Verjährung und Verfall von arbeitsrechtlichen Ansprüchen

Rechtsverlust durch Zeitablauf


Jasmin Theuringer

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist beiden Parteien daran gelegen, sich endgültig zu trennen und alle gegen­seitigen Ansprüche schnellstmöglich abzuwickeln. Entsprechen­de Regelungen zur Verjährung und zum Verfall von Ansprüchen sorgen hier für klare Verhältnisse.

Die Verjährung von Ansprüchen ist gesetzlich geregelt. Ihr unterliegen sämtliche Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis. Hierzu gehören nicht nur die Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, sondern auch Ansprüche des Arbeitgebers beispielsweise auf Erstattung versehentlich zuviel gezahlter Vergütung.

Im Arbeitsrecht galten bis zum Inkrafttreten des Schuld­rechtsmodernisierungsgeset­zes am 1. Januar 2002 unterschiedliche Verjährungsfristen. Die Gesetzesreform hat die Verjährungsfristen ver­einheitlicht. Es gilt nun – bis auf wenige Ausnahmen – für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Sie beginnt am Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. So verjähren beispielsweise sowohl der Anspruch auf Bezahlung der im Januar 2008 geleisteten Überstunden als auch der Weihnachtsgeldanspruch für das Jahr 2008 einheitlich am 31. Dezember 2011.

Der Eintritt der Verjährung gibt dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht, auf das er sich in einem Prozess ausdrücklich berufen muss. Erfüllt er allerdings eine Forderung in Unkenntnis der bereits eingetretenen Verjährung, so kann er die Leistung nicht zurückverlangen.

Auch ist es möglich, gegen einen Anspruch mit einem bereits verjährten Anspruch aufzurechnen: Ein ausgeschiedener Arbeitnehmer wird von seinem Arbeitgeber auf Rückzahlung eines Dar­lehens verklagt, das längst fällig war und nur mit Rücksicht auf die finanzielle Situation des Mitarbeiters gestundet wurde. Der Arbeitnehmer weigert sich, das Darlehen zurückzuzahlen mit der Begründung, er habe noch offene Ansprüche auf Weihnachtsgeld und Urlaubsab­geltung. Der Arbeitgeber wendet ein, der Anspruch auf Weihnachtsgeld unterliege dem Tarifvertrag und der darin enthaltenen Verfallklausel, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei zumindest verjährt. Im Ergebnis wird der Arbeitnehmer hier den bereits verjährten Anspruch gegen die Darlehensforderung aufrechnen können, der verfallene Anspruch auf Weihnachts- geld dagegen ist unwiederbringlich verloren.

Verfallfristen

Die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren trägt dem Interesse der Parteien an einer zügigen Klärung der gegenseitigen Ansprüche nur bedingt Rechnung. Um zu verhindern, nach längerer Zeit noch mit längst vergessenen Ansprüchen konfrontiert zu werden, können daher sogenannte Verfall- oder Ausschlussfristen vereinbart werden.

Tarifliche Verfallklausel

Der Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbei-ter (BRTV) enthält in § 20 eine Verfallfrist. Nach dieser Bestimmung müssen Ansprüche aus Mehrarbeit, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, auf Vergütung der Notdienstbereitschaft sowie auf Zahlungen von Zulagen aller Art spätestens drei Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Weiterhin müssen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ebenfalls innerhalb von drei Mo­naten schriftlich geltend gemacht werden. Diese Verfallfrist gilt immer dann, wenn der Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung anwendbar ist oder im Arbeitsvertrag ausdrücklich auf den Tarifvertrag Bezug genommen wird.

Der BRTV enthält eine sogenannte einstufige Verfallfrist – um Ansprüche zu wahren, genügt die schriftliche Geltendmachung beim Vertragspartner innerhalb der Drei­monatsfrist. Wird diese Frist versäumt, gehen die Ansprüche allein durch Zeitablauf endgültig verloren.

