Selbstmanagement

Neuanfang wagen beginnt im Kopf


Klaus Hölzel

Jeder Mensch erfährt im Laufe seines Lebens Niederlagen. Ein Ziel oder einen Plan auf­geben zu müssen, ist eine elementare Lebenserfahrung. Doch nur wer richtig damit um­gehen kann, erkennt den Gewinn des Scheiterns und schafft einen Neuanfang.

Schlechte Noten schreiben, am Numerus clausus straucheln, Ab­sagen nach Bewerbungs­ge­sprächen erhalten, sich als untalentiert erleben, mit einem Projekt Schiffbruch erleiden, als Führungskraft in der Apotheke versagen – Erfahrungen des Scheiterns begleiten auch Apotheker. Doch Scheitern gehört zum Leben dazu. Unvermeidlich ist jeder Mensch zu irgendeinem Zeitpunkt seines Lebens ein Verlierer.

Scheitern ist ein modernes Tabu

In der westlichen Welt gilt es, Erfolg zu haben, Karriere zu ma­chen, Durchbrüche und Sie­ge zu feiern. Über Apothekenschließungen, Statusverluste oder Erfolgseinbußen legt sich jedoch oft ein Mantel des Schweigens, Scheitern ist offiziell tabu. Versagen wird im Alltag ausgeblendet, mit Verlierern zeigt man sich nicht gerne. Auch wenn man Scheitern lieber verdrängt – „mir passiert das nicht“ –, gerade in der derzeitigen Wirtschaftskrise ist niemand vor Nie­derlagen geschützt. Mit der neuen Apothekeneinrichtung hat man sich übernommen, die geänderte Ausrichtung der Apotheke greift nicht, in unmittelbarer Nähe eröffnet ein Discounter, das Team arbeitet mehr gegen- als miteinander.

Das deutsche Wort „Versager“ beinhaltet eine deutliche Abwertung, das ist in anderen Kulturen und Sprachen durchaus anders. Im polnischen Wort nieudacznik etwa – zu deutsch „der, dem nichts gelingt“ – liegt eine ironische Note, ein Augenzwinkern. Die­se Sichtweise ist im Grunde richtig, denn nach dem Wundenlecken muss es heißen: weitermachen, durchstarten, neu anfangen. Der richtige Umgang mit Niederlagen birgt eine wichtige menschliche Stärke. Dass diese Sichtweise so lange vernachlässigt wurde, ist auf das schlechte Image des Scheiterns zurückzuführen. Nicht nur Beharrungs-, Ausdauer- und Durchhaltevermögen – be­kannte deutsche Tugenden – sind anzustrebende Eigenschaften. Vielmehr setzen Erfolg und Stärke voraus, auch loslassen, aufgeben und scheitern zu können.

In der Niederlage liegt auch die Chance

Jeder Apotheker scheitert unvermeidlich hin und wieder. Doch Niederlagen können Wachstum bedeuten, Versagen kann Gewinn bringen. Menschen profitieren von einschneidenden Erfahrungen, indem sie neue Fähigkeiten erwerben, mit denen sie ihr Umfeld oder sich selbst besser steuern können. Diese neu­en Fähigkeiten verhelfen ihnen dazu, besser mit ihren Lebensumständen zurechtzukommen. Sie können flexibler mit dem Unerwarteten und Unbekannten umgehen.

Ist das finanzielle Tief der Apotheke durchschritten oder hat das Umdenken erst beim Chef und dann bei den Mitarbeitern stattgefunden, steigt das Selbstvertrauen. Denn mit dem Selbstvertrauen verhält es sich wie mit Muskeln, erst unter Druck wächst es wirklich.

Scheitern kann man lernen

Der Erfolg stellt sich allerdings erst dann ein, wenn das Scheitern mit aller Klarheit erkannt und eingestanden ist. Ein weiteres Verfolgen des Ziels wäre aussichtslos und lediglich kräfteraubend. Positive Illusionen mögen in manchen Lebenslagen das Selbstwertgefühl stärken – im Fall des Scheiterns sind sie kontraproduktiv. Wer sich vormacht, dass er gerade eine finanzielle Pechsträhne hat oder dass das zerstrittene Team seine Harmonie bald selbst wieder finden wird, verpasst die Chance, die Dinge in die Hand zu nehmen und zum Besseren zu führen.

