Gesundheitspolitik und Apothekenmarkt

Drei Fragen an Thomas Preis


Dr. Christine Ahlheim

Thomas Preis ist Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein e.V. sowie Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand des Deutschen Apothekerverbandes.

?Zu Jahresbeginn hat der Druck auf den neuen Bundesgesundheitsminister Rösler hinsichtlich kurzfristiger Reformmaßnamen zugenommen. Nach der­zeitigem Stand der Dinge scheint es aber dennoch kein kurzfristiges Spargesetz zu geben. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation aus Apothekersicht?

Wir begrüßen hier ausdrücklich das Vorgehen der neuen Bundesregierung und des Gesundheitsministers. Auch wenn der Druck größer wird, ist es – nach den leidvollen Erfahrungen der Vergangenheit mit unzähligen Spargesetzen ohne nachhaltigen Erfolg – richtig, eine grundlegende Gesundheitsreform nur dann anzustreben, wenn sie ausreichend vorbereitet ist.

Bei der Weiterentwicklung des Gesundheitssystems, insbesondere im Hinblick auf ein wirtschaftlich und qualitativ hochwertiges System der Arzneimittelversorgung, kann die neue Gesundheitspolitik auf die konstruktive Unterstützung der Apothekerschaft zählen. Hier finden bereits Gespräche statt.

Um es klar zu sagen: Wir sind ein selbstbewusster Berufsstand und wollen nicht, wie es oftmals in den Medien heißt, „Pfründe wahren“ oder verwalten. Unser Ziel ist es, die Versorgung der Bevöl­kerung mit Arzneimitteln zukunftsorientiert, qualitativ hochwertig und patientenin­dividuell mitzugestalten und weiterzuentwickeln. Deshalb ist unser Expertenwissen in diesem Bereich notwendig und gefragt.

? Nach Ansicht einiger Marktbeobachter fehlt es im Apothekenmarkt an Wettbewerb, Teile der Wirtschaftspresse und Marktexperten bezeichnen den Apothekenmarkt sogar manchmal als wettbewerbsfreie Zone. Was kann man dem entgegensetzen?

Solche Einschätzungen sind mehr als weltfremd. Apotheken stehen ganz klar miteinander im Wettbewerb. Allerdings muss der Wettbewerb in einem sensiblen Markt wie dem Arzneimittelmarkt, in dem mit Arzneimitteln Waren der besonderen Art im Mittelpunkt stehen, Grenzen haben. Wir begrüßen es daher sehr, dass der neue Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler das ebenso anerkennt wie unser Gesundheitsminister in Nord­rhein-Westfalen Karl-Josef Lau­mann.

Vor diesem Hintergrund muss aber klargestellt werden: Apotheken setzen sich für mehr Wettbewerb ein. Und zwar für einen Wettbewerb um die qualitativ beste pharmazeutische Leistung, zum Wohl und auch zum Schutz der Patientinnen und Patienten und orientiert am individuellen Medikationsbedarf. Deshalb ist und bleibt die von Konzernstrukturen unabhängige, bewährte Versorgung mit und Beratung zu Arzneimitteln auch im Interesse der Patientinnen und Patienten gesundheits- und verbraucherschutzpolitisch die beste und sicherste Versorgungsform, zu der es nachweislich keine bes­sere Alternative gibt. Das ist ganz im Sinne der Entscheidung des EuGH vom 19. Mai 2009. Da ist es nur folgerichtig, dass der Gesundheitspoliti­sche Sprecher der CDU, Jens Spahn, beim Fremd- und Mehrbesitzverbot für die nächsten vier Jahre keinen Diskussionsbedarf mehr sieht und damit die Debatte dar­über für beendet erklärt hat.

? Das Thema Gesundheitswirtschaft hat an Bedeutung gewonnen. Wohin geht die Entwicklung hier und welche Rolle kommt den Apothekern dabei zu?

Die Gesundheitswirtschaft hat sich vom Kostentreiber zum Wertschöpfungsfaktor entwickelt. Das ist ein bemerkenswerter, aber längst überfälli­ger Paradigmenwechsel. Denn die Gesundheitswirtschaft ist schon lange zu einem der beschäftigungsintensivsten Wirtschaftszweige und damit zu einem echten Wertschöpfungsfaktor in unserem Land geworden. Allein in Nordrhein-Westfalen sind 1 Million von bundesweit insgesamt 5 Millionen Menschen in der Gesundheitswirtschaft tätig.

Mit Blick auf die Herausforderungen des demografischen Wandels geht es künftig vor allem um die Stärkung der lokalen Gesundheitsversorgung. Hier gewinnt der Apotheker als Heilberufler weiter an Bedeutung. Allein durch die Wohnortnähe der öffentli­chen Apotheken sind beste Voraussetzungen gegeben, um künftig in Kooperation mit weiteren Leistungserbringern und Kostenträgern bedarfs­ge­rechte Leistungsangebote z.B. in der häuslichen Versorgung zu schaffen. Dabei muss man sich fragen, wie es hier mit der Qualität als Wettbewerbsfaktor steht. Dieses The­ma haben wir daher bewusst in den Mittelpunkt der Podiumsdiskussion bei unse­rem „2. Zukunftskongress öffentliche Apotheke“ am 6. Februar 2010 in Bonn gestellt.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(02):3-3