Bankgeheimnis

Offene Bücher für die Behörden


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Über 500 Millionen Konten und Depots von mehr als 60 Millionen Kunden werden bei Sparkassen und Banken zwischen Flensburg und Berchtesgaden derzeit geführt. Doch für die Guthaben interessieren sich nicht nur die Kontoinhaber, sondern auch die Behörden.

Das Bankgeheimnis wird in Deutschland immer noch großgeschrieben – zumindest grundsätzlich. Weder unberechtigte Familienangehörige noch neugierige Nachbarn oder Arbeitgeber erfahren etwas darüber, was sich auf den Konten und Depots tut. Ver­stöße können umfangreiche Sanktionen nach sich ziehen, die von arbeitsrechtli­chen Folgen für den jeweiligen Bankmitarbeiter bis hin zu möglichen Schadenser­satz­for­de­rungen betroffener Bankkunden reichen. Doch es gibt eine Ausnahme: Vater Staat hat sich in den vergangenen Jahren mehrere Möglichkeiten geschaffen, die Ehrlichkeit seiner Bürger durch entsprechen­de Abfragen zu überprüfen.

Dies beginnt bei den Freistellungsaufträgen. Sie ermöglichen es dem kontoführenden Institut, Kapitalerträge bis zur Höhe des im Auftrag genannten Betrags ohne Abzug von Zinsabschlag- oder Kapital­ertragsteuer auszuzahlen. Die Kreditinstitute sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Höhe der erteilten Freistellungsaufträge an das Bundeszentralamt für Steuern – früher: Bundesamt für Finanzen – zu melden. Dort werden die erteilten Freistellungsaufträge zusammengeführt und kontrolliert. Überschreitet ein Sparer die zulässigen Höchstgrenzen (zurzeit Sparerfreibetrag 750 € + 51 € Werbungskostenpauschale für Alleinstehende bzw. 1.500 € + 102 € für Verheiratete), drohen genauere Nachforschungen. Verschärft wurde die Meldepflicht im Übrigen mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens, da jetzt zwischen Zins- und Dividendeneinkünften unterschieden wird.

Automatisierter Kontenabruf

Allerdings haben die Behörden noch weitaus mehr Rechte. Lange Zeit heftig umstritten, inzwischen jedoch vom Bundesverfassungsgericht sank­tioniert ist der sogenannte Kontenabruf, der im Jahr 2005 deutlich ausgeweitet wurde. War es bis dahin lediglich im Einzelfall, z.B. im Rahmen von Strafverfahren, zulässig, die Konten und Depots eines Beschuldigten zu ermitteln, so hat jetzt nahezu jede Behörde das Recht, die Bankverbindun­gen der Bürger abzufragen. Als Begründung genügt allein die Vermutung, Anfragen beim jeweils Betroffenen könnten erfolglos sein. Außer von Finanzbehörden werden die Zugriffsmöglichkeiten insbesondere von Sozialämtern, Familienkassen, der Arbeitsagentur, von BAföG-Stellen und den Jugendämtern genutzt. Positiv dabei: Informationen werden lediglich über die Existenz eines Kontos erteilt, hingegen bleiben Guthaben- oder Kreditsalden ebenso tabu wie die Wertpapiere eines Depots. Allerdings ist es durchaus üblich, dass der Betroffene von der jeweiligen Behörde dazu aufgefordert wird, die konkreten Kontostände der so ermittelten Konten zu nennen. Im Rahmen z. B. von Strafverfahren sind auch direkte Ermittlungen beim kontoführenden Institut tägliche Praxis.

War man bisher davon ausgegangen, dass der Kontenabruf mit der Einführung der Abgeltungssteuer im Jahr 2009 wieder fallen wird, so hat sich der Gesetzgeber jetzt anders entschlossen: Zwar ist es in der Regel nicht mehr erforderlich, mögliche Steuersünder auf diesem Weg zu überführen, denn schließlich ist mit der Zahlung der Abgeltungssteuer die Besteuerung üblicherweise abgeschlossen. Um jedoch weiterhin z. B. nach pfändbaren Konten von Steuerschuldnern suchen oder Anträge auf Sozialleistungen prüfen zu können, bleiben die aktuellen Abfragemöglichkeiten auch über das Jahr 2009 hinaus bestehen.

