Lebensversicherungsfonds

Der Tod beachtet keine Statistik


Prof. Dr. Reinhard Herzog

„Hohe Rendite und erstklassige Sicherheit“ – so lauteten die Werbeargumente für Lebens­versicherungsfonds, die bis heute in großer Vielfalt angeboten werden. Doch jetzt gibt es erste Schieflagen, sogar über den Totalverlust wird bei einigen Fonds schon spekuliert.

Als vor knapp zehn Jahren das Geschäft mit geschlossenen Immobilienfonds und anderen Steuersparobjekten schwieri­g wurde, suchten die Initiatoren Alternati­ven. Neben Leasingfonds und Schiffsbeteiligun­gen wurden insbesondere Le­bensversicherungs­fonds mit hohem Etat beworben. Wie erfolgreich dies war, beweist die Investitionssumme von mehr als 2 Mrd. €, die allein in den Boomjahren 2004 und 2005 in diese Anlageklasse floss.

Das Konzept war einfach: Die Fondsgesellschaft kaufte vornehmlich amerikanischen Staatsbürgern ihre bestehenden Lebensversicherungsverträge mit allen Rechten und Pflichten ab und übernahm die Beitragszahlung. Der Grundgedanke war einerseits, den Versicherungskunden einen Preis über dem Rückkaufswert bei vorzeitiger Kündigung zu bezahlen. Ande­rerseits sollte der Fonds mit der Fortführung eine Kapitalrendite erzielen, die deutlich über dem Marktniveau lag.

Der Kaufpreis für die Policen wurde nach einer komplizier­ten Formel errechnet, in der neben den bisher gezahlten Prämien und der Restlaufzeit auch die Lebenserwartung des Versicherten eine Rolle spielte. Ermittelt wurde diese teilweise aus statistischen Daten, teilweise aber auf Basis von Gutachten, die den Versicherten eine „Restlebensdauer“ von meist fünf bis zehn Jahren prognostizierten. In Kauf genommen wurde dabei die Tatsache, dass die Fondskonzepte damit zu einem etwas makabren „Spiel mit dem Tod“ wurden: Je früher der Versicherte starb, umso eher kam die Police zur Auszahlung und umso höher war letztlich die Rendite. Im Fall einer langen Lebensdauer sank die Rendite jedoch auf ein Niveau, das für Kapitalanleger kaum noch interessant war. Morali­sche Bedenken wurden von Fondsgesellschaften und Vermittlern mit dem Hinweis abgetan, man unterstütze ja schließlich nur die ohnehin ausstiegswilligen Versicherungskunden und biete ihnen einen überdurchschnittlich hohen, zumindest aber fairen Preis für ihre Policen.

Bis zu 15% Rendite

Allein schon die Renditeprognosen von bis zu 15% p.a. signalisierten jedoch das Risiko dieser Anlage. Entsprechen­de Befürchtungen – die wir be­reits in der AWA -Ausgabe vom 1. März 2004 äußerten – sind mittlerweile bei einigen Fonds wahr geworden. Die prognostizierten Zahlungen blei­ben aus, bei einigen Fonds wird gar eine vorzeitige Schließung, die Insolvenz oder – im günstigsten Fall – die Rückabwicklung durch die Fondsgesellschaft diskutiert. Die Problematik ist vielschichtig:

