Haftung im Arbeitsverhältnis

„Gefahrenquelle“ Arbeitsplatz


Jasmin Theuringer

Nach dem allgemeinen Zivilrecht haftet derjenige, der schuldhaft einen Fehler macht, für den gesamten dadurch verursachten Schaden. Das gilt zwar grundsätzlich auch im Arbeitsverhältnis, Arbeitnehmer genießen hier allerdings ein Haftungsprivileg.

Auch dem sorgfältigsten Arbeitnehmer unterlaufen Fehler. Passieren solche Fehler im Betrieb, ist das Haftungsrisiko des Arbeitnehmers grundsätzlich ungleich höher als im Privatleben: Der Bote verursacht einen Totalschaden am Firmen­fahrzeug, die PKA legt durch einen Fehler das Compu­ter­system tagelang lahm, die PTA gibt ein falsches Medikament ab, der Kunde nimmt gesundheitlichen Schaden – die Liste der Haftungsrisiken ist lang.

Haftungsprivileg des Arbeitnehmers

In diese „Gefahrensituation“ wurde der Arbeitnehmer jedoch vom Arbeitgeber gebracht, der von der Leistung seiner Mitarbeiter wirtschaftlich profitiert. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung das sogenannte Haftungsprivileg des Arbeitnehmers entwickelt. Damit soll der Tatsache Rechnung ge­tragen werden, dass der Arbeitgeber den Betrieb organisiert und die Arbeitsbedingungen gestaltet, der Arbeitnehmer in diesen Betrieb eingegliedert wird und den Schadensursachen nicht ausweichen kann. Weiterhin berücksichtigt die Rechtsprechung das Missverhältnis zwischen Entlohnung und Haftungsrisiko.

Durch das Haftungsprivileg werden alle Arbeitnehmer und Auszubildenden begünstigt, die einen Schaden „im Vollzug“ einer betrieblichen Tätigkeit verursachen. Die Haftung richtet sich dabei nach dem jeweiligen Grad des Verschuldens und kann unter bestimmten Voraussetzungen auch ganz entfallen. Anders als im allgemeinen Zivilrecht muss der Arbeit­geber dem Arbeitnehmer das Verschulden nachweisen, dieses wird nicht allein aufgrund des Eintritts des Schadens unterstellt.

Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit

Wird ein Fehler vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen, haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich für den gesamten daraus entstehenden Schaden. Vorsätzlich handelt, wer zielgerichtet einen Schaden verursacht. Grobe Fahrlässigkeit ist dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer das unbeachtet lässt, was in der konkreten Situation jedem hätte einleuchten müssen. Dies ist zum Beispiel angenommen worden bei groben Verkehrsverstößen wie dem Nichtbeachten einer roten Ampel, dem Telefonieren während des Autofahrens oder dem Fahren in stark alkoholisiertem Zustand. Wird hierbei der Firmenwagen beschädigt, so wird es für den Arbeitnehmer teuer.

Ausnahmen von der grundsätzlich vollen Haftung des Arbeitnehmers bei grob fahrlässiger Schädigung werden allerdings dann anerkannt, wenn Vergütung und Schadenshöhe in einem deutlichen Missverhältnis zueinander stehen. Nach der Rechtsprechung soll der Arbeitnehmer so weit wie möglich vor einer Existenzgefährdung geschützt werden.

Das Bundes­arbeitsgericht zieht hier zwar keine klaren Grenzen, dennoch ist eine Haftung in etwa auf das Drei- bis Fünffache eines monatlichen Brutto­gehalts beschränkt worden. Konkret wird dies jedoch auch immer vom Grad des Verschuldens, der Höhe des Schadens, dem konkreten mit der Tätigkeit verbundenen Risiko sowie der Höhe des Einkommens ab­hängen. In Einzelfällen wurde auch schon das Achtfache eines Bruttogehalts als angemessen angesehen.