Keine Angst vor dem Scheitern

Wer konstruktiv mit seinem persönlichen Werdegang umgehen will, sollte auf die Einstellung verzichten, Misserfolge müssten auf jeden Fall vermieden werden. Wer als Apotheker Niederlagen nicht selbstverständlich einkalkuliert und akzeptiert, wird unweigerlich unter Schamgefühl leiden, im schlimmsten Fall unter Depression und Passivität. Wer um keinen Preis scheitern darf, ist im Ernstfall nicht in der Lage, sich die entscheidende und aktivierende Frage zu stellen: Was kann ich aus dieser Situation lernen?

Von gescheiterten Projekten lösen

Um eine Niederlage bewältigen zu können, muss man unbedingt die Bindung an das gescheiterte Projekt, das nicht erreichte Ziel lösen. Ein Beispiel: Eine Apothekerin betreibt eine Innenstadt-Apotheke mit gut laufendem Kosmetikstudio. Mit 40 bekommt sie Zwillinge, reduziert ihre Arbeitszeit in der Apotheke und überträgt die Leitung des Kosmetikstudios einer erfahrenen PTA. Letztere ist der Aufgabe nicht gewachsen, daher en­ga­giert sich die Inhaberin nach einiger Zeit wieder verstärkt selbst, scheitert aber kräftemäßig an der Dreifachbelastung. Dadurch lässt der Erfolg des Kosmetikstudios nach und schließlich wird es zur finanziellen Bürde. Nach einem psychischen Zusammenbruch fasst sie den Entschluss, das Studio zu schließen.

Wer dem gescheiterten Ziel emotional verhaftet bleibt, wird sich nur schwer von nicht realistischen Zielen verabschieden. Verheerend kann es daher sein, nach der Bindung an ein gescheitertes Projekt kein alternatives Ziel anzustreben.

Die Besitzerin des Kosmetikstudios sah diese Situation erst nach ihrem Zusammenbruch klar und verabschiedete sich von der Vorstellung, gleichzeitig erfolgreiche Inhaberin einer Apotheke, eines Kosme­tikstudios und zweifache Mutter zu sein. Sie begann bewusst, sich auf ihre Rolle als Apothekenleiterin und zweifache Mutter zu konzentrieren und fasste das Ziel, in drei bis fünf Jahren das Studio in klei­nerem Umfang wieder zu eröffnen.

Gewinnende Verlierer

Die Fähigkeit, sich selbst neu zu definieren, ist eine wichtige Voraussetzung, um einen persönlichen Gewinn aus dem Scheitern zu ziehen. Im Idealfall ergreifen die „gewinnen­den Verlierer“ im Scheitern für sich die Chance, ihre eigentlichen Stärken zu erkennen. Dadurch können sich bislang verschlossene Türen öffnen und plötzlich gibt es eine Mög­lichkeit, Neues zu erproben.

Beispiel: Ein Apothekeninhaber besitzt eine gut gehende Wohnort-Apotheke, ist aber mit dem notwendigen Marketing überfordert, was er sich bislang nicht eingestanden hat. Aufgrund einer Erkrankung muss er weniger arbeiten und stellt zunächst vor­übergehend einen Approbierten ein, der ein besonderes Interesse an Marketing so­wie eine spezielle Zusatzausbildung hat. Als der Apothekenleiter nach einiger Zeit wieder verstärkt in der Apotheke tätig sein kann, merkt er erleichtert, dass er die ihn belastenden Marketingaktivitäten nicht ver­misst hat und behält seinen Approbierten. Er geht auf in neuen Aufgaben, die seiner Persönlichkeit entsprechen: Mehr als früher engagiert er sich in der persönlichen Betreuung seiner Kunden und spezialisiert sich insbesondere auf die Beratung von Asthmatikern und Diabetikern.

Scheitern auch bei Mitarbeitern akzeptieren

Als Führungskraft stehen Apothekeninhaber vor der Situa­tion, dass ihre Mitarbeiter an Aufgaben und Projekten in der Apotheke scheitern. Auch wenn es schwerfällt, müssen hier Fehler zugelassen werden. Fehler sollten eher toleriert werden, wenn mindestens eine der Ursachen im hohen Arbeitstempo zu vermuten ist und daraus gelernt wird. Bei der Verarbeitung des Fehlers durch Selbstverantwortung und Reflexion sollte der Inhaber den Mitarbeiter unterstützen, nur dann kann auch bei ihm auf das Scheitern der Neuanfang folgen.

Dipl.-Volkswirt Klaus Hölzel,
Apotheken Management-
Institut GmbH,
65375 Oestrich-Winkel,
E-Mail: sekretariat@apothekenzukunft.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(15):8-8