Apothekenrecht

Grenzen heilberufsübergreifender Zusammenarbeit


Dr. Bettina Mecking

In der Praxis treten vielfältige Verhaltensweisen auf, mit denen Patienten und deren Arzneimittelumsätze gezielt gesteuert werden sollen. Sie bewegen sich rechtlich im Spannungsfeld von freier Apothekenwahl, Trennung von Apotheker- und Arztberuf sowie Apothekenpflicht.

Eine kooperative Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker ist erlaubt, soweit die gesetzlichen Vorgaben für die apothekerliche und ärztliche Berufsausübung eingehalten werden.

Abspracheverbot

Das Recht des Patienten, seine Apotheke frei zu wählen, wird durch das Abspracheverbot in § 11 Absatz 1 Apothekengesetz (ApoG) sichergestellt. Danach ist es Apothekern ver­boten, mit Ärzten Absprachen zu treffen, die insbesondere die Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verordnungen zum Inhalt haben. Dieses im Apothekengesetz normierte Verbot gilt gleicher­maßen für Ärzte.

Die apothekerlichen Berufsordnungen verbieten noch weitergehend neben ausdrücklichen Absprachen auch schlüssiges Verhalten, mit dem die Apotheker daran mitwirken, dass einzelne Arztpraxen auf eine Apotheke als bevorzugte Stelle zur Abgabe von Arzneimitteln verweisen. Auch den Ärzten wird durch ihr Berufsrecht die bevorzugte Empfehlung einer Apotheke verboten. § 34 Absatz 5 Musterberufsordnung (MBO) verbietet Ärzten, Patienten ohne sachlichen Grund an bestimmte Apotheken zu verweisen. Anders als § 11 Absatz 1 ApoG sieht § 34 Absatz 5 MBO eine Ausnahme vom Zuweisungsverbot vor, wenn ein sachlich gebotener Grund vorliegt. Diese Einschränkung ist auch im Bereich des Apothekenrechts vorzunehmen, um einen Wertungswiderspruch mit dem ärztlichen Berufsrecht zu vermeiden.

So darf der Arzt nicht einfach das Rezept einbehalten und stellvertretend für den Patienten an eine bestimmte Apotheke weiterleiten. § 24 Absatz 2 Apothekenbetriebsordnung verbietet eine derartige Rezeptsammelstelle zum Zweck der Weiterleitung bei Angehörigen der Heilberufe. Ebenso wenig darf der Arzt das Zuweisungsverbot unterlaufen, indem er Arzneimittel wie Praxisbedarf direkt bezieht, diese aber später von der liefernden Apotheke patientenindividuell abgerechnet werden. Dem Patienten darf – in welcher Form auch immer – nicht die Möglichkeit genommen werden, zu entscheiden, in welcher Apotheke er sein Rezept einlösen möchte (So­zialgericht Berlin, Urteil vom 18. Juli 2006, S 81 KR 4208/04). Selbst die bloße Aufforderung bzw. eindringliche Empfehlung des Arztes, eine bestimm­te Apotheke aufzusuchen, be­einträchtigt den Patienten in unzulässiger Weise in seiner Entscheidungsfreiheit. Der Umstand, dass viele Patienten kein besonderes Interesse an der Ausübung des Rechts auf freie Apothekenwahl haben, stellt dieses nicht zur Disposition für Ärzte und Apotheker.

Einen hinreichenden Grund für eine Zuweisung sieht das Landgericht Lüneburg in seiner Entscheidung vom 23. August 2006 (3 O 119/06) nur, wenn dieser durch die besonderen Bedürfnisse des Patien­ten einerseits sowie durch spezielle, nur bei dem durch die Zuweisung begünstigten Betrieb anzutreffenden Leistungsmerkmale andererseits getragen wird. Demnach dürfte außer in den Fällen der Herstellung von Zytostatika und wohl auch von parenteralen Ernährungslösungen sowie von Augentropfen, die unter Stickstoffatmosphäre hergestellt werden müssen, keine Zuweisung zu einer bestimmten Apotheke gerechtfertigt sein. Auch der Hinweis, dass in anderen Apotheken bei der Ausführung einer Verschreibung eine Wartezeit in Kauf genommen werden müsse, während eine Apotheke aufgrund ihrer Spezialisierung eine sofortige Herstellung und Beschaffung gewährleisten könne, rechtfertigt keine entsprechende Zusammenarbeit. Mit diesem Argument könnte sonst in einer Vielzahl von Fällen der Arzt die Verschreibung einer speziellen Apotheke zuweisen, sofern nur eine abgestimmte Bevorratung erfolgt.

