Apotheken-Kooperationen

Gemeinsam stärker


Klaus Hölzel

Der Kooperationsgedanke ist so alt wie die Handelslandschaft. Bei Apothekern mit dem Drang zur weitgehenden Individualität setzt sich der Nutzen von Kooperationen nur zögerlich durch. Beurteilungskriterien erleichtern die Prüfung der Kooperationsentscheidung.

Einen Tag nach den Schlussanträgen des EU-Generalanwalts Yves Bot im Verfahren zum Apothekenfremdbesitzverbot führte die Firma SEMPORA eine Umfrage bei Apothekern durch. Auf die Frage, wie sie in ihrer Offizin mit den künftigen Herausforderungen umgehen werden, gaben sehr viele an, sich einer Apotheken-Kooperation anschließen zu wollen. Gehören Apotheken-Kooperationen also zu den Gewinnern am Markt?

Entstehung der Kooperationen

Ein Blick in die Historie zeigt zunächst, dass Kooperationen keine modernen Zeitgeist­erscheinungen sind. Vor zehn Jahren, Ulla Schmidt wurde gerade Nachfolgerin von Andrea Fischer als neue Gesundheitsministerin, feierte der MVDA schon sein zehnjähriges Bestehen, TORRE war neun Jahre zuvor gegründet worden und parmapharm bereits fünf Jahre alt. Damalige Motive zum Beitritt in eine Kooperation finden sich auch heute noch in den Werbebotschaften der Kooperationen.

Der Einkaufsvorteil überzeugte gerade mittlere und kleinere Betriebe. Mit ihren überschaubaren Einkaufsmengen erzielten sie nur bescheidene Rabatte. Wollten sie mehr, war die Kooperation eine Lösung. Der ansehnliche Einkaufsvorteil für die kleine Apotheke führte zu ganz beachtlichen Gewinnsteigerun­gen. Nicht selten entstammten bis zu 50% des Betriebsergebnisses aus kooperations­induzierten Rohgewinnstei­gerungen.

Neben dem Einkauf boten die Kooperationen erste Marketingpakete mit Unterstützung der OTC-Industrie an. Von Anfang an war die Resonanz jedoch zurückhaltender als beim Einkauf, da man den Gewinnzuwachs aus Verkaufsaktionen nicht immer sofort messen konnte. Hinzu kam, dass die Kooperationsvorschläge nicht individuell auf den Apothekenstandort und das Profil zugeschnitten waren. Und eines fehlte ganz: Der existenzielle ökonomische Druck, die Kooperationsan­gebote nutzen zu müssen, um wirtschaftlich überleben zu können. Das Verstehen dieser Zusammenhänge ist für die künftige Beurteilung der Ko­operationsangebote von gro­ßem Wert.

Wettlauf der Großhändler

Mit dem erfolgreichen Wachsen des MVDA, den die Mit­be­werber von PHOENIX beobachteten, entstand ein Wettlauf der neuen großhandelsinitiierten Verbünde: Vivesco (Anzag), meine apotheke (Sanacorp), Commitment (Gehe), EMK (von der Linde) und A-plus (Private) sind die prominentesten Beispiele. Noch heu­te sehen sich der MVDA und LINDA als eine unabhängige Kooperation, die PHOENIX nur als Logistiker nutzt. Die übri­gen Großhändler betrachteten das anders und sammelten fleißig Mitglieder. Auch hier waren zu Beginn die Einkaufsvorteile als Motiv dominierend. Inzwischen beherrschen die großhandelsnahen Koope­rationen – selbst wenn man die NOWEDA nicht mit einbezieht – zahlenmäßig den Markt.

Vielfältige Kooperationsstruktur

Im Jahr 2009 zeigt sich eine bunte Welt der Kooperationen, die vielfältige Merkmale besitzen. Nach Funktionen auf­geteilt, ergibt sich folgende Struktur: Von rund 21.550 Apotheken gehören 16.300 (ca. 75%) einer oder mehreren Kooperationen an – Filialen eingerechnet. Davon entfallen – gerundet – auf

  • Einkauf und Marketing 15.000 Apotheken,
  • Dachmarken (Endverbraucher) 7.400 Apotheken,
  • Fachkonzepte (wie Diabetes) 2.000 Apotheken,
  • regionale Verbundgruppen 670 Apotheken und
  • Discounter 200 Apotheken.