Nahezu jeder Tarifvertrag enthält Verfallklauseln, daher prüfen die Arbeitsgerichte von Amts wegen – also ohne dass sich der Schuldner im Prozess darauf berufen muss –, ob der eingeklagte Anspruch an einer solchen Klausel scheitern könnte.

Vertragliche Verfallklauseln

Verfallklauseln können auch im Arbeitsvertrag selbst vereinbart werden. Vertraglich vereinbarte Ausschlussfristen sind dabei häufig zweistufig. Neben dem Erfordernis der außergerichtlichen Geltendmachung muss der Anspruch im Fall einer Ablehnung durch den Vertragspartner innerhalb einer weiteren Frist eingeklagt werden. Diese sogenannten zweistufigen Ausschlussfristen standen in der Vergangenheit häufiger beim Bundesarbeitsgericht auf dem Prüfstand.

So verlangte eine ausgeschiedene Mitarbeiterin von ihrem bisherigen Arbeitgeber Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Dieser lehnte den Anspruch mit Verweis auf die im Arbeitsvertrag enthaltene Verfallfrist ab. Nach dem Arbeitsvertrag war der Anspruch innerhalb von sechs Wochen seit seiner Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Frist von vier Wochen einzuklagen. Die Arbeitnehmerin hatte ihren Anspruch innerhalb von sechs Wochen schriftlich geltend gemacht, ihn jedoch erst mehr als zwei Monate nach der Ablehnung durch den Arbeitgeber eingeklagt.

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Frist für die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen nicht kürzer als drei Monate sein dürfe. Eine zu kurz bemessene Frist entfalle ganz und werde nicht etwa auf das zulässige Maß angepasst (Urteil vom 25. Mai 2005, Aktenzeichen 5 AZR 572/04). Über die Sechswochenfrist zur außergerichtlichen Geltendmachung hatte das Bundesarbeitsgericht nicht zu entscheiden, da die Arbeitnehmerin diese Frist eingehalten hatte. Es war jedoch aus den Entscheidungsgründen herauszulesen, dass auch diese Frist zu kurz sein könnte.

Im Jahr 2008 hatte sich das Bundesarbeitsgericht erneut mit einer zweistufigen Frist zu befassen. In diesem Fall war eine dreimonatige Frist für die außergerichtliche Geltendmachung vorgesehen und eine weitere Frist von einem Monat für die Klageerhebung. Der Kläger hatte beide Fristen versäumt und berief sich nun auf die Unwirksamkeit der gesamten Klausel, da die Klagefrist zu kurz bemessen sei.

Hier entschied das Bundesarbeitsgericht, dass die Verfallklausel zu teilen sei: Auch wenn die Klagefrist unangemessen kurz sei, entbinde den Kläger dies nicht, seine Ansprüche innerhalb der ersten Frist schriftlich geltend zu machen. Die Unwirksamkeit der zweiten Stufe erstrecke sich nicht auf die erste Stufe (Urteil vom 12. März 2008, Aktenzeichen 10 AZR 152/07).

Einseitige Verfallklauseln

Durch eine einseitige Verfallklausel werden nur die Ansprüche des Arbeitnehmers erfasst, Ansprüche des Arbeitgebers unterliegen lediglich der gesetzlichen Verjährung. Einseitige Verfallklauseln sind von der Rechtsprechung in der Vergangenheit gebilligt worden, allerdings handelte es sich hierbei um tarifvertragliche Klauseln.

Ein Tarifvertrag unterliegt jedoch wegen der Tarif­autonomie nicht der gerichtlichen Inhaltskontrolle. Diese Rechtsprechung ist daher nicht auf arbeitsvertraglich vereinbarte Verfallklauseln zu übertragen. Vertragliche Verfallklauseln, die sich nur zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken, sind vielmehr als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers unwirksam (z.B. Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juli 2001, Aktenzeichen 21 Sa 40/01).

Jasmin Theuringer, Rechts­anwältin
Bellinger Rechts­anwälte und Steuer­berater
40212 Düsseldorf
E-Mail: theuringer@bellinger.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(19):11-11