Wertpapier im Test

RWE-Stammaktie


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Das Unternehmen

Im Jahr 1897 schloss die Stadt Essen mit der „Elektrizitäts-Aktien-Gesellschaft vorm. W. Lahmeyer & Co.“ (EAG) einen Vertrag über die Errichtung eines Elektrizitätswerkes. Dies war der Grundstein der 1898 ins Leben gerufenen „Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke AG“, die im Jahr 1902 an ein Konsortium des Ruhrindustriellen Hugo Stinnes verkauft wurde. Ab 1905 erhielten Kommunen die Möglichkeit, sich an RWE zu beteiligen. In den folgenden Jahrzehnten betrieb RWE eine strategische Expansionspolitik, wobei in jüngster Ver­gangenheit neben der Stromversorgung auch die Gas- und – zumindest temporär – die Wasserversorgung eine wichtige Rolle spielten. Mittlerweile fungiert die RWE AG als geschäftsführende Holding von Unternehmen aus dem Versorgungsbereich. Nach der Trennung vom Wassergeschäft im Jahr 2005 zählt RWE heute zu den fünf führenden Strom- und Gasversorgern in Europa. Die Aktivitäten umfassen die Erzeugung, den Handel, den Transport und den Vertrieb von Strom und Gas. Die Geschäftstätigkeit gliedert sich in die sechs Unternehmens­bereiche „RWE Power“ (Strom, Braunkohleförderung), „RWE Innogy“ (Erneuerbare Energien), „RWE DEA“ (Gas und Öl), „RWE Supply & Trading“ (Energiehandel), „RWE Energy“ (Vertriebs- und Netzgesellschaften im Bereich Strom, Gas, Wasser) sowie „RWE npower“ (Strom und Gas in Großbritannien).

Fundamentale Daten

In den vergangenen Jahren konnte der RWE-Konzern seine Umsatz- und Ertragslage kontinuierlich ausbauen. 2008 stieg der Außenumsatz – vorwiegend aufgrund höherer Strom- und Gaspreise – um 15,2% auf 49,0 Mrd. €. Die operative Ertragslage konnte weiter verbessert werden. Das EBITDA erhöhte sich um 5,0% auf 8,3 Mrd. €, das betriebliche Ergebnis wurde um 4% auf 6,8 Mrd. € verbessert. Überdurchschnittliche Steigerungsraten brachte insbesondere die deutsche Stromerzeugung, u.a. durch positive Effekte aus der Wiederinbetriebnahme des Kernkraftwerks Biblis. Belastend wirkte sich u.a. eine stark verringerte Zertifikatezuteilung im CO 2 -Emissionshandel aus. Beim Ergebnis fortgeführter Aktivitäten vor Steuern meldete RWE er­hebliche Einmalbelastungen durch die Trennung von American Water. Entsprechend musste ein Rückgang um 7,2% auf 4,9 Mrd. € verbucht werden. Das Nettoergebnis stellte sich auf 2,6 Mrd. € nach 2,7 Mrd. €. Beim sogenannten nachhaltigen Nettoergebnis wurde ein Plus von 2,8 Mrd. € auf 3,4 Mrd. € dargestellt. Diese Kennzahl errechnet RWE aus dem um wesentliche Einmaleffekte sowie Steuern bereinigten Finanzergebnis.

Im Geschäftsjahr 2009 konnte sich der RWE-Konzern weitgehend von der schwachen Konjunktur abkoppeln. Der Umsatz sank leicht auf 47,8 Mrd. €, das EBITDA wuchs hingegen um 4,4%. Das Nettoergebnis stieg um fast 40% auf 3,6 Mrd. € und lag etwas über der Prognose für 2009. Das Plus beim nachhaltigen Nettoergebnis lag bei knapp 6% auf 6,63 € je Aktie. Die Eigen­kapitalrentabi­lität wur­de von 20,7% auf 28,5% ver­bessert. Auf dieser Basis er­rechnet sich der Di­videnden­vorschlag von 3,50 € pro Aktie.

Auch für die weitere Entwicklung sieht sich der RWE-Konzern günstig positioniert. Allein die Tatsache, dass das Un­ternehmen die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt und zudem über einen sehr breiten Markt verfügt, sollte solide, wenn auch keineswegs spektakuläre Wachstumsraten sicherstellen. Allerdings besteht eine erhebliche Abhängigkeit von staatlichen Regulierungsmaßnahmen und Beschlüssen. Hier sind insbesondere Themen wie der Kernkraftausstieg sowie die Förderung erneuerbarer Energien derzeit wichtig. Beim betrieblichen Ergebnis erwartet RWE in den kommenden Jahren Steigerungsraten von 5% bis 10%, beim nachhaltigen Nettoergebnis wird von einem Plus von durchschnittlich ca. 5% ausgegangen. Die Dividenden der kommenden Geschäftsjahre bis einschließlich 2013 sollen im jeweiligen Vorjahresvergleich mindestens stabil und im Rahmen der regulären Ausschüttungsquote von 50% bis 60% des nachhaltigen Nettoergebnisses bleiben.

Charttechnische Daten

Die Kursentwicklung der RWE-Aktie verläuft in vergleichsweise langfristigen Pha­sen: Zwischen 1988 und 1998 kam es zu einem konti­nuierlichen Anstieg von unter 10 € auf über 50 €, dem schloss sich ein Rückgang auf weniger als 20 € im Jahr 2003 an. Aus­gelöst u.a. durch die positive Börsenentwicklung, kletterte der Kurs in der Folge wieder auf rund 100 €, jedoch geriet das Papier in der Baisse des Jahres 2008 abermals erheblich unter Druck. Mittlerweile kam es jedoch zu einer erneut positiven Entwicklung, in der auch der – bei dieser Aktie be­sonders wichtige – Gleitende 200-Tage-Durchschnitt nach oben durchbrochen wurde. Aus charttechnischer Sicht hat das Papier weitere Wachstums­chancen, solange sich die Notierung über dieser Durchschnittslinie halten kann.

Gesamtmarkttrend

Nachdem der Deutsche Aktienindex DAX an der psychologisch bedeutenden Marke von 6.000 Punkten vorerst gescheitert war, kam es in den vergangenen Wochen zu einer deutlichen Konsolidierung. Belastungen ergaben sich insbesondere im Vorfeld der Veröffentlichung der Jahres­ergebnisse für 2009. Zumindest charttechnisch ist der Aufwärtstrend jedoch weiterhin intakt. Sollte es zu keinen Störungen von fundamentaler Seite kommen, bestehen durchaus Aussichten, dass die 6.000-Punkte-Marke in absehbarer Zeit erneut in Angriff genommen werden kann.

Fazit

Die RWE-Aktie ist ein solider Basiswert mit interessanten Langfristperspektiven.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(06):12-12