Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Fremdbesitzverbot

Drei Fragen an Heinz-Günter Wolf


Dr. Christine Ahlheim

Heinz-Günter Wolf ist Präsident der ABDA − Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen und Inhaber der Wolf-Apotheke in Hemmoor.

? Wie sollten sich aus Ihrer Sicht die Apotheker angesichts des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zum Apothekenfremdbesitz verhalten?

Bei aller Freude über die Entscheidung müssen wir uns darauf einstellen, dass der Wind noch rauer wird. Wir müssen noch stärker auf Qualität, Kundenorientierung und unsere Präsenz setzen. Jetzt gilt es, erst recht nicht die Hände in den Schoß zu legen, sondern da, wo es geboten ist, noch besser zu werden. Deshalb ist das Urteil wohl am besten als ein Etappenziel zu verstehen. Denn der Wettbewerb zwischen den Apotheken ist in vollem Gange und er findet auf mehreren Ebenen statt.

Neben einem Qualitätswettbewerb beobachten wir einen zunehmenden Preiswettbewerb im OTC-Bereich. Apotheken unterscheiden sich durch neue Leistungsangebo­te von anderen Apotheken. Davon profitiert der Patient, davon profitieren die Kunden. Dieser Wettbewerb wird angefacht durch die Niederlassungsfreiheit.

Das Fremdbesitzverbot sichert zwar die fachlich qualifizierte Betreuung der Patienten in Arzneimittelfragen durch unabhängige und freiberufliche Apothekerinnen und Apotheker. Allerdings bedeutet das nicht, dass Apotheker immer und überall fehlerfrei arbeiten. Deshalb ist es gut, dass auch hier der Wettbewerb funktioniert – dank freier Apothekenwahl. Unzufriedene Patienten und Kunden wechseln Apotheken. Auch wir in Deutschland kennen Apothekenschließungen nicht nur aus Altersgründen, sondern im Wege der Marktbereinigung.

? Welche Reaktionen auf das EuGH-Urteil würden Sie sich von Seiten der Politik wünschen?

Wir betrachten das Urteil als Bestätigung der besonderen gesundheits- und sozialpoliti­schen Rolle der freiberufli­chen Apotheke. Das ist ein bedeutendes Signal für Freiberuflichkeit und die Selbstverwaltung insgesamt. Die Entscheidung des EuGH bestätigt die Bundesregierung, die Bundesgesundheitsministerin und den Gesetzgeber in ihren Bekenntnissen zum bestehenden Apothekenwesen und zu den Freien Berufen. Dementsprechend haben wir in den vergangenen Tagen von fast allen Parteien im Bundestag und auch aus den Bundesländern wohlwollende Kommentare zum Urteil gehört. Wenn diese aufmuntern­den Worte jedoch nicht nur Lippenbekenntnisse sein sollen, dann muss die Politik auch nach der Bundestagswahl dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen für die inhabergeführten Apotheken verlässlich bleiben.

Ein erster Meilenstein ist sicherlich die 15. AMG-Novelle, die in diesen Tagen und Wochen im Bundestag beraten wird. Hier kann sich bereits zeigen, ob und in welchem Ausmaß die Parteien die Apotheken als Verbraucherschützer unterstützen wollen. So haben wir Apotheker nicht zuletzt ein aus unserer Sicht zukunftsweisendes Medikationsmanagement vorgeschlagen. Auch sind die Apotheken bereit, mehr wirtschaftliche Verantwortung für Arznei­mittelverordnungen, z.B. durch Zielpreise, zu übernehmen.

? Wie könnte sich das EuGH-Urteil auf die Existenz der Pick-up-Stellen auswirken?

Ein direkter Zusammenhang lässt sich kaum herstellen. Die Pick-up-Stellen konnten allerdings nur deshalb entstehen, weil derselbe EuGH im Dezember 2003 den Versandhandel mit rezeptfreien Arzneimitteln von Deutschland eingefordert hat. Als dann das Bundesverwaltungsgericht im März 2008 mit seinem „dm-Urteil“ die unsäglichen Pick-up-Stellen in Drogeriemärk­ten zuließ, war das Kind in den Brunnen gefallen. Den Patien­ten wird pharmazeutische Kom­petenz vorgegaukelt, wenn sie in Drogerien Rezepte abgeben und Medikamente abholen können. Es bleibt dabei: Man muss den bestehenden Missständen schnellstmöglich politisch und juristisch begegnen – am besten sofort mit Hilfe der 15. AMG-Novelle.

Insofern lässt sich vielleicht doch eine Verbindung herstellen: Politiker, die eine vermeintliche Liberalisierung in der Arzneimittelversorgung befürworten oder zumindest in Kauf nehmen, werden möglicherweise durch das neue EuGH-Urteil ein wenig nachdenklicher. Wenn selbst der EuGH den nationalstaatlich organisierten Verbraucherschutz als zulässiges und absolut legitimes Recht betrachtet, werden vielleicht auch manche Politiker wieder etwas mutiger.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(11):3-3