Dr. Christine Ahlheim
? Welche Folgen für die Zukunft der privaten Krankenversicherung hat aus Ihrer Sicht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Gesundheitsreform?
Mit dem Urteil ist die Eigenständigkeit der privaten Krankenversicherung gefestigt worden. Das oberste Gericht bekräftigt die private Krankenversicherung klar als eine Säule in einem dualen Versicherungssystem. Auch in ihr gelten Freiheit und Solidarität als zwei Seiten einer Medaille.
Mit der Gesundheitsreform wollte die Union auch für das private Krankenversicherungssystem (PKV) für mehr Transparenz, Wettbewerb und Versichertenorientierung sorgen. Die PKV wurde mit der Reform zeitgemäß weiterentwickelt. Die Übertragbarkeit der Altersrückstellungen bei Versicherungswechsel stärkt den Wettbewerb unter den Versicherern und bringt mehr Freiheit und Wahlmöglichkeiten für die Versicherten. Durch die Schaffung des Basistarifs mit Annahmeverpflichtung wurde die Solidarität innerhalb der Versichertengemeinschaft und damit die Versichertenorientierung auch in der PKV gestärkt. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ist es der Union gelungen, den Bestand und die Zukunftsfähigkeit der PKV als Vollversicherung mit Kapitaldeckung im Gesundheitswesen zu sichern und sie, entsprechend den Bedürfnissen der Versicherten, den demografischen Veränderungen und der Teilhabe am medizinischen Fortschritt anzupassen.
? Welche Möglichkeiten sehen Sie, den zunehmenden Vertrieb von Arzneimitteln außerhalb der Apotheke – der sich ja mittlerweile sogar auf Metzgereien und Tankstellen erstreckt – einzudämmen?
Diese Entwicklungen sind nach einhelliger Bewertung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht akzeptable Auswüchse des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, denen dringend gesetzgeberisch begegnet werden muss. Wirksam eingedämmt werden können diese Auswüchse aus unserer Sicht nur durch ein Verbot von Rezeptsammel- und Abholstellen. Anders als die SPD sind wir nicht der Auffassung, dass „Qualitätskriterien“ etwa zu Räumlichkeiten, Verpackung, telefonischer Beratung etc. der richtige Weg sind. Diese Vorschläge hätten vielmehr zur Konsequenz, dass bei Einhaltung solcher „Qualitätskriterien“ auch weiterhin in Gewerbebetrieben Rezepte gesammelt und verschreibungspflichtige Arzneimittel abgegeben werden dürften. Dazu würde nach dem SPD-Vorschlag eine Erlaubnis zum Verkauf von freiverkäuflichen Arzneimitteln ausreichen, die mit einem Sachkundenachweis – etwa bei der IHK – erworben werden könnte.
Die Folge wäre der Aufbau eines Parallelsystems in der Arzneimitteldistribution in entsprechenden Gewerbebetrieben mit Abgabebedingungen „light“, wofür wir bei unserem bestehenden, gut funktionierenden Apothekennetz keine Notwendigkeit erkennen können bzw. die Gefahr erheblicher Wettbewerbsverzerrungen infolge unterschiedlicher gesetzlicher Anforderungen sehen.
Leider hat die SPD in den koalitionsinternen Verhandlungen zur 15. AMG-Novelle bis zuletzt ein Verbot von Pick-up-Stellen abgelehnt. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht selbst anerkannt, dass der Gesetzgeber bei Einführung des Versandhandels nicht von dieser Art des Versandhandelsmodells ausgegangen sein dürfte, sondern den „klassischen Versandhandel“ mit individueller Zustellung im Auge gehabt hat. Wir hoffen daher, unsere Vorstellungen in der kommenden Legislaturperiode in gegebenenfalls anderen politischen Konstellationen besser realisieren zu können.
?Welche Erwartungen haben Sie als Gesundheitspolitikerin an die Apotheke der Zukunft?
Für das in Deutschland bestehende System der Einzelapotheken ist es sehr wichtig, dass Entscheidungen wie die des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Fremdbesitzverbot von den Apotheken nicht zum Anlass genommen werden, sich „auf den Lorbeeren auszuruhen“, sondern mit Blick in die Zukunft die Kundenorientierung und Konkurrenzfähigkeit des bestehenden Systems zu verbessern.
Wenn auch zukünftig in der Diskussion um neue Vertriebssysteme oder Vertriebswege in der Arzneimitteldistribution das bestehende System als das bessere weiterbestehen soll, dann sind z.B. die Verbesserung der Beratungs- und Betreuungskompetenz, Kundenbindungsmaßnahmen wie Bonussysteme, erweiterte Dienstleistungen oder Ähnliches unerlässlich. Hier sind die Apotheker aufgefordert, Konzepte und Ideen zu entwickeln, wie sie etwa mit Service-Dienstleistungen, Preiswettbewerb oder einer Spezialisierung auf bestimmte Patientengruppen ihre Kundenfreundlichkeit optimieren.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(13):3-3