Entwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung

Drei Fragen an Ingo Kailuweit


Claudia Mittmeyer

Ingo Kailuweit ist Vorstandsvorsitzender der KKH-Allianz.

?Wie ist es aktuell um die Finanzen der Krankenkassen bestellt?

2009 ist für uns kein einfaches Jahr – auch wenn es angesichts eines Einnahmeüberschusses zum 30. Juni von 1,2 Mrd. € anders aussehen mag. Fakt ist, dass dieser Überschuss nur erreicht wurde, weil erstens der Gesundheitsfonds den Kassen im 1. Halbjahr mehr und im 2. Halbjahr weniger Mittel zur Verfügung stellt als in der Vergangenheit. So werden z.B. die Mehreinnahmen aus dem Weihnachtsgeld bereits ab Januar in zwölf Mo­natsraten und nicht erst im November/Dezember fällig.

Zweitens gewährt uns der Fonds in diesem Jahr ein Darlehen zum Ausgleich der Einnahmeverluste durch die Wirtschaftskrise, ein Betrag von voraussichtlich mindestens 3 Mrd. €. Dieses Darle-hen müssen die Kassen spätestens 2011 zurückzahlen Dies ist eine schwere Hypothek für die Zukunft. Gleichzeitig belasten uns schon heute um zehn Prozent höhere Arzthonorare sowie Steigerungsraten von fünf und sechs Prozent bei Krankenhausausgaben und für Arzneien.

? In welchen Bereichen sehen Sie noch Mög­lichkeiten, die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung zu senken bzw. die Einnahmen zu er­höhen?

Die höheren Arzthonorare waren politisch gewollt. Korrekturbedarf sehe ich noch im Arzneimittelbereich, einem der Hauptkostentreiber seit Jahren. Die Arzneimittelkosten sind im ersten Halbjahr 2009 bei der KKH-Allianz erneut um sechs Prozent je Mitglied gestiegen. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf.

Die KKH-Allianz setzt sich außerdem für kostendeckende Krankenversicherungs­beiträge für Arbeitslose und ALG II-Empfänger ein. Schon seit Jahren schultern die gesetzlichen Krankenkassen einen großen Teil der Kosten für Arbeitslose, weil sie zu geringe Beiträge erhalten.

Außerdem plädieren wir für mehr Eigeninitiative beim Thema Gesundheit. Wir wollen, dass der Einzelne selbstbestimmter mit seiner Gesundheit umgeht und Ver­antwortung für sein gesundheitliches Wohlbefinden über­nimmt. Deshalb plädieren wir für Mehrleistungen im Bereich von Prävention und Vorsorge, für mehr Wahltarife, für erweiterte Zusatzleistungen und für ein Kinderpräventionsgesetz, denn Verantwortung für die eigene Gesundheit beginnt im Kindesalter.

?Wie kann aus Ihrer Sicht verhindert werden, dass zukünftig aufgrund der teilweise extrem hohen Preise innovativer Arzneimittel eine Therapie auf dem neuesten Stand der Wissenschaft für GKV-Versicherte in etlichen Fällen nicht bezahlbar ist?

Als gesetzliche Krankenkasse steht für uns die hochwertige und qualitative Versorgung unserer Versicherten im Vordergrund. Es kann nicht sein, dass Pharmakonzerne zulasten der Patienten bei neuen Arzneien ihre Gewinne maximieren.

Seit Jahren beobachten wir insbesondere bei neuen patentgeschützten Arzneimitteln eine regelrechte Kostenexplosion. Die Politik ist aufgefordert, zum Schutz der Patienten eine Preisobergrenze für patentgeschützte Originalpräparate einzuführen. Nur so kann der exorbitanten Preispolitik der Pharmaunternehmen Einhalt geboten werden.

Auch ein verminderter Mehrwertsteuersatz für Arzneimittel kann dazu beitragen, die Finanzsituation zu entschärfen. Nach unseren Berechnungen würde eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf sieben Prozent die gesetzlichen Krankenkassen jährlich um rund drei Milliarden Euro entlasten.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(19):3-3