Fahrlässigkeit

Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt. Mittlere Fahrlässigkeit ist das Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt: Der Mitarbeiter verhält sich fehlerhaft, ohne dass ihm eine grobe Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Die jeweilige Haftungsquote richtet sich u.a. nach dem konkreten Verschulden des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung seiner Erfahrung, seiner Fähigkeiten und der Art seiner Tätigkeit. So kann einem Berufsanfänger ein fachlicher Fehler passieren, der einem erfahrenen Mitarbeiter nicht mehr zu verzeihen ist. Ist die Arbeit gefahrgeneigt, kommt es also bereits aufgrund der Eigenheit der Tätigkeit vermehrt zu Schäden wie beispielsweise bei Boten, vermindert sich die Haftungs­quote des Arbeit­nehmers.

Schließlich entfällt eine Haftung des Arbeitnehmers ganz, wenn der Schaden durch leich­teste Fahrlässigkeit verur­sacht wurde. Das ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer sorgfältig arbeitet und dennoch etwas passiert. Verschüttet der Arbeitnehmer zum Beispiel aus Versehen Kaffee und kommt es dadurch zu Schäden am Computer, haftet er grundsätzlich nicht.

Ist nach dem Grad des Verschuldens eine Haftungsquote ermittelt worden, so kann sich diese aufgrund eines Mitverschuldens des Arbeitgebers weiter verringern. Eine Mitverursachung des Schadens durch den Arbeitgeber kann etwa darin liegen, dass er einem Mitarbeiter eine Aufgabe überträgt, der dieser nicht gewachsen ist, oder wenn die betriebliche Organisation keine hinreichen­den Kontrollen vorsieht.

Haftung gegenüber Dritten

Durch ein unachtsames Verhalten des Arbeitnehmers wird nicht stets das Vermögen des Arbeitgebers verletzt, auch ein Kollege oder ein Dritter können geschädigt werden. Stolpert etwa ein Kollege über das von der PKA im Flur stehen gelassene Paket und verletzt sich dabei, so ist die PKA von der Haftung befreit, soweit die Berufsgenossenschaft als gesetzliche Unfallversicherung eintritt. Diese übernimmt Personenschäden, die in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit fahrlässig verursacht wurde.

Wird darüber hinaus beim Sturz über das Paket die Kleidung des Kollegen beschädigt, tritt die Unfallversicherung für diesen Schaden jedoch nicht ein. Hierfür haftet die PKA voll. Unter Umständen hat sie aber einen Anspruch gegen den Apothekeninhaber auf Freistellung von dieser Haftung. Auch hier greift wieder das Haftungsprivileg des Arbeitnehmers: Ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer für einen bei einem Kollegen verursachten Sachschaden Ersatz leisten muss, richtet sich nach den oben genannten Grundsätzen. Der Arbeitnehmer haftet für einen Sachschaden, den er in Aus­übung seiner Tätigkeit bei einem Dritten verursacht also in dem Umfang, in dem er für einen Schaden am Vermögen des Arbeitgebers einstehen müsste.

Haftung des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber haftet für Schäden, die dem Arbeitnehmer entstehen, zunächst nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts. Ein Haftungsprivileg für den Arbeitgeber existiert nicht.

Verletzt der Arbeitgeber zum Beispiel seine Fürsorgepflicht, indem er einen Firmenparkplatz nicht in einem verkehrssicheren Zustand erhält, so haftet er für Schäden an den Fahrzeugen seiner Mitarbeiter. Gleiches gilt, wenn er die Unfallverhütungsvorschriften nicht einhält und ein Mitarbeiter dadurch Schaden nimmt. So sieht z.B. die Arbeitsstättenverordnung vor, dass der Fußboden am Arbeitsplatz keine Stolperfallen haben darf. Stolpert eine Mitarbeiterin über ein auf dem Boden liegendes Kabel, dann hat der Arbeitgeber die beim Sturz beschädigte Kleidung zu ersetzen.

Eine Ausnahme besteht auch hier für solche Schäden, die durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt sind, also für fahrlässig verur­sachte Personenschäden. Da der Arbeitgeber durch seine Beiträge die gesetzliche Unfallversicherung finanziert, haftet er nicht noch zusätzlich für solche Schäden, die bereits versichert sind. Bricht sich die stolpernde Mitarbeiterin den Arm und zerstört darüber hinaus ihre Brille, so übernimmt die Berufsgenossenschaft als gesetzliche Unfallversicherung sowohl die Behandlungskosten als auch die Kosten für die als Hilfsmittel ebenfalls versicherte Brille. Der Haftungsausschluss des Arbeitgebers umfasst auch etwaige Schmerzensgeldansprüche der Mitarbeiterin aufgrund der erlittenen Verletzung.

