Helmut Lehr
Seit 1. Januar 2007 sind die Ausgaben für ein häusliches Arbeitszimmer nur noch dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig, wenn dieses den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Betätigung bildet. Das ist bei Apothekern nahezu ausgeschlossen, da sie ihren betrieblichen/beruflichen Mittelpunkt regelmäßig in der Apotheke haben.
„Altregelung“
Vor der betreffenden Gesetzesänderung konnten Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer wenigstens in Höhe von bis zu 1.250 € abgesetzt werden,
- wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50% der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit betrug oder
- wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand.
Hinweis: Ein vollständiger Abzug war nur dann möglich, wenn das Heimbüro den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen/beruflichen Betätigung darstellte.
Verfassungsrechtliche Zweifel
Mit Beschluss vom 25. August 2009 1) hat der Bundesfinanzhof ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der seit 2007 geltenden Arbeitszimmerregelung geäußert und die Eintragung eines entsprechenden Freibetrags auf den Lohnsteuerkarten eines Lehrerehepaares befürwortet. Zudem hat das Finanzgericht Münster dem Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich die Frage vorgelegt, ob die Neuregelung den Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz) verletzt 2) .
Hinweis: Die Eilentscheidung des Bundesfinanzhofs wurde von drei Richtern unterschrieben und lässt noch keinen Schluss zu, wie im Hauptsacheverfahren mit fünf Richtern entschieden wird. Es ist möglich, dass auch der Bundesfinanzhof im eigentlichen Verfahren (Hauptsacheverhandlung) das Bundesverfassungsgericht einschalten wird.
Aufgrund des Beschlusses des Bundesfinanzhofs vom 25. August 2009 hat das Bundesfinanzministerium kurzfristig reagiert und Folgendes verfügt 3) : Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung, mit denen im Rechtsbehelfsverfahren begehrt wird, Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer „nach der Altregelung“ steuermindernd zu berücksichtigen, ist stattzugeben. Dies gilt für Einspruchsverfahren
- gegen die Ablehnung eines Antrags auf Lohnsteuerermäßigung („Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte“) für Jahre ab 2009,
- gegen die Festsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen für Veranlagungszeiträume ab 2009 oder
- gegen Einkommensteuerbescheide für Veranlagungszeiträume ab 2007.
Hinweis: Das bedeutet, dass Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer wieder bis zur Höhe von maximal 1. 250 € geltend gemacht werden können, wenn die oben genannten Voraussetzungen (siehe „Altregelung“) vorliegen.
Einspruch zwingend erforderlich
Eine förmliche Aussetzung der Vollziehung wird von Gesetzes wegen nur dann gewährt, wenn der Steuerpflichtige auch formal Einspruch gegen den belastenden Verwaltungsakt (Steuerbescheid) eingelegt hat. Deshalb ist ein Einspruch zwingend erforderlich, wenn z.B. ein Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte für die anteiligen Arbeitszimmerkosten eingetragen werden soll oder wenn wegen der Abziehbarkeit der Arbeitszimmerkosten die darauf entfallende Einkommensteuer erstattet werden soll.
Hinweis: Im Lohnsteuerermäßigungsverfahren werden die Finanzämter vermutlich akzeptieren, dass der Einspruch quasi sofort an Amtsstelle erhoben wird und den gewünschten Freibetrag dann eintragen.
Keine zeitnahe Erstattung durch Vorläufigkeitsvermerk
Schon seit einiger Zeit ergehen die Einkommensteuerbescheide hinsichtlich der neueren Abzugsbeschränkungen für Arbeitszimmerkosten nur vorläufig. Viele Steuerpflichtige sind daher der Auffassung, keinen förmlichen Einspruch einlegen zu müssen, da sie „automatisch“ von einem eventuell positiven Ausgang der „Musterverfahren“ profitieren. In diesen Fällen besteht dann keine Möglichkeit, den Steuervorteil vorab zu realisieren.
Hinweis: Allerdings sollte bei vorzeitiger „Auszahlung“ im Wege der Aussetzung der Vollziehung beachtet werden, dass die Regelung auch als verfassungsgemäß eingestuft werden könnte; dann wären die erhaltenen Steuervorteile zzgl. Zinsen (6% p.a.) an das Finanzamt zurückzuzahlen.
Folgen für die Praxis
Wer als selbstständiger Apotheker glaubhaft machen kann, dass ihm kein geeigneter Büroarbeitsplatz in der Apotheke zur Verfügung steht, könnte die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von bis zu 1.250 € zunächst wieder als Betriebsausgaben geltend machen. Bei ablehnender Entscheidung könnte Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt werden. Auch für den Apotheker-Ehegatten ist die vorläufig „neue Rechtslage“ interessant, z.B. bei Ausübung eines Nebenjobs, der nur im Arbeitszimmer erledigt wird oder wenn für die eigentliche Berufstätigkeit kein geeigneter Büroarbeitsplatz zur Verfügung steht oder das Arbeitszimmer zu mehr als 50% der gesamten betrieblichen/beruflichen Tätigkeit genutzt wird.
Hinweis: Im Bereich der Aus-/Fortbildungskosten sind Arbeitszimmerkosten ggf. als Sonderausgaben abzugsfähig. Die „Altregelung“ bringt daher womöglich auch für zahlreiche (ehemalige) Studenten Steuervorteile, weil sie an der Hochschule regelmäßig über keinen eigenen „Arbeits- bzw. Lernplatz“ verfügen 4) .
1) Aktenzeichen VI B 69/09.
2) Vgl. Beschluss vom 8. Mai 2009, Aktenzeichen 1 K 2872/08 E.
3) Schreiben vom 6. Oktober 2009, Aktenzeichen IV A 3 – S 0623/ 09/10001.
4) Vgl. AWA- Ausgabe Nr. 20 vom 15. Oktober 2009, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 17.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(21):18-18