Reiseversicherungen

Nicht jede Police ist notwendig


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Ob Krankheit, Unfall oder Diebstahl – wer im Urlaub damit konfrontiert wird, muss sich auf erheblichen Ärger einstellen. Zumindest die finanziellen Folgen lassen sich durch den rechtzeitigen Abschluss entsprechender Versicherungen in Grenzen halten.

„Wenn einer eine Reise tut…“ – diese Volksweisheit steht nicht nur für Urlaubsfreuden, schöne Erlebnisse und neue Er­fahrungen, sondern oft auch für Sprachschwierigkeiten, juristische Streitigkeiten oder sogar körperliche Schäden. Rund 2% aller Urlauber wissen von entsprechenden Problemen zu berichten – die besonders gravierend sind, wenn kein ausreichender Versicherungsschutz besteht.

Risiken vor Reiseantritt

Die Absicherung beginnt bereits bei der Buchung. Die meisten Reisebüros oder Online-Anbieter offerieren bei Vertragsabschluss eine Reiserücktrittskosten-Versiche­rung, die zwischen 1,0% und 5,0% des Reisepreises kostet und – meist unter Berücksichtigung einer gewissen Selbstbeteiligung – alle anfallenden Kosten übernimmt, wenn eine Reise etwa wegen schwerer Krankheit oder eines Todesfalls nicht angetreten werden kann. Manche Policen schließen aber auch weitere „Risi­ken“ mit ein, angefangen vom Bruch einer Prothese vor Reisebeginn bis hin zur Ein­berufung, dem Verlust bzw. Erhalt eines Arbeitsplatzes oder sogar der notwendigen Wiederholung einer Prüfung, wenn eine Abschlussfahrt gebucht wurde. Gegen Aufpreis wird daneben eine Reise­abbruch-Versicherung angeboten, die im Gegensatz zur Reiserücktrittskosten-Versicherung auch dann eintritt, wenn eine Reise wegen eines wichtigen Ereignisses abgebrochen werden muss.

Allerdings achten die Gesellschaften sehr genau darauf, dass die sogenannten Obliegenheiten erfüllt werden. In jedem Fall sind zumindest ein umfangreiches ärztliches Attest bzw. entsprechende Dokumente erforderlich, in denen die Reiseunfähigkeit bescheinigt wird. Achten sollten Urlaubswillige zudem auf das Datum des Vertragsabschlusses: Meist muss die Police innerhalb von zwei bis vier Wochen nach Reisebuchung abgeschlossen und bezahlt sein. Zudem ist der Urlauber verpflichtet, bei jedem neu auftretenden Risiko schnell zu handeln, d.h., eine Reise ggf. bereits dann abzusagen, wenn auch nur die Gefahr besteht, dass sie wegen einer Erkrankung nicht angetreten werden kann. Doch auch bei Policen mit umfassender Abdeckung muss der Urlaubsreisende mit Kosten rechnen: Die meisten Verträge sehen eine Selbst­beteiligung in Größenordnungen von 20% der Schadenskosten vor.

Krank im Urlaub

Die Reise-Krankenversicherung zählt zu den wichtigsten Policen, die jedes Mitglied der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung bei Auslandsreisen ab­schließen sollte. Denn selbst wenn der deutsche Versicherungsschutz grundsätzlich auch in den Mitgliedstaaten der EU sowie in weiteren Ländern gilt, ist die Absicherung der oft hohen Behandlungskosten im Ausland mangelhaft: Der Versiche­rungsschutz entspricht „nur“ dem Leistungskatalog des Reiselandes – und der kann deutlich bescheide­ner ausfallen als in Deutschland. Zudem arbeiten viele Ärzte und Kliniken nur auf Privatrechnung, die von den deutschen Kassen meist nicht vollständig anerkannt wird.

Angeboten wird die Reise-Krankenversicherung als Tages- oder Jahrespolice, wobei Sie einen Jahresvertrag angesichts der niedrigen Kosten (< 10 €) vorziehen sollten. Denn dann ist nicht nur der Sommerurlaub in Spanien versichert, sondern auch der Skiausflug nach Österreich im nächsten Winter. Der Deckungsumfang erstreckt sich auf alle notwendigen medi­zinischen Maßnahmen und meist auch auf den Rück­transport im Notfall, ausgeschlossen sind jedoch regelmäßig Vorerkrankungen so-wie geplante Behandlungen. Besser geschützt sind im Übrigen alle privat Versicherten: Hier erstreckt sich der Versicherungsschutz in der Regel zumindest auf das gesamte Eu­ropa, oft gilt sogar ein zeitlich begrenzter weltweiter Schutz.