Als nicht unproblematisch se­hen Experten auch die sogenannte Jahresbescheinigung an, in der von der Sparkasse bzw. Bank alle während eines Jahres erzielten Kapitaleinkünfte des Steuerzahlers zusammengefasst werden. Sie dient – zumindest nach den ursprünglichen Plänen des Ge­setzgebers – vorrangig als Ausfüllhilfe für die Steuererklärung, muss jedoch grundsätzlich nicht beim Finanzamt abgegeben werden. Andererseits kann sie eine wichtige Grundlage für genauere Überprüfungen darstellen, sodass Steuerzahler gut beraten sind, die Angaben vollständig in ihre Steuererklärung zu über­nehmen – vorausgesetzt, sie enthält keine Fehler.

Ausland gibt Rechtshilfe

Gerade in den vergangenen Jahren haben viele Steuerzahler den Weg ins Ausland gewählt und ihr Geld etwa in Luxemburg, Österreich, Liechtenstein oder der Schweiz angelegt, z. B. um die dort ge­botene professionelle Vermögensverwaltung zu nutzen oder – speziell in der Schweiz und in Liechtenstein – eine Diversifikation bei der Anlagewährung vorzunehmen. Entgegen landläufiger Meinung ist dies auch durchaus legal, sofern die erzielten Erträge beim deutschen Fiskus deklariert werden. Ein „Ver­gessen“ kann jedoch schnell Sanktionen nach sich ziehen: 24 der 27 EU-Staaten, darunter auch die neuen EU-Länder Rumänien und Bulgarien, nehmen am sogenannten Datenaustausch teil, d.h., es werden grenzüberschreitend Kon­troll­mitteilungen über Kapi­tal­ein­künfte ausgetauscht. Das heimische Finanzamt erfährt also in jedem Fall, wenn z. B. Zins­erträge einer italienischen Bank einem deutschen Staatsbürger gutgeschrieben werden.

Belgien, Österreich und Lu­xem­burg sowie das Nicht- EU-Mitglied Schweiz nehmen derzeit noch nicht am Datenaustausch teil und berechnen stattdessen eine anonyme Quellensteuer von aktuell 20 %, die bis 2011 auf 35 % steigt. Ganz „abgeschottet“ sind allerdings auch diese Konten nicht mehr: Seit Anfang 2006 ist in Deutschland ein Abkommen zur Rechtshilfe in Strafsachen zwischen Mitgliedstaaten der EU wirksam. Läuft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren, können deutsche Steuerfahnder jetzt z. B. auch bei einer österreichischen oder Luxemburger Bank nachfragen, ob der Beschuldigte dort ein Konto oder Depot besitzt. Die ausländischen Kreditinstitute müssen dann umfassend Auskunft erteilen.

Ausführliche Informationen, die über das Vorhandensein einer Bankverbindung hinausgehen, sind schließlich im Fall des Todes eines Kontoinhabers vorgesehen. Banken und Sparkassen sind verpflichtet, innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden des Todesfalls eine Meldung an das zustän­dige Finanzamt abzugeben. Gleiches gilt,

  • wenn der Verstorbene ein Schließfach angemietet hatte,
  • auf Gemeinschaftskonten zeichnungsberechtigt war oder
  • wenn eine sogenannte Drittbegünstigtenvereinbarung, also ein Vertrag zugunsten eines Dritten, getroffen war.

Die Meldung unterbleibt lediglich dann, wenn die Vermögenswerte des Verstorbenen am Todestag den Betrag von 2.500 € nicht überstiegen haben, wobei eventuell vorhandene Schulden nicht saldiert werden dürfen. Gemeldet werden im Übrigen der Kontostand vom Beginn des Todestages, die zwischenzeitlich aufgelaufenen Zinsen sowie der Wert der im Depot gelagerten Papiere. Keine Meldung erfolgt über den Inhalt eines gemieteten Schließfachs, hat die Bank doch dar­über meist keine Kenntnis.

Ähnliche Meldepflichten bestehen auch für Versicherungs­gesellschaften in Zusam­men­hang mit Lebens- und Sterbe­geldversicherun­gen so­wie für Emittenten von Na­mens­schuld­verschreibun­gen und -aktien, sobald sie Kenntnis vom Tod des Inhabers erhalten.

Gerade nach Todesfällen wird mittlerweile zunehmend recherchiert, ob Kapitaleinkünfte ordnungsgemäß versteuert wurden – und dies ggf. auch über einen eventuell bereits einbehalte­nen Zinsabschlag hinaus. Ist das nicht der Fall, drohen den Erben erheb­liche Steuer­nachzahlungen, die manch­mal sogar das gesamte Guthaben aufzehren können.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(19):16-16