Prof. Dr. Reinhard Herzog
Bildung ist in aller Munde – ob als Schulpolitik, Akademikermangel oder als (Pflicht-)Fort- und Weiterbildung. Das weckt Begehrlichkeiten, zieht neue Anbieter an. Von außen betrachtet klingen viele Angebote reizvoll. Was Sie nicht so alles vermittelt bekommen sollen! Nur – wie sieht es mit der „Bildungsrendite“ aus? Auf welche Zielrichtungen sollten Sie sich konzentrie‑ ren? Leider sind Zeit und Finanzbudget viel zu begrenzt, als dass Sie alles Interessante und Wissenswerte aufnehmen könnten.
BWL und Heilberuf – ein Widerspruch?
Wir legen hier den Schwerpunkt auf die Weiterbildung in betriebswirtschaftlichen Belangen. Dennoch ist die Frage berechtigt, ob nicht vielmehr eine Konzentration auf die heilberuflichen Belange und in der Folge lieber auf Prozessoptimierungen und Qualität den größeren Erfolg verspricht. Schließlich werden schlechte Zahlen nicht dadurch besser, dass man sie schön darzustellen weiß und um ein paar Auswertetabellen bereichert.
Zudem interessiert es die Kunden herzlich wenig, welchen Gewinn Sie einfahren. Kompetente Beratung sowie große Lieferbereitschaft hingegen werden honoriert und mit einer höher frequentierten Apotheke sollten die wirtschaftlichen Zahlen ohnehin besser werden. Doch an dieser Stelle lassen sich Betriebswirtschaft und Unternehmensführung heute nicht mehr so leicht vom Heilberuf trennen. Wir kennen zunehmend Fälle, bei denen selbst gut laufende Apotheken in ernste Kalamitäten kommen – wegen eklatanter Mängel in der wirtschaftlichen Unternehmensführung.
Bildungsziele entwickeln
Ausgehend von Ihrer individuellen Lage, empfiehlt es sich, regelrechte „Bildungsziele“ zu entwickeln, bevor Sie die dazu passenden Angebote eruieren:
- Suchen Sie eher eine solide Grundlagenausbildung, die Ihnen auch an anderer Stelle zugutekommen oder Ihnen gar neue Berufsperspektiven bieten kann? Stehen Sie am Anfang Ihrer Berufslaufbahn und/oder können Sie sich noch (oder wieder) frei orientieren?
- Möchten Sie dagegen vor allem Tricks, Kniffe und aktuelle Marktkenntnisse erhalten sowie in erster Linie ganz praktisch Ihre Apotheke betriebswirtschaftlich optimieren?
- Geht es Ihnen um persönliche Befriedigung, möchten Sie Gleichgesinnte kennenlernen, sich vielleicht selbst beweisen, dass Sie noch nicht zum „alten Eisen“ gehören?
- Spielt demzufolge der Abschluss eine besondere Rolle oder ist der Weg das Ziel?
- Welchen Zeitaufwand können Sie einplanen? Wie hoch sind Sie motiviert, das Gelernte zu Hause zu vertiefen und praktisch zu erproben?
Die meisten Interessenten gehören damit zu einer dieser beiden Gruppen:
- Bei vielen frisch gebackenen Absolventen und „Young Professionals“, nicht selten mit einer Apotheke in der Familie im Hintergrund und meist noch angestellt beschäftigt, stehen neben der fundierten Vermittlung von Grundlagenwissen die „Karriereförderung“ und neue Berufsperspektiven (wofür sich ein vorzeigbarer Abschluss gut macht) im Vordergrund. Dabei spielen auch ein Stück weit „Lebensberatung“ und Orientierung im Hinblick auf die eigene Entwicklung und die möglicherweise in Aussicht stehende heimische Apotheke eine Rolle.
- Den selbstständigen Apothekern geht es dagegen um die Perfektionierung der berufspraktischen BWL und darum, näher an den „Markt“ zu rücken. Auch das Bedürfnis, einmal „rauszukommen“, noch etwas für sich zu tun und neue Leu‑ te kennenzulernen, ist ein nicht zu unterschätzendes Motiv. Der Abschluss an sich hat dagegen nicht mehr die herausragende Bedeutung.
