Wertpapier im Test

Rückblick auf 2008


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Allein an der deutschen Börse werden mehrere tausend Aktien, über 20.000 Anleihen und rund 250.000 Zertifikate gehandelt. Unsere Serie „Wertpapier im Test“ soll Ihnen daher eine Entscheidungshilfe bei der entsprechenden Titelauswahl bieten.

Eine alte Börsenregel sagt: „Die Aktienmärkte sind keine Einbahnstraße.“ Und in der Tat: Fünf Jahre lang waren die Kurse an den meisten Weltbörsen gestiegen, obwohl die Finanzkrise bereits deutliche Spuren in den Ertragsrechnungen etwa der Banken hinterlassen hatte. Entsprechend war davon auszugehen, dass 2008 ein eher schwächeres Börsenjahr werden dürfte. Und so gaben die Kurse zu Jahresbeginn 2008 auch nach, um sich dann erst einmal wieder zu erholen. Das eigentliche Debakel begann jedoch Mitte September 2008, als die Insolvenz von Lehman Brothers selbst bisherige Optimisten die noch ungeahnten Dimensionen der Finanzkrise erkennen ließ.

In der Jahresbilanz 2008 sind Rückgänge von mehr als 50% mehr die Regel denn die Ausnahme, immerhin 6 der 30 DAX-Titel büßten sogar mehr als 60% ein. Dass der Index selbst lediglich 40% Minus verzeichnete, ist nur der Sondersituation bei Volkswagen zu verdanken. Hier sorgten die Käufe des Großaktionärs Porsche für einen kräftigen Kurs­anstieg um 60%, der allein auf die inzwischen eingetretene Marktenge des Papiers, nicht jedoch auf fundamentale Zahlen des Unternehmens zurückzuführen ist. Auch alle anderen Weltbörsen weisen für 2008 tiefrote Zahlen aus, etwa Japan mit minus 42% oder Wien mit minus 61%, in Russland brachen die Kurse sogar um 72% ein, in China satte 65%.

Diese Entwicklung zeigt, wie wichtig es gerade für Privatanleger ist, sich selbst eine Meinung zu bilden und nicht blind den Empfehlungen der Banken zu vertrauen. Die Meinungsbildung sollte sich dabei auf mehrere Bereiche erstrecken: Zum einen sollten Sie sich überlegen, ob Sie zum jeweiligen Zeitpunkt überhaupt investieren sollten und wenn ja, unter welchen zeitlichen Gesichtspunkten. Zum anderen sollten Sie auch das Unternehmen bzw. das Produkt unter die Lupe nehmen, in das Sie ihr Geld stecken wollen:

  • Bei einer Aktiengesellschaft gilt es, die Unternehmensstrategie zu erkennen und – möglichst richtig – einzuschätzen.
  • Bei einer Anleihe sollte man Kenntnisse über die Sicherheit sowie über mögliche Kursveränderungen im Fall von Zinsschwankun­gen haben.
  • Bei einem Zertifikat oder Optionsschein sollten Sie die exakte Konstruktion kennen und – vor allem – verstehen und
  • bei einem Fonds sollten Sie sich über die Zusammensetzung informieren und nur dort investieren, wo entsprechende Trans­parenz geboten wird.

Hilfestellung kann Ihnen dabei unsere Rubrik „Wertpapier im Test“ bieten, in der wir zur Auseinandersetzung mit einzelnen Wertpapieren anregen. Dabei legen wir besonderen Wert auf eine ausgewogene Titelauswahl, die sowohl zinsorientierte wie auch chancen- und risikoorientierte Anleger berücksichtigt, unterschiedliche Märkte behandelt und zeitliche Perspektiven nicht außer Acht lässt. Entsprechend differenziert sind die Kriterien, nach denen wir eine Anlage auf den monat­lichen Prüfstand stellen:

  • Grundsätzlich infrage kommen Papiere, die entweder überzeugende fundamentale Daten oder aber in­teressante charttechnische Entwicklungen aufweisen.
  • Vorgestellt werden aber auch Papiere, für die besonders geworben wird oder die aktuell im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen – sei es nun im positiven oder negativen Sinne.

Keinesfalls sollte die Vorstellung als „Wertpapier im Test“ jedoch als uneingeschränkte Kaufempfehlung verstanden werden. Im Gegenteil: Die Studien sollen Ihnen in erster Linie als neutrale Informationsquelle dienen, mit deren Hilfe Sie sich eine eigene Meinung bilden können. Im Übrigen sollten auch beim Kauf eines porträtierten Wertes stets die Grundregeln der Wertpapieranlage beachtet werden. Hierzu zählt zum einen die Streuung des Kapitals, aber auch die laufende Beobachtung des eigenen Depotbestands und ggf. schnelles Handeln zur Verlustbegrenzung.