Mehrfachnennungen ergeben sich durch die Vielzahl der Kooperationsfunktionen. Eine Dachmarken-Apotheke wie DocMorris bietet natürlich auch Einkaufs- und Marketingpakete an, eine regionale Verbundgruppe wie 1A-Apotheken besitzt zum Beispiel eine lokale Dachmarke.

Kooperations-Check

Für Apotheker, die über eine Mitgliedschaft nachdenken oder die Kooperation wechseln wollen, stehen zunächst prinzipielle Über­legungen im Mittelpunkt. Als Ziel wird dabei unterstellt, dass die Teilnahme an einer Kooperation wirtschaftliche Vorteile und immateriellen Zuwachs an Wissen und Können für das ganze Apothekenteam bringen soll. Schon diese Zielformulierung zeigt, wie schwer messbar der Kooperations­nutzen sein kann.

Die ersten Entscheidungskriterien lauten: Full-Service-Ko­operation oder nur Spezial-Ko­operation? Franchiseähnliche Abhängigkeit oder größtmögliche Individualität innerhalb des Verbundes? Ist das erste noch eine reine Sachfrage, so steckt hinter der zweiten Frage die Grundhaltung des Apothekeninhabers. Er weiß, dass eine starke Bindung an die Kooperation mit der Aufgabe von Unternehmerfreiheiten verbunden ist.

Die nächsten Entscheidungskriterien beziehen sich auf Fragen zum Gebietsschutz, dem Zutrauen in die Zentrale der Kooperation, natürlich dem Gebühren- und Ertragsstatus sowie dem „Clubgedan­ken“ (Wer ist da noch drin?).

Vorteile im Detail betrachten

Die Entscheidung über die Mitgliedschaft in einer Kooperation bedarf einer detaillierten Prüfung, die weit über das Thema Einkauf hinausgeht. Die folgende Aufzählung zeigt elf unterschiedliche Angebotsbausteine, die der Apotheker auf ihren Nutzen in seiner Apotheke hin prüfen sollte:

  • Einkaufsvorteile,
  • industriegesponserte Marketingpakete für alle Mitglieder,
  • Fort- und Weiterbildung,
  • CMS,
  • Zertifizierung,
  • Eigenmarken,
  • Netzwerkverträge,
  • Dachmarkenpräsenz,
  • einheitliches Corporate Design,
  • definiertes Produktangebot,
  • Outsourcing kaufmänni­scher Funktionen.

Nach der Prüfung wird er feststellen, dass es keine hundertprozentige Übereinstimmung mit seinen Zielen gibt – das wäre auch reiner Zufall. Mitglied einer Organisation zu sein heißt, mit wesentlichen Zielen und Maßnahmen übereinzustimmen, aber nicht mit allen. Wer diesen Grundsatz nicht akzeptieren kann, bleibt besser Individual-Apotheker oder höchstens stilles Mitglied eines Einkaufsverbundes. Und genau für Letzteres haben sich bisher viele tausend Apotheker entschieden.

Druck auf die Gewinne

Ohne Dachmarke oder gar eine wiedererkennbare Apotheke suchen Apotheker aus dem Angebot der Kooperationen den ökonomisch sofort wirksamen Einkaufsvorteil, einige Marketingvorschläge und etwas Fortbildung heraus. Die Kooperationszentralen bevorzugen jedoch Full-Service- Apotheken. Daher hängen sie ihre Angebotsperlen wie Payback oder Netzwerkverträge höher: Wer das will, muss fast das ganze Kooperationspaket nutzen. Und dann stellt sich wieder die Kernfrage nach der Grundhaltung: Aufgeben von Individualität zugunsten erwarteter ökonomischer Vorteile?

Mit dem zunehmenden Druck auf die Gewinnmargen wird diese Frage wohl immer öfter mit Ja beantwortet werden. Dann gehören Kooperationen noch sicherer zu den Gewinnern im Markt.

In der nächsten AWA -Aus­gabe (Nr. 7 vom 1. April 2009) wird unter anderem ein Blick auf die jeweiligen Alleinstellungsmerkmale verschiede­ner Kooperationen geworfen.

Dipl.-Volkswirt Klaus Hölzel,
Apotheken Management-Institut GmbH,
65375 Oestrich-Winkel,
E-Mail: sekretariat@apothekenzukunft.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(06):8-8