Klaus Hölzel
Ein Zitat von Myron Rush, Autorin des Buches „Brennen ohne auszubrennen“, lautet: „Wenn man eine Kerze an beiden Seiten anzündet, mag sie eine Zeit doppelt soviel Licht spenden, aber sie ist auch doppelt so schnell abgebrannt.“ Selbstüberforderung sowie überhöhte Ansprüche an die eigene Person können auf die Dauer zur Selbstausbeutung und nach längerer Zeit zum Burn-out führen. Doch soweit muss es nicht kommen, wenn man genügend Egoismus und Selbstfürsorge an den Tag legt.
Merkmale der Selbstausbeutung
Ein junger, frisch approbierter Apotheker übernimmt die Apotheke seiner Mutter und ist glücklich, im Gegensatz zu seinen Studienkollegen schon früh zum Inhaber zu werden. Mit Eifer stürzt er sich in die Arbeit. In den ersten zwei Jahren arbeitet er sich ein, ohne wesentliche Änderungen im Ablauf der Apotheke vorzunehmen. Danach beginnt er, eigene Ideen umzusetzen, das Team umzugestalten und den Schwerpunkt der Apotheke zu verlagern. Zudem gründet er eine Familie. Nach zehn Jahren Berufstätigkeit schleicht sich bei ihm zunehmend Unzufriedenheit ein, er ist nicht mehr so stolz auf seine Arbeitsergebnisse. In den ersten Jahren jagte ein Erfolgserlebnis das andere, nun ist die Apotheke hinreichend optimiert, die Erfolge stellen sich nicht mehr so schnell ein. Der Konkurrenzdruck auf seine Innenstadt-apotheke hat sich zudem erheblich verschärft. Bei der Arbeit kämpft er mittlerweile oft mit Unwohlsein und Erschöpfung, gleichzeitig ist er unfähig, von der Arbeit abzuschalten und sich zu entspannen.
Hang zum Perfektionismus
Der junge Apotheker hat einen Hang zum Perfektionismus entwickelt und setzt strenge Maßstäbe an seine eigene Arbeit. Dies ist jedoch objektiv betrachtet unangebracht, denn seine Apotheke ist gut aufgestellt, die wachsende Konkurrenz kann er nur bedingt beeinflussen. Doch er ist nicht in der Lage, dies zu erkennen, er tritt die „Flucht nach vorn“ an, arbeitet noch härter und vernachlässigt darüber seine Partnerschaft und seine Freunde. Mit anderen Worten: Er steckt in einer persönlichen Sackgasse.
Das eigene Ich außer Balance
Der junge, eigentlich erfolgreiche Apotheker hat Stress, in seinem Kopf herrscht der Ehrgeiz bezüglich seiner Arbeit vor. Doch vom Arbeiten allein ist bekanntlich noch niemand wirklich glücklich geworden, im Gegenteil: Zu viel Arbeit beutet aus und macht krank. Andere Lebensbereiche wie Familie und Freunde, Sport, Gesundheit und kulturelle Erfahrungen werden in den Hintergrund gedrängt. Doch nur wenn diese Lebensbereiche in Einklang stehen und jeder der Bereiche in einem vernünftigen Maß ausgelebt wird, ist der Mensch in Balance. Mahatma Gandhi behauptete treffend: „Der Mensch kann nicht in einem einzelnen Lebensbereich Recht tun, während er in irgendeinem anderen Unrecht tut. Das Leben ist ein unteilbares Ganzes.“
Wege zu mehr Selbstfürsorge
Nach einem Winter mit einer verschleppten Grippe und auftretenden Schlafstörungen merkt der inzwischen 40-jährige Apotheker, dass er etwas ändern muss. Er überlegt, was der Auslöser seines übertriebenen Arbeitseifers ist und fragt sich: Sind eigene Erwartungen oder Verhaltensweisen schuld? Das Verhalten der Mitarbeiter? Oder die immer schärfere Wettbewerbssituation? Erst als er langsam erkennt, dass die Ursachen seines übertriebenen Ehrgeizes in der alleinigen Fokussierung auf die Apotheke liegen, kann er sich an die Verarbeitung seiner Selbstausbeutung machen.
