Anlageberatung

Die Finanzkrise findet wenig Beachtung


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Keine Woche vergeht ohne neue Hiobsbotschaften aus der Finanzwelt, kaum ein Anleger verzeichnet keine Verluste in seinem Depot. Doch bei den Bankberatern ist die Krise offenbar noch nicht angekommen: Verkauft wird nach wie vor, was Provisionen bringt.

Banken und Sparkassen „leben“ vorrangig von drei Ertragsquellen: der Zinsspanne, also der Differenz aus den gezahlten Anlagezinsen und den eingenommenen Darlehenszinsen, den Provisionen aus dem Verkauf von Finanzprodukten und dem Ertrag aus dem Eigenhandel mit Wert­papieren, also dem eigenen Vermögensmanagement. Wäh­rend jedoch die Zinsspanne in den vergangenen Jahren infolge des harten Wettbewerbs und zahlreicher Kreditausfälle merklich geschrumpft ist und auch im Eigenhandel in flauen Börsenzeiten nicht viel zu verdienen ist, floriert nach wie vor das Provisionsgeschäft: Kaum ein Geldhaus verzichtet heute auf eine offensive Werbestrategie. Karrierechancen haben üblicherweise nur noch die Berater, die ihre hochgesteckten Zielvorgaben erfüllen.

Keine nennenswerte Rolle spielen hingegen meist die Interessen der Kunden: In den bunten Werbebroschüren wird zwar vieles über Anlageziele, Risikoprofile und Sicherungsstrategien geschrieben und dem Kunden wird der Ein- druck vermittelt, allein seine Inter­essen stünden im Vor­dergrund. Tatsächlich handelt es sich jedoch bei allen Strategien um einen knallharten Produktverkauf. Denn die cleveren Werbeprofis der Finanzdienstleister verstehen es trefflich, aktuelle Meinungen und Erwartungen in konkrete Anlageformen umzusetzen und dabei den Eindruck zu erwecken, sie handelten allein im Kundeninteresse.

Beispiel Rohstoffe: Als im Jahr 2007 die Preise für Gold, Rohöl und andere Rohstoffe in die Höhe schnellten, bastelte man in den Entwicklungsabteilun­gen der Finanzdienstleister munter an Zertifikaten und Indexpapieren, mit denen An­leger – zumindest gemäß Werbeaussagen – von den steigenden Preisen profitieren sollten. Auf den Markt kamen diese Produkte, als die Kurse schon kräftig gestiegen waren. Dennoch genügte allein der Hinweis auf den stetig steigen­den Benzinpreis, dass die Produkte auf lebhaftes Interesse stießen, reißenden Absatz fanden und hohe Provisionen brachten. Doch es dauerte nicht lange, bis „Phase 2“ des Spiels begann. Enttäuscht über die jetzt wieder massiv rückläufigen Rohstoffpreise trennten sich die meisten Investoren schnell wieder von ihren Papieren, verbuchten enorme Verluste und brachten ihren Banken dennoch Zusatz­erträge in Form hoher Spesen. Und was noch besser war: Das Geld stand wieder für neue Anlagen zur Verfügung. Mis­sion erfüllt, Karriere gesichert – so das Credo einiger Banker, die sich aus verständlichen Gründen nicht öffentlich zu diesem Thema äußern.

Konkrete Vorstandsvorgaben

Derartige Entwicklungen erlebte insbesondere der deutsche Finanzmarkt schon in vielfältigen Formen. Ende der 1980er-Jahre waren es die Optionsscheine, die den neuen „Weg zum Reichtum“ sichern sollten. Mitte der 1990er-Jahre folgten die Fonds, die dem Anleger zunächst Gewinne versprachen, dann aber enorme Verluste und hohe Kosten produzierten. Dann kamen die Zertifikate, von denen fast 400.000 verschiedene Produkte allein in Deutschland verkauft wurden. Heute sind es die „Exchange Traded Funds“ (ETFs), die sich von einer zunächst recht preiswerten Form der indexorientierten Geldanlage zu einem zunehmend teuren und immer weniger transparenten Anlagebaustein entwickeln.

