Prof. Dr. Reinhard Herzog
Blickt man auf die Prognosen, die Börsenexperten vor Jahresfrist für 2009 abgaben, zeigt sich ein recht differenziertes Bild: Die einen waren eher optimistisch und rechneten nach dem schlechten Aktienjahr 2008 mit einer schnellen Erholung, erwarteten aber auch einen Zinsanstieg. Entsprechend präferierten sie Aktien vor Anleihen. Die anderen gingen davon aus, dass die Aktienkurse weiter nachgeben und der DAX zum Jahresende 2009 deutlich unter 4.000 Punkten notieren würde. Im Gegenzug sollten die Zinsen nochmals zurückgehen und die Kurse umlaufender Papiere dementsprechend stark steigen. Ihre Favoriten waren also Anleihen, denen besondere Chancen eingeräumt wurden. Dazwischen gab es eine Vielzahl weiterer Meinungen, die sowohl von Optimismus wie auch von tiefem Pessimismus geprägt waren.
Recht bekommen hat jedoch keines der beiden Extreme. Denn der Auftakt zum Börsenjahr war erst einmal alles andere als euphorisch: Der DAX, der 2008 von 8.000 auf rund 4.700 Punkte gefallen war, gab weiter nach und erreichte im Frühjahr 2009 bei rund 3.600 Punkten neue Langzeit-Tiefststände. Auch die Zinsen gingen zurück und ließen die Kurse mancher Anleihen klettern. Per saldo kam es jedoch auch hier zu Verlusten, denn jetzt standen Unternehmensanleihen im Kreuzfeuer der Kritik und ihre Kurse gingen vielfach „in den Keller“. Extrem schlecht waren auch die Einschätzungen der Finanzexperten: Von jahrelanger Rezession bis hin zu Diskussionen über eine Währungsreform reichten die Meinungen, die sogar manchem Privatanleger schlaflose Nächte bereiteten.
Schneller als erwartet kam dann jedoch die Erholung. Getreu der Börsenregel, dass die Aktienmärkte dem realen Wirtschaftsgeschehen zwischen sechs und zwölf Monate vorauseilen, kletterten ab März 2009 die Kurse und zum Jahresende schloss der DAX knapp unter der Marke von 6.000 Punkten. An den Rentenmärkten haben sich die Zinsstrukturen normalisiert (vgl. den Beitrag auf Seite 13 bis 14) und auch bei Zertifikaten und Fonds dominiert wieder eine ausgeglichene Stimmung, aber keine Übertreibung mehr.
Eigene Meinung zählt
Gerade die Entwicklung im Jahr 2009 hat gezeigt, wie wichtig es für Geldanleger ist, sich selbst eine Meinung zu bilden und nicht blindlings den Prognosen echter oder selbst ernannter Experten zu folgen. Entsprechend ist unsere Serie „Wertpapier im Test“ so angelegt, dass wir alle Aspekte eines Titels detailliert beleuchten, die Chancen und Risiken darstellen und gegeneinander abwägen. Im Gegensatz zum „heißen Tipp“ mancher Boulevardblätter zeichnen wir ein Bild vom „Für“ und „Wider“. Denn schließlich spielen bei der Geldanlage nicht allein die Chancen eines Titels eine besondere Rolle. Mindestens ebenso wichtig ist es, die Marktlage angemessen zu würdigen und nur solche Produkte auszuwählen, die zum eigenen Depot passen.
Deshalb legen wir großen Wert auf eine ausgewogene Titelauswahl, die – unter Beachtung der Marktlage – sowohl zinsorientierte wie auch chancen- und risikogeneigte Anleger berücksichtigt. Entsprechend differenziert sind die Kriterien, nach denen wir eine Anlage als „Wertpapier im Test“ auswählen:
- Grundsätzlich infrage kommen Papiere, die entweder überzeugende fundamentale Daten oder aber eine interessante charttechnische Entwicklung aufweisen.
- Vorgestellt werden aber auch Titel, für die besonders geworben wird oder die im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen – sei es nun im positiven oder negativen Sinn.
- Schließlich berücksichtigen wir Werte, die mit dem medizinischen Bereich zusammenhängen oder bei denen wir ein großes Leserinteresse vermuten.
