Serie A ist eine Bio­serie, Sie rechnen mit hoher Kundenakzeptanz bei Ihrer Hauptzielgruppe „junge Mütter“ und vergeben daher 4 Punkte. Da Sie sich von der Neueinführung vor allem eine verstärkte Kundenbindung und die Gewinnung von Neu­kunden erwarten, vergeben Sie zusätzlich den Gewichtungsfaktor 3 als Ausdruck dafür, dass das Kriterium für Sie persönlich sehr wichtig ist. Damit erhält Serie A beim Kriterium Kundenakzeptanz 4 x 3 = 12 Punkte. Da die Investitionskosten relativ hoch sind, Sie diesem Kriterium aber nur mittlere Relevanz zuordnen, bekommt Serie A hier 1 x 2 = 2 Punkte.

Haben Sie für jede infrage kommende Kosmetikserie al­le Kriterien bewertet, erhalten Sie ein Ergebnis, das auch Ihre persönlichen Prio­ritäten berücksichtigt. Dieses System ist also einfachen Pro- und Kontralisten bei Weitem überlegen. Es lässt sich vom Firmen­wagenkauf bis hin zu Ur­laubszielen auf alles anwenden. Man braucht sich nur zu überlegen, nach welchen Kriterien man entscheiden will, und diesen entsprechende Punkte und Gewichtungsfaktoren zuzuordnen.

Mit Bedenken auseinandersetzen

Nachteile und Hindernisse einer Entscheidung kann man meist schon vorab ins Auge fassen – sei es, dass es um die Entscheidung als solche geht, man also innerlich blockiert ist, oder um eine von meh­‑ reren Alternativen, die ein großes Minus in sich trägt. In beiden Fällen fragt man sich: Was brauche ich jetzt um weiterzukommen? Informationen, moralische Unterstützung und Ermutigung oder anderes? Sich mit seinen Bedenken auseinanderzusetzen spart Zeit, da man nach der Entscheidung auf alle Eventualitäten gefasst ist und sich seine Reaktionen bereits überlegt hat. Dadurch kann man bei seinem Entschluss bleiben, anstatt nachträglich ins Wanken zu geraten und das Ganze wieder aufzurollen.

Jede Entscheidung für eine Variante ist auch eine Entscheidung gegen etwas. Der Politiker Horst Vetter drückt es so aus: „Man kann nicht die Hälfte seines Huhns essen und die andere Hälfte zum Eierlegen behalten.“ Stellen Sie sich den mit Ihrer Entscheidung verbundenen Verzicht vor. Ist er erträglich? Die Antwort bedeutet wieder eine Entscheidungshilfe.

Die Zielplanung

Sind die Würfel gefallen, beginnt man mit der konkreten Planung. Kleine Dinge werden direkt umgesetzt, größere in einzelne Schritte aufgeteilt. Hierbei hilft die Erstellung von Checklisten. Was muss wann getan werden, wer übernimmt was? Im Rahmen von Teamsitzungen und Aktionsplanungen werden komplexe Aufgaben in kleinere unterteilt, die ohne Weiteres handhabbar sind.

Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin und Einzelcoach,
KomMed, 28865 Lilienthal,
E-Mail: KomMed@freenet.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(19):9-9