Staatsanleihen

Dem „sicheren Hafen“ droht schwerer Sturm


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Geht es um Sicherheit, stehen sie bei zahlreichen Anlegern hoch im Kurs: Staatsanleihen, etwa aus Deutschland, gelten als absoluter Garant für planmäßige Zins- und Tilgungszahlungen. Doch mittler­weile mehren sich auch im europäischen Raum die Unsicherheiten.

Die Finanzkrise hat tiefe Spuren in den staatlichen Haus­halten hinterlassen: Seit Mitte 2007 sind die weltweiten Staatsschulden um 45% auf aktuell knapp über 50 Bio. US-$ angewachsen – so viel wie noch nie in der Geschichte.

Und ein Ende der Schuldenspirale ist nicht in Sicht: Zwar hat sich die konjunkturelle Entwicklung mittlerweile weltweit stabilisiert, dennoch verharren die Steuereinnahmen in den meisten westlichen Ländern auf niedrigem Niveau. Denn jetzt greifen die zahlreichen Steuersenkungsprogramme, die oftmals in aller Eile beschlossen wurden. Gleichzeitig steigen die Ausgaben, da hier weitere Stützungsmaßnahmen sowie die ebenfalls schnell entwickelten Konjunkturprogramme für höhere Verbindlichkeiten sorgen.

Bereits zugespitzt hat sich die Lage in Ländern, deren Staatsverschuldung schon vor der Finanzkrise besorgniserregende Dimensionen erreicht hatte. Spitzenreiter Griechenland etwa befindet sich in einer ernsthaften wirtschaftlichen Schieflage: Rund 13% Haushaltsdefizit und 125% Staatsverschuldung, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, sind Signale, die auf einen möglichen Staatsbankrott hindeuten können. Schon jetzt bringen zehnjährige Staatsanleihen mit 6,6% rund doppelt so hohe Zinsen wie vergleichbare Titel aus Deutschland. Aber auch in Portugal, Irland, Italien und Spanien herrscht zunehmend Besorgnis, ob die Regierungen ihren Verpflichtungen dauerhaft nachkommen können.

Insolvenz eines Staates

Selten ist ein solcher Staatsbankrott in der Geschichte keineswegs: Zwischen 1550 und 1800 war Frankreich achtmal und Spanien sechsmal pleite. 1811 kam Österreich an die Reihe, 1813 Dänemark, 1876 das Osmanische Reich und 1918 weigerte sich die Sowjetregierung, die Schulden des Russischen Reichs zu übernehmen. In Deutschland kam es 1923 als Spätfolge des Ersten Weltkriegs und 1948 als Folge des Zweiten Weltkriegs zu Währungsreformen. In der jüngsten Geschichte sind Argentinien im Jahr 2002 sowie Island im Jahr 2008 zu nennen, selbst wenn im zweiten Fall lediglich Anleihen ver­staatlichter Banken nicht zurückgezahlt werden konnten.

Dem Anleger stellt sich nun die Frage, wie groß die Gefahren eines neuerlichen Geldverlustes aktuell sind. Schließlich hat der Euro eine gewisse Sondersituation geschaffen: Vor seiner Einführung hatten Länder wie z.B. Griechenland die Möglichkeit, über währungspolitische Maß­nahmen den Bankrott zumindest hinauszuzögern. Selbst im Insolvenzfall war lediglich eine lokale Währung betroffen. Hingegen ist man heute in den Euro-Währungsraum eingebunden. Schon jetzt haben die EU und andere internationale Institutionen Griechenland einen strengen Sparkurs „verordnet“ und gleichzeitig entsprechende Hilfen zugesagt. Mittlerweile ist davon auszugehen, dass diese Versprechen auch eingehalten werden. Denn ein Auseinanderfallen der EU-Länder wäre ein Politikum, das man sich heute nicht mehr erlauben kann.

Garantien dafür gibt es freilich nicht und so sind Anleger gut beraten, ihr Depot entsprechend auszurichten. Kaum Risiken sind – nach derzeitigem Ermessen – etwa mit deutschen Staatspapieren verbunden, hingegen ist der Zins­zuschlag etwa bei Griechenland-Bonds als gewisse „Zitterprämie“ zu sehen. Entsprechende Anleihen sind zwar eine interessante Möglichkeit der Renditesteigerung, bergen aber auch nicht zu unterschätzende Risiken.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(07):13-13