Verblisterung – Chancen und Risiken

Drei Fragen an Dr. Klaus Peterseim


Claudia Mittmeyer

Dr. Klaus Peterseim ist 1. Vorsitzender des BVKA – Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheker e.V. und Inhaber der Dom-Apotheke in Essen.

? Auf der diesjährigen Expopharm in Düsseldorf spielte das Thema Verblisterung eine große Rolle. Wie sind die Chancen für die Apotheker, sich auf diesem Feld zu profilieren?

Die Chancen für die Apotheker sind auf dem Feld der pharmazeutischen Inhalte tatsächlich sehr groß. Auf dem Gebiet des Medikationsmanagements sind wir ja bisher in der klassischen Versorgung keinen Schritt weitergekommen, die entsprechenden Passagen in der 15. AMG-Novelle wurden schon im Stadium des Referentenentwurfs wieder gestrichen. Bei der Verblisterung ist ein umfassendes Me­dikationsmanagement durch den Apotheker unerlässlich, denn ohne rechtzeitiges Vorliegen der Verordnung, ohne eine Überprüfung auf Kontraindikationen, Wechselwirkun­gen und auch physikalisch-chemische Probleme, ohne einen lückenlosen Medikationsplan mit exakter Dosierung und genauem Einnah­mezeitpunkt und auch ohne das dazugehörige Zeitmana­gement ist ein Verblistern nicht möglich. Das Verblistern selbst ist ein technisch aufwendiger, aber mehr oder weniger stupider Verpackungs- und Kennzeichnungsvorgang. Davor liegt aber eine sehr umfangreiche, anspruchsvolle und vor allem auch zeitintensive Leistung der Apotheke.

Da es immer mehr Menschen gibt, die sehr viele Medi­kamente gleichzeitig einnehmen müssen, die Leute immer älter und damit gebrechlicher werden und die Ärzte auch in Zukunft kaum Zeit haben werden, sich um die Koordinierung verschiedener ärztlicher Verordnungen zu kümmern, liegt hier nach meinem Eindruck das Betätigungsfeld der Zukunft für die Apotheke. Insofern ist es tatsächlich eine Chance für die Apotheker, im Zusammenhang mit dem Verblistern dieses für unsere berufliche Zukunft unabdingbare Know-how zu erwerben.

? Kann das Verblistern neben der pharmazeuti­schen auch eine wirtschaftliche Weiterentwicklung für die Apotheke bedeuten im Sinne eines zweiten Standbeins?

Das hängt natürlich ganz entscheidend davon ab, welche Vergütung für den Gesamtprozess Medikationsmana­gement plus Verblisterung vereinbart wird. Die Apothekerverbände haben sich trotz unserer mehrfachen Mahnung bisher nicht ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt. Nun droht uns so etwas wie die „normative Kraft des Faktischen“, indem Hersteller von Blisterautomaten und vor allem Blisterzentren in den Händen von Nicht-Apothekern, aber auch private Rechenzentren auf den Markt drängen und versuchen, mit Krankenkassen und Heimen ins Geschäft zu kommen. Dazu brauchen sie natürlich Apotheker, aber die Apotheker werden in dieser Konstellation schnell zu getriebenen, austauschbaren Figuren, die das Gesetz des Handelns nicht mehr bestimmen, obwohl sie es doch sind, die für die entscheidenden inhaltlichen Arbeitsschritte die Verantwortung tragen.

Wirtschaftlich kann dies da­zu führen, dass nur die techni­sche Leistung der Verblis­terung voll vergütet wird, die vor­angehenden phar­ma­zeuti­schen Leistungen im Rahmen des Medikationsmanagements aber nicht.

Heute erzielt eine Apotheke nach Berechnungen des BVKA in der Heimversorgung mit (allen) festen oralen Arzneiformen einen durchschnittlichen Rohgewinn pro Patient und Woche von etwa 4,80 €. Dies ist die Vergütung gemäß AMPreisV nach Kassenabschlag für die Abgabe der Fertigarzneimittel einschließlich Beratung und Dokumentation, und niemand wird behaupten, dass dies zuviel sei – man steht ja nicht umsonst im Schiedsverfahren, um eine Erhöhung dieser Marge zu erreichen. Übernimmt der Apotheker zusätzlich das Medikationsmanagement, sollte er dafür etwas extra bekommen, so ist es ja auch in den Hausapotheken-Verträgen vorgesehen.

Hinzu kommt das Honorar für die Verblisterung selbst, hier verlangen die bisher am Markt tätigen Firmen etwa 3 € bis 4 € pro Patient und Woche. Einen Beitrag zum Betriebsergebnis erreicht die Apotheke in der Verblisterung also nur mit einer entsprechenden Honorierung deutlich jenseits von 4,80 € plus 3 €, andernfalls kann sehr schnell genau das Gegenteil eintreten.

Da die Kostenträger sowohl durch das Medikationsmana­gement (Herausfiltern von Doppelverordnungen etc.) als auch durch die beim Verblistern mögliche tablettenge­naue Abrechnung Kosten sparen können, sollte eine an­gemessene Vergütung der pharmazeutischen Leistung möglich sein. Studien, die im Ausland gemacht wurden, haben überdies nachgewiesen, dass der Qualitätsgewinn im Sinne einer Vermeidung von Fehlmedikationen so groß ist, dass auch in beträchtlichem Maße Behandlungskosten eingespart werden können.

? Was müsste man auf dem Gebiet der Qualitätsverbesserung in der Heimversorgung tun?

Die Qualität in der Heimversorgung hat sich seit der Übertragung der Versorgungsaufgaben auf eine vertraglich gebundene Apotheke durch den neuen § 12a ApoG erheblich verbessert. Daran sind auch die Apothekenaufsicht und die Heimaufsicht beteiligt, die über klare gesetzliche Vor­gaben verfügen und diese nutzen. Als sehr hilfreich hat sich auch die Leit­linie der Bundesapothekerkammer erwiesen, die unter Mitwirkung des BVKA entstanden ist. Im Moment ist eine Arbeitsgruppe der BAK und des BVKA dabei, diese Leit­linie zu aktualisieren.

Die Erfahrungen zeigen, dass die bisherigen Regelungen für die aktuelle Form der Heimversorgung gut geeignet sind und sich bewährt haben. Um die neu hinzukommenden Aufgaben im Medikations­management und in der Verblisterung zu definieren, muss die Leitlinie erweitert werden, insbesondere müssen die Verantwortlichkeiten genau festgelegt und einiges ergänzt werden, z.B. im Bereich der jederzeitigen Verfügbarkeit von Informationen und im Bereich des Datenschutzes.

Wir sind hier auf einem guten Weg und wir sind sicher, Maßstäbe entwickeln zu können, die die Arzneimittelsicherheit im Heim weiter voranbringen. Die Heimversorgung könnte damit auch zum Vorbild für die Versorgung von multimorbiden Menschen aus der Offizin werden.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(21):3-3