Besonders erschreckend: Die meisten Bankberater haben aus der Finanzkrise wenig gelernt. Statt nach dem Debakel der vergangenen Monate zurückhaltend zu agieren, die Kundeninteressen verstärkt zu beachten und eher sicherheits­orientiert zu verkaufen, setzen sie weiter auf provisionsträchtige Strategien. Dies gilt für alle Anlagevolumina gleichermaßen: Ob der Kleinsparer, der mit teuren Fonds geködert wird, oder der mehrfache Millionär, dem für teures Geld eine „individuelle Vermögensverwaltung im Rahmen des Private Banking“ versprochen wird – bei den meisten Aktio­nen steht allein der Ertrag des Vermittlers bzw. Finanzdienstleisters im Vordergrund. Und daraus ist den „Beratern an der Front“ nicht einmal ein Vorwurf zu machen: Die Strategien werden vom Vorstand des Finanzdienstleis-ters entwickelt, die Angestellten sind gehalten sie umzusetzen. Nur wenige widersetzen sich den Vorgaben oder wechseln gar in andere Berufe.

Als Anleger sollten Sie daher derzeit besonders vorsichtig sein. Es genügt nicht mehr, die offerierten Produkte hinsichtlich Chance/Risiko-Verhältnis, Rendite, Laufzeit und Sicherheit unter die Lupe zu nehmen. Vielmehr sollten Sie auch die Art der angebotenen Anlage kritisch hinterfragen. Verfügen Sie z.B. über einen grö­ßeren Kapitalbetrag, der für einen Zeitraum von einem Jahr zu einem möglichst attraktiven Zins, aber auch absolut sicher angelegt werden soll, ist eine Festgeldanlage zwar keine spannende, aber bestimmt die beste Lösung. Alternativ bieten die meisten Banken hauseigene Produkte auf Kontenbasis an, die weder Kursrisi­ken unterworfen sind noch Koppelungen an andere Finanzthemen wie etwa einen Aktienindex vorsehen. Ungeeignet sind indes alle Arten von Fonds, Zertifikaten und ähnlichen Anlageformen, aber auch Koppelungsmodelle z.B. mit Investmentfonds. Ungeeignet sind daneben auch Produkte, die eine längere als die angestrebte Laufzeit vorsehen. Denn vielfach ist mit ihnen wiederum ein Kursrisiko verbunden, wenn sie vorzeitig – hier: nach einem Jahr – zu Geld gemacht werden sollen.

Transparente Produkte

Aber auch dann, wenn Sie die niedrigen Kurse an den Wertpapiermärkten zu einem ersten vorsichtigen Einstieg nutzen wollen, sollten Sie auf entsprechend eindeutige Anlagen bestehen. Infrage kommt beispielsweise die Direktanlage in Aktien von Unternehmen, die auch vor dem Hintergrund der aktuel­len Wirtschaftskrise zukunftsträchtig erscheinen. Wenn eine breitere Streuung gewünscht wird, kommen klassische Indexzertifikate bonitätsstarker Emittenten, kostengünstige ETFs auf einen Standardwerteindex und – mit der Einschränkung der hohen Gebühren­belastung – aktiv gemanagte Aktienfonds in Betracht, die eine enge Indexbindung aufweisen. Ungeeignet sind indes auch hier wieder alle Formen der Koppelung unterschiedlicher Finanzprodukte, wie sie gerne in Form von Themenpapieren (z. B. Thema „Zukunftsenergie“) angeboten werden. Gleiches gilt für Zertifikate mit unverständlichen und/oder riskanten Konstruktionen sowie Fondsmodelle, bei denen unterschiedliche Produkte miteinander vermengt werden. Auch Anlageformen, die mit dem Werbehinweis „Vorsorge“ verkauft werden, sind ihr Geld oft nicht wert.

Garantien sind teuer und wenig wert

Generell Vorsicht ist auch bei allen Garantieprodukten geboten, die derzeit in großer Vielfalt offeriert werden und vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise reißenden Absatz finden. Zum einen gilt die Garantie regelmäßig nur zum Ende der Laufzeit, zum anderen deckt sie weder die beim Kauf und Verkauf anfallenden Nebenkosten von oftmals bis zu 5% der Anlagesumme ab noch bietet sie einen bei längeren Laufzeiten durchaus wichtigen Inflationsausgleich. Im Übrigen ist es für einen Anleger auch nur ein schwacher Trost, wenn er z. B. nach 7 Jahren Anlagedauer gerade einmal z. B. 96% des eingesetzten Kapitals zurückerhält. Ein klassischer Spar(kassen)brief wäre dann trotz der derzeit extrem niedrigen Verzinsung sicherlich die bessere Form der Geldanlage.

Diese Beispiele zeigen: Eigene Gedanken über die Geldanlage lohnen sich. Schon die geringsten Zweifel hinsichtlich der Objektivität des Beraters sollten Sie zum Anlass nehmen, sich selbst detailliert zu informieren und dann die Geldanlagen vorzunehmen, die Ihren Interessen optimal entgegenkommen.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(11):12-12