Haftung ohne eigenes Verschulden

Der Arbeitgeber kann auch dann für einen Schaden in Anspruch genommen wer-den, wenn er diesen nicht selbst verschuldet hat. So werden ihm die Versäumnisse seiner sogenannten Erfüllungsgehilfen zugerechnet. Erfüllungsgehilfe ist, wer anstelle des Arbeitgebers dessen Pflichten gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt, also insbesondere der Filialleiter, der unmittelbarer Vorgesetzter der Mitarbeiter in der Filiale ist und diesen gegenüber für die Einhaltung der Fürsorgepflichten verantwortlich ist. Stürzt die Mitarbeiterin in der Filiale über das am Boden liegende Kabel, so kann sie sowohl den Filialleiter als auch den Apothekeninhaber in die Pflicht nehmen.

Schließlich kann es sogar vorkommen, dass der Arbeitgeber einen Schaden zu ersetzen hat, der vom geschädigten Mitarbeiter selbst verursacht wurde. Rechtlich gesehen handelt es sich hierbei nicht um einen Schadensersatzanspruch (der stets ein Verschulden voraussetzt), sondern um einen Aufwendungsersatz. In der Apotheke sind das in erster Linie Fälle, in denen der Bote sein eigenes Fahrzeug für die Botendienste einsetzt. Wenn die Nutzung des Privatfahrzeugs vom Arbeitgeber verlangt wird, sind Schäden an dem Fahrzeug als Verwirklichung eines betrieblichen Risikos dem Arbeitgeber zuzurechnen. Verursacht der Arbeitnehmer auf einer dienstlich veranlassten Fahrt leicht fahrlässig einen Unfall, so kann er vom Arbeitgeber Ersatz des entstandenen Reparaturaufwands einschließlich einer Nutzungsausfallentschädigung verlangen. Ein an den Boten gezahltes Kilome­tergeld kann hierbei nicht ins Feld geführt werden, denn dadurch soll nur der Verschleiß des Fahrzeugs abgegolten werden, nicht aber ein Unfallschaden.

Ein Verschulden des Arbeitnehmers kann bei der Haftungsquote berücksichtigt werden, es sind aber die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Haftungserleichterung des Arbeitnehmers heranzuziehen. Ein Mitverschulden des Arbeit­nehmers fällt also nur dann ins Gewicht, wenn es über leichte Fahrlässigkeit hinausgeht.

Der Aufwendungsersatzanspruch besteht nur für solche Schäden, die der Arbeitnehmer in Ausübung einer betrieblichen Tätigkeit erleidet und in denen sich ein tätigkeitsspezifisches Risiko verwirklicht. Hierzu gehört nicht der normale Verschleiß der Kleidung, die während der Arbeit getragen wird, oder der Diebstahl von persönlichen Wertgegenständen. Ebenso wenig gehören Strafzettel und Bußgeldbescheide dazu, die der Bote anlässlich seiner Tätigkeit erhält. Eine Zusage, künftige Strafen und Bußgelder zu übernehmen, dürfte sittenwidrig und damit unwirksam sein. Ersetzt der Arbeitgeber diese Kosten dennoch, handelt es sich um eine zu versteuernde Zuwendung.

Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt eine Haftung des Arbeitgebers in Betracht: Bescheinigt ein Apotheker seiner PTA äußerste Zuverlässigkeit, obwohl sie durch Unterschlagungen im Betrieb aufgefallen war und wiederholt sie dieses Verhalten beim neuen Arbeitgeber, kann der alte Arbeitgeber als Aussteller des Zeugnisses für den Schaden haften.

Jasmin Theuringer,
Rechts­anwältin, Bellinger Rechts­-
anwälte und Steuer­berater,
40212 Düsseldorf,
E-Mail: theuringer@bellinger.de

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Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(15):10-10