Angebote
Die Spannbreite der Angebote variiert enorm. „Alte Hasen“ nutzen nach wie vor bisweilen sehr verschwiegene Zirkel und Erfa-Runden, oft jahrelang gewachsen und deshalb mit der nötigen Vertrauensbasis unterlegt. Für den Austausch von „Interna“ und Tricks, die nicht für jedermanns Ohren bestimmt sind, stellen diese nach wie vor ein gutes Medium dar, zumal wenn sie von erfahrenen Erfa-Gruppenleitern gecoacht werden. Gerade erfolgreiche Kollegen haben nicht unbedingt mehr Lust, sich mit den Grundlagen der Volkswirtschaft oder dem kleinen Einmaleins der Kennziffern abzugeben – das eine bringt für den Alltag wenig und das andere ist in gut gehenden Apotheken längst etabliert.
Angebote von Großhandlungen, Steuerberatungsunternehmen und EDV-Firmen decken zumeist praxisrelevante Themen ab. Der Aufwand ist überschaubar, freilich haben sie meist punktuellen Seminarcharakter.
Bleibt der immer unübersichtlichere Weiterbildungsmarkt. Dabei spannt sich der Bogen von inzwischen Dutzenden, oft berufsbegleitenden Studiengängen aus dem weiten Bereich der Gesundheitsökonomie und dem „Health Management“ (bekanntlich wird ja heute nur noch gemanagt) – auf die hier nicht näher eingegangen wird – über pharmaziespezifischere Angebote wie z.B. Drug Regulatory Affairs (Universität Bonn, Master), Consumer Health Care (Universität Berlin, Master) oder Pharmaceutical Medicine (Universität Duisburg-Essen, Master, in englischer Sprache) bis hin zu den beiden tatsächlich primär apothekenbetriebswirtschaftlich ausgerichteten Kurs- und Studienangeboten der Universität Bayreuth („Praktischer Betriebswirt für die Pharmazie“) und der Fachhochschule Schmalkalden in Thüringen („Apothekenbetriebswirt(in) (FH)“).
Die betriebswirtschaftlichen Angebote aus Bayreuth und Schmalkalden sollen hier näher betrachtet werden.
Abschlüsse
An der Universität Bayreuth wird nach vier Semestern der Titel „Praktischer Betriebswirt für die Pharmazie“ verliehen, an der Fachhochschule Schmalkalden in Thüringen nach nur zwei Semestern der Titel „Apothekenbetriebswirt(in) (FH)“, also ein staatlicher Fachhochschul-Abschluss. In Bayreuth kann mit einem zusätzlichen Semester (plus der Zeit für die Abschlussarbeit) ein Mastertitel erworben werden. Für diesen Master of Business Administration „Health Care Management“, der mit den drei magischen Buchstaben MBA abgekürzt wird, fallen knapp 5.000 € an, zuzüglich des Aufwands für nochmals drei Präsenzwochen und Klausurtag. In Schmalkalden befindet sich ein ähnlicher MBA in Vorbereitung. Die Studiendauer wird hier vier Semester betragen, wobei Zeiten aus dem Apothekenbetriebswirtschaftsstudium angerechnet werden.
In Bayreuth haben seit dem Start Mitte der 1990er-Jahre bislang 12 Jahrgänge mit dem „Praktischen Betriebswirt“ abgeschlossen (über 400 Absolventen), die Jahrgänge 13 und 14 sind „in Arbeit“, der 15. Jahrgang startet in diesem Herbst. Über 50 Teilnehmer befinden sich in der MBA- Ausbildung. In Schmalkalden (Start 2005) hat gerade der 4. Kurs abgeschlossen, damit sind bereits gut 70 „Apothekenbetriebswirte“ auf dem Markt. Der 5. Kurs beginnt im Frühjahr 2009.
Studienschwerpunkte
Der Studiengang in Schmalkalden ist – trotz des verliehenen „echten“ Hochschulabschlusses, den der „Apothekenbetriebswirt (FH)“ darstellt – sehr praxisorientiert. Neben unverzichtbaren Grundlagenvorlesungen, beispielsweise in BWL, Kostenrechnung oder Recht, stehen apothekenrelevante Themen wie Organisation und Unternehmensführung, Unternehmensbewertung und Standortwahl, Personalführung sowie Kennzahlen im Vordergrund. Die mit zwei Semestern recht kurze, aber intensive Studiendauer (berufsbegleitend) unterstreicht diesen Ansatz. Es gibt fünf Präsenzphasen von jeweils 8 bis 9 Tagen an der FH in Schmalkalden mit insgesamt 320 Präsenzstunden. Dazu kommen 512 Stunden Selbststudium, sodass der theoretische Studienaufwand mit 832 Stunden kalkuliert ist.