Um Selbstausbeutung zu vermeiden, müssen zunächst die Stressfaktoren identifiziert werden: Was verursacht den Stress und wie kann man das ändern? Erst dann kann mit dem „Verarbeitungsmanagement“ angefangen werden. Damit beginnt der schwierigste Teil, nämlich die Veränderung der eigenen – über Jahre eingeschliffenen – Einstellungen im Apothekenalltag oder zu bestimmten Personen.
Stressabbau-Strategien
Bei der Verarbeitung von Problemen und dem Stressabbau helfen sportliche Aktivitäten. Der Inhaber aus unserem Beispiel ist dazu übergegangen, regelmäßig zu joggen. Vor allem Ausdauersportarten reduzieren Stress in größerem Maße. Gleichzeitig gewinnt man Zeit für sich selbst und tut sich persönlich etwas Gutes. Geeignet zum Stressabbau sind zudem Entspannungstechniken wie Yoga oder autogenes Training, Wellness oder erholsame Hobbys wie Golf spielen, Malen etc.
Tipps für die Selbstfürsorge
Wer zur Selbstausbeutung im Beruf neigt, sollte folgende Tipps beachten und sich möglichst viele davon zur Gewohnheit machen:
- ausreichender Schlaf,
- gesunde Ernährung,
- Zeit nehmen für die Körperpflege,
- Freiräume schaffen für regelmäßigen Sport,
- mehrere kleine Pausen während der Arbeitszeit einlegen,
- regelmäßiger Urlaub ohne Freizeitstress,
- Neinsagen lernen,
- so viele Aufgaben wie möglich delegieren,
- eigene Wertschätzung lernen,
- Trennung von Arbeit und Privatleben,
- regelmäßige Überprüfung – z.B. einmal im Monat – der eigenen Lebensbalance und Lebensqualität,
- Führen eines Stress-Tagebuchs nach Intensität und Art der Belastung.
Ist dann wieder der Zeitpunkt gekommen, an dem man außer Balance gerät, sollte man sich klar werden, dass Stress nicht an uns herangetragen wird, sondern dass Stress im Kopf entsteht. Denn Dinge oder Situationen sind nie „objektiv“ zu betrachten. Es kommt vielmehr darauf an, wie wir persönlich sie betrachten.
Realistisches Zielmanagement
Nach einem Jahr ist es dem vormals arbeitswütigen Inhaber gelungen, ein paar Gänge herunterzuschalten. Er ist immer noch ein Stück entfernt von der perfekten Balance, aber er hat auch erfreut wahrgenommen, dass er von seiner Partnerin und von seinen Freunden vorbehaltlos unterstützt wird. Er hat es geschafft, das Ruder noch vor dem Burn-out herumzureißen.
Um sich bei der täglichen Apothekenarbeit nicht immer wieder selbst zu überfordern, ist er dazu übergegangen, für seine einzelnen Arbeitsbereiche und Projekte Ziele zu formulieren. Dadurch ist er gezwungen zu überlegen, ob bestimmte Ziele oder Aufgaben von vornherein überzogen oder gar unrealistisch sind. Er hat sich angewöhnt, seine Ziele in verschiedene Abstufungen einzuteilen:
- vorrangige Ziele oder Teilaspekte einer Aufgabe, die möglichst auch realisiert werden sollten (Beispiel: Umstellung auf einen Kommissionier-Automaten);
- nützliche Ziele, die aber nicht unbedingt sofort notwendig sind (Beispiel: Ausbau des Kosmetik-Sortiments);
- Luxus-Ziele (Beispiel: berufspolitisches Engagement).
Seinen Ehrgeiz hat er nicht ganz abgelegt, aber in vernünftige Bahnen gelenkt, sodass er wieder zu den erwünschten Erfolgserlebnissen führt. Die eigene Wertschätzung orientiert sich nicht mehr so sehr am Gewinn der Apotheke und seinem 16-Stunden-Tag, sondern an der Qualität seines ausgewogenen Privat- und Berufslebens.
Dipl.-Volkswirt Klaus Hölzel,
Apotheken Management-
Institut GmbH,
65375 Oestrich-Winkel,
E-Mail: sekretariat@apothekenzukunft.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(19):10-10