Helmut Lehr
Bestimmte unvorhersehbare bzw. zwangsläufige Aufwendungen können als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend gemacht werden. In der Praxis ist allerdings noch vielfach unklar, in welchen Fällen bzw. unter welchen besonderen Voraussetzungen außergewöhnliche Kosten tatsächlich steuerlich absetzbar sind. Nachfolgend werden einige aktuelle praxisrelevante Entwicklungen aufgezeigt.
Miete für Ersatzwohnung
Ein Ehepaar hatte kurz nach dem Erwerb einer Eigentumswohnung festgestellt, dass das Objekt aufgrund verfaulter Deckenbalken, einer maroden Außenwand sowie unfachmännisch durchgeführter baulicher Veränderungen einsturzgefährdet war. Nachdem die Stadt den Eheleuten das Betreten des Objekts mittels Ordnungsverfügung untersagt hatte, mieteten sie eine andere Wohnung an und machten die Mietzahlungen als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben und die Kosten für die „Ersatzwohnung“ (Kaltmiete) als außergewöhnliche Belastung anerkannt1).
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist mittlerweile beim Bundesfinanzhof anhängig2). Dieser wird womöglich auch entscheiden müssen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein gravierender Baumangel mit einer (plötzlich eintretenden) Katastrophe vergleichbar ist, die regelmäßig zu außergewöhnlichen Belastungen führt.
Augen-Laser-Operation
Bereits vor einiger Zeit hatte die Finanzverwaltung nach ausführlichen Beratungen auf Länderebene verfügt, dass Kosten für eine Augenoperation mittels Lasertechnik grundsätzlich immer zu außergewöhnlichen Belastungen führen3). Sogar auf die Vorlage eines amtsärztlichen Attests sollte laut Verfügung der Oberfinanzdirektion Koblenz verzichtet werden. In der Praxis kam es in der Folgezeit dennoch wiederholt zu Beanstandungen einzelner Finanzämter, sofern Steuerpflichtige kein Attest vorlegten.
Hinweis: Mittlerweile wurde in den Einkommensteuer- Änderungsrichtlinien 20084) nochmals ausdrücklich und bundesweit verbindlich klargestellt, dass bei Aufwendungen für eine Augen-Laser-Operation die Vorlage eines amtsärztlichen Attests nicht erforderlich ist.
Toupet für einen Mann
Die Anschaffungskosten eines Toupets sind auch bei nicht erblich bedingtem Haarausfall eines Mannes grundsätzlich keine außergewöhnliche Belastung. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz wies eine entsprechende Klage ab, weil der Steuerpflichtige kein vor der Anschaffung des Toupets ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Attest vorlegen konnte5). Nach Ansicht des Finanzgerichts wird Kahlköpfigkeit bei Männern – anders als bei Frauen – in der Gesellschaft nicht als besonders auffälliger Zustand angesehen. Der Kläger litt unter einer unheilbaren Alopezie, die u.a. zu einer vom Versorgungsamt (jetzt: Amt für soziale Angelegenheiten) festgestellten Körperbehinderung geführt hatte. In früheren Jahren hatte die gesetzliche Krankenkasse entsprechende Neuanschaffungen eines Toupets im Zwei-Jahres-Rhythmus übernommen.
Hinweis: Die Anschaffung eines Toupets könnte aber dann steuerlich begünstigt sein, wenn in einem rechtzeitig ausgestellten ärztlichen Attest deren Notwendigkeit zur Linderung bzw. Heilung einer (ggf. psychischen) Erkrankung bescheinigt wird.
1) Urteil vom 13. Dezember 2007, Aktenzeichen 14 K 6385/04 E.
2) Aktenzeichen VI R 62/08.
3) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 17 vom 1. September 2006, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 19.
4) Bundessteuerblatt I 2008, Seite 1017.
5) Urteil vom 12. November 2008, Aktenzeichen 2 K 1928/08.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(09):17-17