Ursula Hasan-Boehme
Das Bundesministerium der Finanzen hat im November 2009 die „Richtsatzsammlung für das Kalenderjahr 2008“ veröffentlicht. Diese amtlichen Gewinnrichtsätze werden auf der Grundlage von Betriebsprüfungen ermittelt. Sie dienen der Finanzverwaltung, d.h. den Veranlagungsstellen der Finanzämter und den Betriebsprüfern, als Orientierung zur Höhe von Rohgewinnen und Gewinnen der ausgewiesenen Branchen, zu denen auch die Apotheken gehören.
Die Richtsätze werden in Prozenten vom Nettoumsatz ausgewiesen. Dabei soll der Mittelsatz die Ergebnisse von Normalbetrieben wiedergeben, während die Rahmensätze den unterschiedlichen Verhältnissen der Einzelbetriebe Rechnung tragen sollen.
Vergleich zu Vorjahren
Die Richtsätze 2008 für die Apotheken sind der unten stehenden Tabelle zu entnehmen. Für den Rohgewinn beträgt der Mittelsatz 28%, für den Reingewinn 9% vom Nettoumsatz. Die Richtsätze 2008 weisen keine Veränderungen gegenüber 2007 und 2006 auf, da sie nur alle drei bis vier Jahre neu ermittelt und in der Zwischenzeit unverändert beibehalten werden.

Vergleich mit externem Betriebsvergleich
Die allgemeine Marktentwicklung der Apotheken lässt sich aus dem externen Betriebsvergleich 2008 der TREUHAND HANNOVER GmbH, Steuerberatungsgesellschaft, entnehmen (vgl. AWA -Ausgabe Nr. 14 vom 15. Juli 2009). Der durchschnittliche Rohgewinn betrug im Westen im Jahr 2008 26,7% vom Nettoumsatz und lag damit um mehr als 1%-Punkt unter dem Mittelsatz. Für die neuen Bundesländer lag der durchschnittliche Rohgewinnsatz mit 24,7% sehr deutlich unter dem Mittelsatz und bereits leicht unter dem unteren Rahmensatz. Rohgewinne in der Größenordnung des oberen Rahmensatzes von 31% sind heute nur noch bei Vorliegen außergewöhnlicher Strukturen erreichbar.
Sehr deutlich ist auch der Abstand bei den Gewinnen. Der Mittelsatz der Richtsätze von 9% liegt erheblich über dem steuerlichen Betriebsergebnis in den alten Bundesländern mit einem Durchschnitt von 6,5% für 2008. Auch in den neuen Bundesländern liegt der Durchschnitt von 7,3% deutlich unter dem Mittelsatz. Die Rahmensätze liegen ebenfalls kaum näher an der aktuellen Situation. Gewinne unter 5% vom Umsatz sind sehr wohl für zahlreiche Apotheken zu verzeichnen, während ein Gewinn von 13% nur selten erreichbar ist.
Besonderheiten des Gewinnbegriffs
Diese Unterschiede erklären sich teilweise aus der großen Zeitdifferenz und aus besonderen Begriffsdefinitionen. Der Reingewinn der Richtsätze muss zwangsläufig höher ausfallen, weil bei seiner Ermittlung die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes nicht voll umfänglich angewandt werden. So werden einige Kostenpositionen nicht gewinnmindernd berücksichtigt:
- Dazu gehören Sonderabschreibungen (außer der Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter).
- Zinsaufwendungen für langfristige Verbindlichkeiten werden nur insoweit abgezogen, als sie die Betriebsräume in eigenen Räumen betreffen. Bei den meisten Apotheken sind daher die langfristigen Zinskosten gar nicht oder nur teilweise als Betriebsausgabe berücksichtigt.
Gewinnerhöhend enthalten die Richtsätze auch außerordentliche Erträge, z.B. Gewinne aus dem Verkauf eines Betriebs-Pkws oder anderer Gegenstände des Anlagevermögens.
Anwendung der Richtsätze
Die Betriebsprüfer können und sollen die Richtsätze zur Orientierung in Betriebsprüfungen nutzen. Vorteilhaft ist es für den Steuerpflichtigen daher, wenn sich die eigenen Daten innerhalb der Rahmensätze befinden oder gar dem Mittelsatz entsprechen. Durch die große Zeitdifferenz und die übrigen erwähnten Aspekte ist dies praktisch kaum noch möglich. Was darf der Betriebsprüfer bei Abweichungen tun?
Weichen die Gewinne oder Umsätze in den Steuererklärungen und den Jahresabschlüssen der Einzelbetriebe von den Richtsätzen ab, dürfen diese Abweichungen nach ständiger Rechtsprechung nicht allein für Gewinn- oder Umsatzschätzungen herangezogen werden, wenn die Buchführungsergebnisse formell ordnungsgemäß ermittelt wurden. Jedoch wird der Betriebsprüfer in solchen Fällen seine Ermittlungen intensivieren. Die Apotheker sind daher gut beraten, Umstände darlegen zu können, die die Abweichungen erklären.
Abweichungen zeitnah aufklären
Wichtig ist es, sich möglichst zeitnah um die Aufklärung von Abweichungen zu bemühen, solange sie noch frisch im Gedächtnis sind. Die Erklärungen sollten verfügbar sein, wenn eine Betriebsprüfung ansteht. Jedoch auch unabhängig davon sollte der Unternehmer im eigenen Interesse den Abweichungen nachspüren, insbesondere, wenn die Ergebnisse deutlich von den Richtsätzen und der allgemeinen Marktlage abweichen. Unterschiede bei Kostenpositionen sind meist vergleichsweise einfach und plausibel zu begründen.
Entscheidend für Gewinnabweichungen sind Wareneinsätze bzw. Rohgewinne. Das Problem ist, dass gerade bei Rohgewinnabweichungen vielfältige Ursachen in Frage kommen können, z.B. die absolute Umsatzhöhe, ein hoher Anteil GKV-Umsatz, ein hohes Preisniveau der verschreibungspflichtigen Arzneimittel und die effektiven Einkaufsvorteile.
Auch wenn das Marktpotenzial für Einkaufsvorteile in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist, so haben diese gleichwohl nach wie vor einen erheblichen Einfluss auf den zu erreichenden Rohgewinn. Sie hängen ihrerseits von vielen Faktoren ab, z.B. von der Umsatzstruktur, von der Verteilung der Einkäufe auf Großhandel und Direktbezug, von den effektiv erreichten Einkaufsvorteilen, die häufig hinter den Erwartungsgrößen deutlich zurückbleiben.
Im Rahmen einer professionellen Rohgewinnanalyse, ergänzt um eine Rabattüberprüfung – beides bietet z.B. die TREUHAND HANNOVER an –, lassen sich im Hinblick auf spätere Betriebsprüfungen Abweichungen aufklären und ggf. Ertragsreserven feststellen.
Solche Ertragsreserven zu heben, sind der gewichtigere Grund, sich mit den eigenen Betriebsdaten auseinanderzusetzen, als sich lediglich für eine Betriebsprüfung zu wappnen. Für das unternehmerische Handeln der Apothekeninhaber sind aktuelle Benchmarks nötig. Diese können externe Betriebsvergleiche liefern, wenn sie so differenziert sind, dass sie auch die Besonderheiten des eigenen Betriebs widerspiegeln.
Dipl.-Volkswirtin Ursula
Hasan-Boehme, Steuerberaterin,
TREUHAND HANNOVER GmbH,
Steuerberatungsgesellschaft,
30519 Hannover,
E-Mail: ursula.hasan-boehme@treuhand-hannover.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(23):5-5