Ambulante Zytostatikaverordnung

Ausnahmsweise ist eine Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker zur unmittelbaren Abgabe von Zytosta­tikazubereitungen zulässig. Nach § 11 Absatz 2 ApoG darf der Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke aufgrund einer Absprache anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen unmittelbar an den anwenden­den Arzt abgeben. Hier ist vom Gesetzgeber eine Zusammenarbeit zum Wohl des Patienten gewollt, ein Freibrief für eine ausschließliche Kooperation ist dies aber nicht. Denn selbst nach der Regelung des § 11 Absatz 2 ApoG bleibt die Entscheidung über die Apotheke beim Patienten, lediglich die Auslieferung des fertigen Medikaments wird durch die Abgabe direkt an den behandelnden Arzt abgekürzt.

Zwar darf der Apothekeninhaber gemäß § 11 Absatz 2 ApoG anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen unmittelbar an den anwendenden Arzt abgeben. In einem Verfahren wegen Abschlusses einer Ko­operationsvereinbarung zur Herstellung und Lieferung von Zytostatika hat die Vergabekammer des Landes Berlin (Beschluss vom 9. Februar 2009, VK-B 1-28/08) jedoch ausgeführt, diese Ausnahme vom Abspracheverbot trage zwar mit Blick auf die zur Chemotherapie bestimmten Substanzen dem entsprechenden Sicherheitsbedürfnis Rechnung, lasse aber keine direk­te Bestellung der Zytostatika bei der Apotheke durch den Arzt zu. Ermöglicht werde lediglich hinsichtlich der Abgabe der Zytostatika nach Rezepteinreichung durch den Patienten eine im Interesse der Allgemeinheit und des Patienten sichere Lösung durch unmittelbare Anlieferung bei dem behandelnden Arzt.

Vorsicht ist auch bei der Beschaffung von in der Arztpraxis im Rahmen der ambulanten Therapie anzuwendenden Mit­teln geboten. So darf der Arzt nicht davon ausgehen, es entspreche dem Patientenwunsch, dass institutionalisiert eine bestimmte Apotheke auch die in der Arztpraxis verabreichte ambulant verordnete Begleitmedikation liefere.

Manche Ärzte legen den Patienten Erklärungen zur Unterschrift vor, mit denen diese sich mit der Lieferung der in der Praxis rezeptierten Chemotherapie- sowie Begleitmedikation einverstanden erklären sollen. Unabhängig davon, ob der Arzt dem Patien­ten das Rezept weiterhin aushändigt, ist diese Handhabe zu beanstanden, da eine zwingende praktische Notwendigkeit hierfür nicht ersichtlich ist. Es ist nicht auszuschließen, dass sich ein Patient aufgrund der Erklärung an die eine Apotheke gebunden fühlt und sich „nicht traut“, die Arzneimittel aus einer anderen Apotheke zu beziehen, die ebenfalls Zytostatika herstellt. Trotz einer solchen Einverständniserklärung liegt eine unzulässige Zuweisung vor, wenn an keiner Stelle der Hinweis darauf erfolgt, dass der Patient ungeachtet seiner Einverständniserklärung selbstverständlich seine Arzneimittel jederzeit in einer anderen Apotheke besorgen kann.

Die Wahl der Apotheke ist bei der Zytostatikabehandlung nicht auf den Arzt übertragbar. Daher darf er eine unerlaub- te Vorabauswahl auch nicht durch die Ausgabe eines Patientenpasses dokumentieren, auf dem durch beidsei-tige Werbeeindrücke die Geschlossenheit der Praxis und einer bestimmten Apotheke suggeriert wird. Es bleibt der Apotheke aber unbenommen, selbst einen Patientenpass aufzulegen und auszugeben, der wichtige Informationen zur gesundheitlichen Situation des Betroffenen dokumentiert und der das Apotheken-Logo trägt. Darin darf ein Feld vorgesehen sein, in das der Patient individuell seinen Arzt eintragen kann. Hingegen darf keine bestimmte Praxis von vornherein aufgedruckt sein.

Dr. Bettina Mecking, Justiziarin
der Apothekerkammer Nord­rhein,
Fachanwältin für Medizinrecht,
40213 Düsseldorf,
E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(09):10-10