Informationen für Geldanleger

Die Halbwertszeit beträgt nur wenige Tage


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Mit Spannung warten Anleger derzeit auf die Halbjahresberichte der Unternehmen. Ist die Krise bereits beendet oder bahnt sich ein neues Debakel an? Doch die Publikationen sind mit gewisser Skepsis zu lesen. Die Märkte reagieren oft schneller oder anders als gedacht.

Nach dem massiven Kursverfall seit Anfang 2008 werden Aktien und Aktienfonds von deutschen Anlegern weitgehend gemieden. Die Erfahrung zeigt jedoch: Gerade nach einer Krise kann sich der frühzeitige Einstieg lohnen und dem Anleger hohe Gewinne bescheren. Dies gilt auch für 2009: Seit Anfang März ist der Deutsche Aktienindex bereits wieder um mehr als 40% geklettert. Nicht wenige Experten gehen davon aus, dass die Kurse im zweiten Halbjahr ebenfalls weiter steigen. Allerdings mangelt es auch nicht an Skeptikern, die ein Wiederaufleben der Krise an der Börse erwarten.

Dabei stellt sich die Frage, wie eine Aktie nun tatsächlich „richtig“ zu bewerten ist. Zwar gibt es eine Vielzahl computergestützter Rechenmodelle, die aus Kennzahlen wie etwa dem Kurs/Gewinn-Verhältnis oder dem Cashflow auf Euro und Cent genau den vermeintlich tatsächlichen Wert eines Papiers ausrechnen können. In der Realität weichen die Kurse aber meist erheblich von den errechneten Werten ab. Denn schließlich spielt an der Börse auch die „Psychologie“ eine entscheidende Rolle, die sich nicht in nüchterne Zahlen pressen lässt: Ist die Mehrheit der Anleger von einem Markt überzeugt, werden die Kurse steigen – und dies auch bei fundamental eher schwachen Firmen. Gleiches gilt mit umgekehrtem Vorzeichen.

Große Beachtung finden in die­sem Zusammenhang die Unternehmensnachrichten. Seit auch deutsche Aktiengesellschaften auf ihrer Homepage einen „Terminkalender“ mit den Veröffentlichungsdaten neuer Kennzahlen pub­lizieren müssen, herrscht im Umfeld dieser Stichtage ein reges Interesse der Anleger. Und dies meist schon Tage im Voraus: Rechnen Anleger mehrheitlich mit guten Nachrichten aus den Konzernzentralen, wird der Kurs bereits frühzeitig zulegen. Werden die Zahlen dann publiziert und entsprechen sie zumindest den Erwartungen, sind Kursrückgänge keine Seltenheit, denn schließlich birgt der Wert jetzt erst einmal keine Fantasie mehr. Fallen die Zahlen schlechter aus als erwartet, droht ein kräftiger Einbruch.

In verstärktem Maß gilt dies hinsichtlich der ebenfalls publizierten Zukunftserwartun­gen: Optimistische Prognosen bzw. allein die Erwartung solcher Aussagen lassen den Kurs klettern, bei verhaltenen oder negativen Ausblicken geben die Notierungen nach.

Allerdings sollten gerade private Anleger die Publikatio­nen auch nicht überbewerten: Zum einen reagiert die Börse – Stichwort: Psychologie – in ihrer Gesamtheit oft anders als aufgrund etwa der Halbjahresergebnisse eines einzelnen Unternehmens zu erwarten, zum anderen sind die Zahlen bei Veröffentlichung schon wieder mehrere Wochen alt. Gerade heute ändern sich die Märkte jedoch so schnell, dass Halbjahreszahlen in kaum einer Branche auf Ganzjahreswerte hochgerechnet werden können.

Chart als Indikator für Privatanleger

Eine interessante Lösung für private Anleger können daher die Charts bieten, also die grafische Kursdarstellung. Denn sie bringen zum einen den bisherigen Trend zum Ausdruck, zum anderen schlagen sich die Erwartungen von Großanlegern auch frühzeitig in der Kursentwicklung nieder. Nicht zuletzt bieten Charts einen schnellen Überblick über die Risiken einer Aktie: Je größer die bisherigen Kursschwankungen, umso riskanter ist ein Engagement, während moderate Kursveränderungen eher auf eine solide Chance/Risiko-Relation hindeuten.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(16):14-14