Wie jedes Jahr blicken wir auch diesmal wieder zurück auf die Empfehlungen des vergangenen Jahres. Nach dem Jahresrückblick in der Januar-Ausgabe haben wir im Februar 2008 die viel diskutierte MAN-Aktie mit dem Hinweis vorgestellt, dass nur im Fall einer günstigen Chartentwicklung ein Einstieg überlegenswert erscheint. Tatsächlich ist es dem Papier jedoch nicht gelungen, die Widerstandsmarken zu brechen und so gab die Notierung in der Folgezeit kräftig nach.

Auch bei der im März 2008 porträtierten Porsche-Aktie wiesen wir auf das Warnsignal aus der Charttechnik hin, an dem das Papier nach einer anfangs noch recht guten Entwicklung schließlich gescheitert ist. Gerade hier konnte im Übrigen mit einer „eigenen Meinung“ erfolgreich gehandelt werden, denn schließlich wurde spätestens im Sommer 2008 schnell klar, dass sich die Wirtschaftskrise der USA auch auf Europa ausbreitet – mit entsprechenden Folgen für Produzenten von Luxus­gütern wie Porsche.

Im April 2008 stellten wir Ihnen angesichts der zunehmenden Unsicherheiten zur Konjunkturentwicklung einen Indextracker auf den Short-DAX vor, dessen Kurs sich gegenläufig zum DAX entwickelt. Und hier konnte gut verdient werden: Stand der Kurs anfangs noch knapp über 100 €, so wurde im Herbst 2008 die 160-€-Marke überschritten.

Aufgrund zahlreicher Medienberichte nahmen wir im Mai 2008 die bei vielen Lesern geschätzte Deutsche Bank-Aktie unter die Lupe, verbunden mit entsprechenden Warnhinweisen aus der Fundamental- und Charttechnik. Anfangs konnte sich der Titel noch recht stabil behaupten, jedoch kam es ab Anfang Oktober 2008 zu deutlichen Verlusten, die das Papier fundamental inzwischen massiv verbilligt haben.

Immobilien sollten – so war im Sommer 2008 in den Me­dien zu lesen, einen guten Schutz vor einer Börsenkrise bieten. Und in der Tat konnte sich die im Juni 2008 vorgestellte Aktie der Deutschen EuroShop gut behaupten. Aktuell liegt der Kurs mehr als 10% im Plus.

In engen Grenzen hielten sich die Verluste beim Tiefkühl­spezialisten FRoSTA, den wir im Juli 2008 als einen Wert aus der Zukunftsbranche „Nahrungsmittel“ vorstellten. Hier ließen sich anfangs noch Gewinne erzielen, im Oktober 2008 folgten jedoch Kursausschläge, die per saldo in einem fast unveränderten Kurs en­deten.

Allein unter langfristigen Aspekten porträtierten wir im August 2008 die Aktie des expansiven Internetdienstleisters United Internet, verbunden mit dem Hinweis auf das vorläufige Fehlen konkreter Kaufsignale. Diese blieben auch in der Folgezeit aus, vielmehr gab der Wert weiter nach.

„Auf Sicht von 10 bis 20 Jahren attraktiv“ war das Fazit unseres Nestlé-Porträts im September 2008, an dem wir wei- terhin festhalten. Doch auch kurzfristig konnte sich das Papier recht erfolgreich dem Aktienkursverfall widersetzen – wenn auch unter erheblichen Schwankungen.

Nur im Fall der Rückkehr in den langfristigen Aufwärts­trend sei die Aktie von Lindt & Sprüngli einen Einstieg wert. Dieser blieb zwar trotz mehrerer Gegenbewegungen nach Erscheinen des Oktober-Heftes weiter aus, jedoch liegt der Verlust mit weniger als 15% deutlich unter dem Minus zahlreicher Vergleichswerte.

Noch zu früh ist es, konkrete Aussagen über die Entwicklung der im November und Dezember 2008 vorgestellten Aktien von BASF und Henkel abzugeben. Gemeinsam ist beiden Titeln jedoch, dass sie sich der Börsenschwäche entziehen und bereits recht erfreulich entwickeln konnten.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(02):12-12