Prof. Dr. Reinhard Herzog
Anleihesparer, deren Papiere jetzt auslaufen, stehen vor der Qual der Wahl: Sollen sie jetzt bereits neu investieren und, wenn ja, in welche Papiere? Oder sollten sie ihr Geld zunächst zwischenparken und auf bessere Zeiten warten? Denn so niedrig wie aktuell waren die Zinsen noch nie: Seit Mitte 2008 ist die durchschnittliche Umlaufrendite in Deutschland von 4,7% auf 3,1% abgerutscht. Öffentliche Anleihen mit knapp fünf Jahren Restlaufzeit bringen sogar weniger als 2,4% und selbst Anlagen in Bundeswertpapieren mit 15 bis 30 Jahren Laufzeit liegen unter 4,5%.
Auslöser für den Rückgang war insbesondere die Europäische Zentralbank: Anfang März 2009 nahm sie aus Sorge um die konjunkturelle Entwicklung nicht nur den Leitzins auf 1,5% zurück, sondern wies zudem auf mögliche weitere Zinssenkungen in den kommenden Monaten hin. Diese ließen nicht lange auf sich warten. Heute liegt der Referenzzinssatz bei nur noch 1,0%.
Fachleute gehen derzeit meist davon aus, dass die Zinsen bis zu einer endgültig erkennbaren Konjunkturbelebung auf dem aktuellen Niveau verharren. Denn schließlich stecken alle bedeutenden Wirtschaftsnationen in ihrer schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, höhere Zinsen würden die Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Erholung zunichtemachen. Aber auch die Geldentwertungsrate ist momentan kein Thema: Nachdem die Rohstoffpreise in den vergangenen Monaten massiv zurückgegangen sind, gibt es derzeit praktisch keine Inflation.
Tiefe Spaltung
Allerdings ist der Rentenmarkt derzeit so gespalten wie schon lange nicht mehr: Gefragt und gut gehandelt werden insbesondere Anleihen, die als absolut sicher gelten, etwa deutsche Staatstitel und Schuldverschreibungen erstklassiger Adressen. Doch schon bei den Länderanleihen sowie Papieren anderer europäischer Staaten – etwa Griechenland, aber auch Österreich – macht sich eine gewisse Unsicherheit in Form von Zinszuschlägen bemerkbar. Anleger, die an einen Fortbestand der europäischen Zusammenarbeit glauben und davon überzeugt sind, dass kein EU-Mitgliedstaat von der Gemeinschaft „fallengelassen“ wird, können also mit entsprechenden Titeln Renditezuschläge erzielen.
Je größer die Unsicherheiten, umso höher fällt auch der Spread aus: Anleihen bonitätsmäßig tadelloser deutscher Industrieunternehmen bringen derzeit zwischen 1,0% und 2,5% Renditeaufschlag auf Staatspapiere, Papiere aus der zweiten Reihe werfen nach wie vor Erträge in einer Größenordnung zwischen 6,0% und über 8,0% ab, drittklassige Titel mehr als 10%. Insbesondere bei größeren Vermögen besteht die Chance, mit einer „gesunden Mischung“ überdurchschnittliche Renditen einzufahren.
Zurückhaltend investieren sollten Sie jedoch hinsicht- lich der Laufzeiten. Gerade in Niedrigzinsphasen neigen Sparer dazu, Papiere mit längeren Restlaufzeiten zu wählen, um so zumindest einen gewissen Mehrertrag zu erzielen. Werden die Anleihen bis zum Laufzeitende gehalten, bleibt die heute errechnete Rendite gewährleistet. Im Fall eines vorzeitigen Verkaufs bestehen aber erhebliche Kursrisiken, sollte der Kapitalmarktzins bis zu diesem Zeitpunkt wieder gestiegen sein. Sinnvoll ist es daher jetzt, allenfalls Laufzeiten von maximal fünf Jahren auszuwählen, auch das Zwischenparken freier Gelder kann sich auf Sicht von ein bis zwei Jahren lohnen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(14):15-15