Zum Standard-Versicherungsschutz, der von den Reisebüros gerne angeboten wird, zählt daneben die Reisegepäck-Versicherung, die das gesamte Gepäck – also auch den aufgegebenen Koffer – grundsätzlich bis zur Höhe der versicherten Summe schützt. Neben Diebstahl und Raub sind oftmals auch Schäden durch Verlust abgedeckt, allerdings nur bis zu 10% der Versicherungssumme, maximal aber bis zu einigen hundert Euro.

Nachdem jedoch gerade diese Versicherungsart in den vergangenen Jahren quasi zu einem „Selbstbedienungs­laden“ unehrlicher Urlauber verkommen ist, haben die Gesellschaften die Bestimmungen massiv verschärft: Wert­sachen sind in der Regel nicht oder nur noch mit erheblichen Einschränkungen versichert, bei Schäden durch Diebstahl aus dem Kraftfahrzeug gilt eine sehr begrenzte Haftung und selbst der klassische Trickdiebstahl fällt oft nicht unter den Versicherungsschutz. Denn die Be­stim­mungen schreiben vor, dass der Versicherte sein Gepäck – nachweisbar – ständig im Auge und im Gedränge so­‑ gar in Körperkontakt behält, selbst ein kurzes Abstellen kann zum Verlust des Versicherungsschutzes führen. In vielen Fällen erscheint der Abschluss einer solchen Police mithin verzichtbar, denn bei der von den Gesellschaf­ten geforderten Aufmerksamkeit ist das Risiko eines Schadens ausgesprochen gering.

Dies gilt im besonderen Maße dann, wenn z.B. eine teure Fotoausrüstung mitgeführt wird. Hierfür bieten viele Gesellschaften spezielle Fotoapparate-Versicherungen an, die pro Jahr je nach Selbst­beteiligung im Schadensfall und Geltungsbereich zwischen 1,3% und 4,5% des Ausrüstungswertes kosten. Die Vorteile: Meist handelt es sich einerseits um eine Neuwert-Versicherung, d.h., die Gesellschaft übernimmt die vollen Kosten, andererseits bietet sie zudem eine Allgefahren-Deckung, die z.B. auch für einen Schaden durch Herunterfallen aufkommt.

Unnötige Zusätze

Daneben werden – einzeln oder im Rahmen sogenannter Rundum-Sorglos-Pakete – weitere Versicherungen für Urlaubsreisende angeboten, die allerdings ebenso meist verzichtbar sind. Hierzu zählt etwa die Reise-Haftpflichtversicherung, die nur dann von Bedeutung ist, wenn keine private Haftpflichtversicherung besteht. Gleiches gilt für die Reise-Unfallversicherung, die als Ergänzung zur privaten Unfallversicherung empfohlen wird. Nachdem jedoch auf Reisen keinesfalls wesentlich mehr Unfälle geschehen als im Haushalt, ist es sinnvoller, ggf. die private Unfallversicherung entsprechend aufzustocken und damit in den Genuss eines vollwertigen 24-Stunden-Schutzes zu kommen.

Wer mit dem eigenen oder gemieteten Fahrzeug unterwegs ist, sollte indes sehr wohl auf einen ausreichenden Versicherungsschutz achten. Nachdem die Haftungsgrenzen im Ausland oft sehr niedrig sind, erscheint ein guter Vollkaskoschutz ebenso unverzichtbar wie – im Fall der Fahrzeuganmietung – der Abschluss einer Police zur Erhöhung der Deckungssummen auf deutsches Niveau. Diese als „Mallorca-Police“ angebotene Versicherung ist jedoch oft schon in der deutschen Kfz-Haftpflichtversicherung oder im Deckungsumfang von Kreditkarten enthalten.

Ohnehin sollten Sie prüfen, inwieweit eine Reiseversicherung überhaupt erforderlich ist. Gerade bei Direktbuchung eines Hotels sind die Storno­‑ be­dingungen oft so kundenfreundlich, dass auf die Rücktrittskostenversicherung verzichtet werden kann. Ebenfalls nicht notwendig ist ein zusätzlicher Schutz, wenn der Reiseveranstalter die entsprechen­de Absicherung bereits in den Reisepreis einkalkuliert hat. Auch bei Zahlung der Reise mit hochwertigen Kreditkarten oder Mitgliedschaft in einem Verein wie dem Deutschen Roten Kreuz oder dem Malteser Hilfsdienst ist der Kunde oft automatisch und ohne Zusatzkosten versichert.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(09):15-15