Insolvenz-Aktien

Spekulation nur mit starken Nerven


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Die Wirtschaftskrise hinterlässt ihre Spuren auch in den Kursblättern der meisten Welt­börsen: Immer mehr Unternehmen steuern in die Insolvenz, die Aktien werden zu Penny Stocks oder verschwinden aus dem Börsenhandel. Frühzeitiges Handeln kann sich lohnen.

Als die Terroranschläge vom 11. September 2001 die Welt erschütterten, nahte für amerikanische Fluggesellschaften die „Stunde der Wahrheit“. Hatte man zuvor schon unter den hohen Schulden, einem gnadenlosen Wettbewerb und harten Preisverhandlungen zu leiden, so brachen nun auch die Passagierzahlen deutlich ein. Die Folge: Zahlreiche Airlines steuerten geradewegs in die Pleite. Während jedoch in Europa entweder staatliche Mehrheitsgesellschafter (z.B. Alitalia) oder kurzfristig an­beraumte Übernahmen (z.B. Swissair) das größte Debakel verhinderten, gab es für amerikanische Carrier kaum eine Chance: Ob Northwest Airlines, Delta oder United Airlines – alle mussten den Gang zum Insolvenzgericht antreten.

Dass die Maschinen jedoch auch heute noch Passagiere befördern und die Unternehmen in den meisten Fällen sogar wieder zu hohen Preisen börsennotiert sind, ist auf eine Besonderheit des amerikanischen Konkursrechts zurückzuführen: Das „Gläubiger­schutzverfahren nach Chapter 11“ bedeutet keineswegs das endgültige Aus für ein Unternehmen, sondern steht vielmehr für eine grundlegende Sanierung. Während der oft mehrjährigen Verfahrensdauer können Gläubiger keine Ansprüche geltend machen, statt­dessen wird versucht, das Unternehmen z.B. durch For­de­rungsverzicht wieder „flottzumachen“. Auch der Ge­schäfts­betrieb wird weitergeführt.

Alt-Aktionäre als Verlierer

Das Nachsehen haben jedoch in den meisten Fällen die Alt-Aktionäre: Im Insolvenzverfahren werden die Aktien meist wertlos, eine Entschädigung erfolgt nur selten. Stattdessen werden in der Regel neue Aktien ausgegeben, die zum einen der Beschaffung neuen Kapitals dienen, zum anderen aber auch den bis­herigen Gläubigern als Ausgleich für ihre Kapitalforderungen zugeteilt werden. Dies können auch Anleger sein, die z.B. Anleihen des Unternehmens gezeichnet hatten und jetzt einen Ausgleich in Form von (neuen) Aktien erhalten.

Anders die Lage bei deutschen Unternehmen, die in die Insolvenz steuern: Gelingt nicht im letzten Moment eine Sanierung bzw. Übernahme, ist das Ende meist besiegelt. Die Aktien verfallen zu „Penny Stocks“, d.h., sie werden meist nur zu Preisen zwischen 0,10 € und 0,50 € für einige Jahre an der Börse gehandelt.

Allerdings kommt eine solche Insolvenz weder in den USA noch in Europa selten „aus heiterem Himmel“, vielmehr zeichnet sie sich meist zuvor in der Kursentwicklung der Aktie ab. So kostete etwa die – übrigens auch im Dow Jones-Index enthaltene – Aktie der früheren Opel-Mutter General Motors noch im Jahr 2002 mehr als 50 € an der Börse, heute wird sie zu Preisen von rund 0,80 € gehandelt.

Riskante Spekulation

Gerade im Fall eines derart massiven Kursrückgangs sollten Sie als Anleger frühzeitig nach Lösungen suchen: Handelt es sich voraussichtlich nur um eine temporäre Schwäche, kann das Engagement bei­behalten werden. Zeichnen sich jedoch nachhaltige strukturelle Probleme ab, ist der schnelle Verkauf die beste Lösung. Aber auch wenn eine Aktie bereits den Penny-Stock-Status erreicht hat und an manchen Tagen beachtliche Kurssprünge vollführt, sollten sich Anleger zurückhalten: Über limitierte Verkäufe lassen sich manchmal noch akzeptable Preise erzielen. Ein Neueinstieg aus spekulativen Gründen ist jedoch mit enormen Risiken verbunden, ein Totalverlust muss in jedem Fall einkalkuliert werden.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(13):13-13