Keinesfalls darf eine Vorstellung als „Wertpapier im Test“ jedoch als uneingeschränkte Kaufempfehlung verstanden werden. Im Gegenteil: Die Studien sollen in erster Linie als neutrale Informationsquelle dienen, mit deren Hilfe Sie sich eine eigene Meinung bilden können und die Ihnen auch unter langfristigen Aspekten Ideen liefert. Aber auch beim Kauf eines porträtierten Wertpapiers sollten Sie stets die Grundregeln der Geldanlage beachten. Hierzu zählen zum einen die Streuung des Kapitals, zum anderen die laufende Beobachtung des eigenen Depotbestands und ggf. schnelles Handeln, wenn Verluste frühzeitig begrenzt werden müssen.
Wie jedes Jahr blicken wir an dieser Stelle zurück auf die Porträts des vergangenen Jahres. Und gerade diesmal lässt sich recht Erfreuliches berichten: Mit vielen Papieren konnten Sie durchaus gut verdienen.
So stellten wir Ihnen nach dem Jahresrückblick in der Januar-Ausgabe im Februar 2009 die E.ON-Aktie als defensives Langfrist-Investment vor. Kaufen konnten Sie das Papier zu Kursen unter 20 € und bis zum Sommer waren bereits über 50% Kursgewinn zu erzielen. Mittel- bis langfristig erscheint der Titel weiterhin sehr interessant.
Gerade einmal rund 22 € kostete die Krones-Aktie bei unserer Vorstellung im März. An der Börse konnte das spekulativere Papier überdurchschnittlich brillieren und im Oktober wurden fast 40 € für eine Aktie bezahlt.
Gelohnt hat sich auch ein Investment in die im April porträtierte Inhaberschuldverschreibung der Deutschen Börse XETRA-Gold. Angeboten zu Kursen um die 20 €, wurden zwischenzeitlich mehr als 26 € erreicht, wobei der schwache US-Dollar einen Teil der Preissteigerungen beim Gold zunichtegemacht hat.
Nach einem kräftigen Kurssturz kostete die Aktie des Porzellanherstellers Villeroy & Boch nach ihrer Vorstellung im Mai 2009 nur noch rund 3,30 €. Der erwartete Turnaround kam und einige Monate später näherte sich die Notierung bereits der 7,00-€-Marke an. Auch nach dem jüngsten Rückgang ist der Aufwärtstrend ungebrochen.
Der Finanzdienstleister MLP bietet seine Leistungen speziell Akademikern an und so nahmen wir die Aktie im Juni-Heft unter die Lupe. In den folgenden Wochen kletterte der Kurs tatsächlich von 8,50 € auf rund 10 €, inzwischen hat jedoch wieder eine gewisse Schwächeneigung Oberhand gewonnen.
Vorrangig unter Langfrist-Aspekten gingen wir im Juli auf die Aktie der Deutschen Börse ein. Spektakuläres war hier nicht zu erwarten und bis heute pendelt das Papier in einer vergleichsweise engen Bandbreite um den damaligen Kurs.
Rund 35 € kostete die Wincor Nixdorf-Aktie, die wir als konservativen Basiswert im August präsentierten. Ein Engagement hat sich zweifellos gelohnt, denn inzwischen notiert das Papier bei rund 47 € und damit mehr als 30% im Plus.
Ausgelöst durch das große Leserinteresse, nahmen wir uns im September der Daimler-Aktie an, der wir das Signet „interessantes Langfristpotenzial“ zubilligten. Große Gewinne waren kurzfristig zwar nicht zu erwarten, aber rund 12% Plus in nur drei Monaten können sich auch hier sehen lassen.
Vergleichbares gilt für die Siemens-Aktie, die wir im Oktober präsentierten. Der Kurs gab zunächst einige Euros nach, jedoch konnte der Rückgang inzwischen mehr als aufgefangen werden und mittel- bis langfristig sehen wir hier weiteres Potenzial.
Zu früh wäre es jetzt, über die Vorstellungen vom November und Dezember zu berichten. Zumindest die Aktie der Deutschen Telekom entwickelte sich jedoch bereits erfreulich und konnte fast 10% zulegen. Zudem überzeugt hier die überdurchschnittliche Dividendenrendite.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(02):11-11