  • Sterblichkeit: Die Sterblich­keit der Kunden insbesondere bei Fonds mit Schwer­punkt USA entwickelt sich oft ganz anders als zunächst kalkuliert. Die Versicherten werden älter, sodass Zahlungen ausbleiben. Weil die Fondsgesellschaf­ten die gekauften Policen jedoch mit laufenden Beitragszahlun­gen fortführen müssen, bleibt kein Geld mehr für Ausschüttungen an die Anleger. Häufig werden sogar Fremdmittel aufgenommen, was die Rendite nochmals schmälert.
  • Kosten: Lebensversicherungsfonds weisen extrem hohe Anlaufkosten auf. Zwischen 10% und 15% waren durchaus üblich, hinzu kommen Abwicklungskosten für Sterbefälle und laufende Aufwendungen etwa für das Management.
  • Renditeentwicklung: Da das Zeichnungsvolumen der Lebensversicherungsfonds lange Zeit deutlich über dem am Markt verfügbaren Vertragsvolumen lag, wurden oft Kaufpreise bewilligt, die nur im günstigsten Fall einen angemessenen Ertrag für Anleger sicherstellen konnten. Doch dieser günstigste Fall tritt kaum ein, vielmehr leiden Fondsgesellschaften jetzt unter den ausbleibenden Fälligkeitszahlungen.
  • Policenrendite: Vor dem Hintergrund der Finanzkrise und niedriger Kapitalmarktzinsen ist auch die Rendite vieler Lebensversicherungs­policen deutlich ge­sunken. Je nach Fondskonstruktion schlägt sich dies auf den Wert der Fondsbeteiligung nieder. Auch mögliche Pleiten von Versicherungsgesellschaften kön­nen sich negativ auswirken.
  • Währungsentwicklung: Et­liche Fonds konzentrieren sich auf amerikanische Poli­cen in US-Dollar. Je nach Betrachtungszeitraum hat die amerikanische Währung ge­genüber dem Euro in den letzten Jahren zwischen 15% und über 30% verloren. War keine Währungsabsicherung vorgesehen, geht dieser Verlust voll zulasten des Anteilsinhabers.
  • Laufzeit: Im Interesse der guten Verkäuflichkeit haben die meisten Lebensversicherungsfonds eine Laufzeit von maximal 10 bis 15 Jahren. Ist dann z.B. im Fonds­prospekt vorgesehen, dass der Initiator den verbleibenden Versicherungsbestand zu 60% bis 80% der Anschaffungskosten ablösen wird, muss der Anleger dies akzeptieren. Chancen, das Investment bis zur planmäßigen Fälligkeit der Policen fortzuführen und damit zumindest einen minimalen Ertrag zu erzielen, hat er nicht mehr.
  • Steuern: Hatte man angenommen, dass Investments in amerikani­sche Lebens­versicherun­gen steuerfrei oder -begünstigt seien, geht man jetzt von einer Steuerpflicht aus. Damit reduzieren sich die oft schwachen Renditen nochmals deutlich.

Strittig ist nun, ob die für die Fondsgesellschaften ungünstige Entwicklung der Sterblichkeit vorhersehbar war. Die Fondsgesellschaften verweisen auf Statistiken und vermeintlich zu­verlässige Gutach­ten, auf die man sich verlassen habe. Man sei – so die allgemeine Einschätzung – eben von falschen Prämissen ausgegangen. Dies könne im Finanzwesen passieren und sei ihnen nicht anzulasten. Kritiker hingegen werfen den Fondsgesellschaften vor, dass sie bei den Gutachten bewusst beide Augen zugedrückt hätten. Die Nachfrage nach Fondsanteilen sei so groß gewesen, dass man Policen quasi „zu jedem Preis“ gekauft habe.

Nicht alle betroffen

Allerdings sind nicht alle Lebensversicherungsfonds betroffen: Fondsgesellschaften, die in der Vergangenheit sorgfältig kalkuliert und die Kostenbelastung für Anleger auf einem erträglichen Niveau gehalten haben, können auch heute noch solide Renditen erwirtschaften. Bei neu aufgelegten Beteiligungen ist ebenfalls meist davon auszugehen, dass die Initiatoren aus der Entwicklung gelernt haben.

Haben Sie jedoch in der Vergangenheit Anteile gezeichnet, sollten Sie sich jetzt genau informieren. Die Fondsgesellschaften geben Auskunft über die aktuelle Lage und die erwartete weitere Entwicklung. Besteht der Verdacht einer Schieflage, sollten Sie im Internet mithilfe von Suchmaschinen nach entsprechenden weiterführenden Informatio­‑ n­en suchen. Als Lösung könnte sich der vorzeitige Verkauf der Beteiligung am Zweitmarkt anbieten, wobei hier die Preise derzeit sehr nied­rig sind. Infrage kommen aber auch rechtliche Schritte, wenn der Anbieter bzw. Vermittler seinen Pflichten nicht vollständig nachgekommen ist. Insider berichten sogar von freiwilligen Rückkäufen durch die Fondsgesellschaft – verbunden mit dem Versprechen strengen Stillschweigens über die Konditionen.

Im Falle eines angebotenen Neuengagements sollten Sie insbesondere auf die Berechnungsgrundlage der Lebenserwartung sowie die Gesamtkosten der Fondsbeteiligung achten. Denken Sie dabei stets daran, dass eine hohe Ren­diteprognose auch entsprechende Risiken signalisiert. Die Erfahrung zeigt, dass diese Risiken meist eintreten – und sei es in Form überzogener Gebührenforderungen von Anbietern und Vermittlern. Schließlich sollte auch die moralische Frage, ob man sich überhaupt an diesem „Geschäft mit der Lebenserwartung“ beteiligen möchte, nicht ganz außer Acht gelassen werden.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(19):12-12