Die Universität Bayreuth verteilt ganz ähnliche Themen auf vier ebenfalls berufsbegleitende Semester, wobei tendenziell noch stärker auf theoretische und vertiefende betriebs- und volkswirtschaftliche sowie gesundheitspolitische Aspekte Wert gelegt wird. Je Semester finden drei Präsenzphasen von jeweils 5 Tagen statt, insgesamt also 12 Wochen. Das ergibt zusammen 540 Präsenzstunden in Bayreuth.
Nicht unterschätzt werden sollten die Lernzeiten daheim. Zwar steht sicher nicht das „Klausurenkloppen“ wie im Pharmaziestudium im Vordergrund, auch wenn die Lehrveranstaltungen überwiegend mit Klausuren abschließen. Um jedoch einen echten Nutzen aus dem ja durchaus aufwendigen Studium zu ziehen, ist dringend anzuraten, die tägliche Umsetzung in die Apothekenpraxis zu suchen und praktische Erfahrungen mit dem Gelernten zu sammeln. Schließlich trifft hier nicht der bissige Spruch „Maier hat gratis studiert, Müller hingegen umsonst“ zu, denn gratis ist ein solches Studium ja leider nicht...
Kostenbetrachtung
Die beiden Weiterbildungen in Bayreuth und Schmalkalden schlagen mit ähnlichen Kosten zu Buche. Das sind zum einen rund 6.500 € bis 7.000 € an Studien-, Verwaltungs- und Prüfungsgebühren. Hinzu kommen die Aufwendungen für Fahrten und Unterkunft – immerhin mindestens etwa 45 (Schmalkalden) bis 60 (Bayreuth) Übernachtungen – sowie zusätzliche Ausgaben für Verpflegung. Daher kann grob von rund 10.000 € Gesamtkosten ausgegangen werden. Ebenfalls berücksichtigt werden muss ein eventueller Urlaubsverlust bzw. bei Selbstständigen der Lohn für eine ggf. notwendige Apothekenvertretung während der Präsenzzeiten an der Hochschule.
Der Aufwand ist absolut betrachtet erst einmal hoch, andererseits jedoch sehr gering, falls dadurch neue Berufs‑ perspektiven eröffnet oder womöglich gar existenzielle unternehmerische Fehlentscheidungen in der künftigen Unternehmensführung vermieden werden. Steuerlich können die Aufwendungen als Weiterbildung im ausgeübten Beruf im Rahmen der steuerrechtlichen Grenzen geltend gemacht werden, sodass es sich empfiehlt, einmal ausrechnen zu lassen, was ein solches Aufbaustudium bei der individuellen Einkommenssituation tatsächlich „netto“ kosten würde.
Fazit
Die Entscheidung für ein berufsbegleitendes Studium der Apothekenbetriebswirtschaft will überlegt und vor allem zeitlich geplant sein. Die Resonanz der Teilnehmer – egal, ob aus Bayreuth oder Schmalkalden – ist jedoch ganz überwiegend außerordentlich positiv. Kaum einer möchte die Erfahrungen missen, auch und gerade die des lebendigen Austausches und Kennenlernens Gleichgesinnter. Dieser Netzwerkaspekt über das Fachliche hinaus ist bei einem solchen Studium nicht zu unterschätzen.
Nähere Angaben zur Wirtschaftsakademie Deutscher Apotheker GmbH (vertreibt den Studiengang "Praktischer Betriebswirt für die Pharmazie" der Universität Bayreuth) finden Sie unter www.wda-akademie.de
Die Fachhochschule Schmalkalden (Anbieter des Studiengangs "Apothekenbetriebswirt(in) FH") präsentiert ihre Leistungen unter
www.fh-schmalkalden.de/weiterbildung
Alle Hochschulen und ihre Angebote in der Übersicht finden SIe unter www.hochschulkompass.de
Dr. Reinhard Herzog,
Apotheker, 72076 Tübingen,
E-Mail: Heilpharm.andmore @t-online.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(19):5-5