Apotheke und Wirtschaft

Drei Fragen an Fritz Becker


Claudia Mittmeyer

Fritz Becker ist Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands e.V. (DAV).

?Welche Konsequenzen können sich für die Apotheken aus den im Entwurf zur 15. AMG-Novelle vorgesehenen Neuregelungen für den Großhandel ergeben?

Der Großhandelszuschlag soll gemäß Gesetzentwurf vom degressiven, preisabhängigen Modell auf einen preisunabhängigen Fixbetrag plus prozentualem Logistikzuschlag um­gestellt werden. Wichtig ist, dass die nähere Ausgestaltung dieses Modells nicht zu einer finanziellen Mehrbelastung der Apotheken führen darf.

Es bleibt also vorerst abzuwarten, was für einen Vorschlag zur Neugestaltung der Großhandelsspanne die Bundesministerien für Gesundheit und Wirtschaft vorlegen werden, bevor das Gesetz Anfang 2010 in Kraft tritt. Das Ziel der Apotheken muss bleiben, dass es in jeder Ecke der Republik mehr als nur einen überlebensfähigen vollsortimentier­ten Großhändler zur Auswahl gibt.

Ein Belieferungsanspruch für Hersteller und Großhandlun­gen soll laut Gesetzentwurf ebenfalls im Arzneimittelgesetz verankert werden. Auch diese Absicht begrüßen die Apotheker vom Grundsatz her. Der Gesetzestext darf aber nicht für Verwirrung sorgen, wenn es darum geht, dass Hersteller und Großhändler die Apotheken unterstützen, die Erfüllung ihres Versorgungsauftrags sicherzustellen. Denn laut Apothekengesetz obliegt die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln eindeutig der Apotheke.

? Sehen Sie derzeit noch die realistische Chance, dass die Pick-up-Stellen bald der Vergangenheit angehören werden?

Vor fünf Jahren wurde der Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland vom Gesetzgeber zugelassen. Die Verbraucher haben seitdem viele beunruhigende Meldungen hören und lesen müssen, vor allem über Arzneimittelfälschungen. Die Apothekerkammern und -verbände, aber auch viele andere Organisationen, wie Bundeskriminalamt, WHO und Zollbehörden, warnen vor den fatalen Folgen des Versandhandels. Wir bemü­hen uns, z.B. mit einem Kino­spot und dazugehörigen Gratispostkarten, auch jüngere Zielgruppen zu erreichen und damit aktiv Verbraucherschutz zu betreiben. Das Internet ist und bleibt leider das Haupteinfallstor für Kriminelle und Betrüger.

Vor fast genau einem Jahr hat das Bundesverwaltungsgericht mit seinem „dm“-Urteil den Verbrauchern in Deutschland einen schwarzen Tag beschert. Die damals höchstrichterlich legalisierten Pick-up-Stellen in Drogeriemärkten halte ich weiterhin für höchst problematisch. Den Patienten wird pharmazeutische Kompetenz vorgegaukelt. Die Kooperationen von ausländi­schen Versandapotheken und großen Drogeriemarktketten sind unsäglich. In dieser Fra­ge stimmen Apotheker und Gesundheitspolitiker absolut überein.

Nach dem Referentenentwurf zur 15. AMG-Novelle gab es über diese Frage eine zuweilen irritierende Debatte. Inhaltliche Gemeinsamkeiten wurden zuweilen von Tak­tik überlagert: innerhalb einzelner Parteien, zwischen Regierung und Opposition, zwischen Bundestag und Bun­desrat.

Ob und was in den kommenden Wochen noch in den Kabinettsentwurf einfließen kann, wird sich zeigen. Fest steht nur, dass die Berliner Politik irgendwann in die Sommer­pause geht und anschließend die Bundestagswahl stattfindet. Ob die Pick-up-Stellen davor und danach eine gro­‑ ße Rolle spielen, wird sich zeigen.

? Wie sollten sich Apotheken in einem preisakti­ven Umfeld verhalten?

Fast jede der 21.500 Apotheken in Deutschland ist einem harten Wettbewerb ausgesetzt – nämlich gegen den Konkurrenten aus der Nachbarschaft. Allerdings sollte es für keine Apotheke zuvorderst darum gehen, größtmögliche Um­sätze zu erwirtschaften, denn ein hemmungsloser Mehrverbrauch von Arzneimitteln kann auch den Missbrauch erhöhen. Qualitätswett­bewerb muss wichtiger sein und bleiben als Preisdumping. Jede Apotheke muss die Balance zwischen heilberuflicher Priorität und kaufmännischer Solidität finden.

Seit 2004, als die OTC-Arzneimittel weitgehend aus der Erstattungspflicht der Krankenkassen he­rausfielen, gehen viele Patienten nicht erst zum Arzt, sondern gleich in die Apotheke. Hier sollte das Erklären von Medikamenten ebenso zum Repertoire ge­hören wie das mögliche Anraten eines Arztbesuchs. Durch Spezialisierun­gen – z.B. als Haut­apotheke – lässt sich das Leistungsspektrum gezielt auf den lokalen Bedarf ausrichten. Auch weitverbreitete Präventionsleistungen wie Blutdruckmessungen lassen sich noch verbessern.

Bei der Kundenbindung kommt es auf pharmazeutische Qua­lität und permanente Dienstleistungsbereitschaft an. Jedes Patientengespräch, jede Rezepturanfertigung und jeder Nachtdienst können dazu beitragen, einen Zufallsbesucher zu einem Stammkunden zu machen. Die individuelle Betreuung in der inhabergeführten Apotheke darf kein bloßes Marketingkonzept sein, sondern muss gelebt werden und erlebbar sein.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(06):3-3