Steuer-Spartipp

Vorsteuerabzug für die Privatwohnung


Helmut Lehr

Mit dem „Seeling-Modell“ ist es möglich, die Umsatzsteuer aus der Errichtung des privaten Wohnhauses beim Finanzamt als Vorsteuer geltend zu machen, sofern das Objekt zu mindestens 10% auch für unternehmerische Zwecke genutzt wird. Ermöglicht hat diese Gestaltung ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs1).

Hinweis: Für Apotheker bietet sich der volle Vorsteuerabzug aus der Objekterrichtung an, wenn sich z.B. im Untergeschoss die Apotheke und im Obergeschoss die Privatwohnung befindet oder wenn ein für die selbstständige Tätigkeit genutztes Arbeitszimmer in der Privatwohnung vorgehalten wird.

Umsatzsteuerrechtliche Behandlung

Wer sich für dieses Modell entscheidet, spart zunächst die Umsatzsteuer auf die Baukosten für die eigene Wohnung und ist folglich nur mit den „Nettokosten“ belastet2). Fortan muss die private Wohnungsnutzung als unentgeltliche Wertabgabe („Eigen­verbrauch“) umsatzversteuert werden. Dabei werden u.a. die Anschaffungs-/Herstellungskosten pro Jahr mit 1/10 als Bemessungsgrundlage berücksichtigt. Der anfängliche Vorsteuervorteil wird dadurch innerhalb von zehn Jahren durch fortlaufende Umsatzsteuerbelastungen „zurückgedreht“. Unter dem Strich bleibt jedoch ein mitunter stattlicher Liquiditätsvorteil in Höhe der Vorsteuer für die Privatwohnung – auch durch die zum Teil ersparte Fremd­finanzierung.

Hinweis: Die Finanzverwaltung hat inzwischen bestätigt, dass eine spätere Entnahme der Wohnung aus dem Un­ternehmensvermögen ohne zusätzliche Umsatzsteuerbelastung möglich ist. Als problematisch könnte sich jedoch eine (eventuell mittelfristig bevorstehende) Umsatzsteuersatzerhöhung erweisen. In diesem Fall unterläge die fortlaufende „Eigenverbrauchsbesteuerung“ womöglich einem höheren Steuersatz als dem ursprünglich für den Vorsteuerabzug maßgebenden. Allein dies könnte den anfänglichen Vorteil in einen handfesten Nachteil verkehren.

EU stoppt das Gestaltungsmodell

Schon seit längerer Zeit ist beabsichtigt, dem Seeling-Modell einen Riegel vorzuschieben3). Dies steht nun unmittelbar bevor. Die auch für das deutsche Umsatzsteuerrecht maßgebende Mehrwertsteuersystemrichtlinie der EU wurde zwischenzeitlich entscheidend geändert4). Danach darf künftig nur noch diejenige Vorsteuer abgezogen werden, die auf den unternehmerisch genutzten Gebäudeteil (z.B. Apotheke oder Arbeitszimmer) entfällt. Der anfängliche Liquiditätsvorteil entfällt, ebenso wie die dann nicht mehr erforderliche Umsatzversteuerung der Nutzung der Privatwohnung.

Die Zeit drängt

Die Mitgliedstaaten müssen die neuen Vorgaben bis zum 1. Januar 2011 in nationales Recht umsetzen. Ob und in welcher Form der deutsche Gesetzgeber eine Übergangsregelung vorsieht, ist derzeit noch offen. Wer das Seeling-Modell jetzt noch erstmals nutzen möchte, muss sich beeilen. Ob die Umsetzung überhaupt sinnvoll ist, sollte in jedem Fall mit einem steuerlichen Berater erörtert werden. Wegen der aktuellen Finanznot der öffentlichen Haushalte sollte dabei auch eine mittelfristige Umsatzsteuersatzerhöhung nicht außer Acht gelassen werden. Mög­licherweise wird eine Übergangsregelung geschaffen, die einen vollen Vorsteuerabzug noch bei Baubeginn/Erwerb vor dem 1. Januar 2011 vorsieht. Sicher ist dies allerdings keineswegs.

1) Vgl. Urteil vom 8. Mai 2003, Rechtssache C-269/00 - Wolfgang Seeling -.
2) Vgl. AWA-Ausgabe Nr. 17 vom 1. September 2004, Seite 12 bis 14.
3) Vgl. AWA-Ausgabe Nr. 6 vom 15. März 2008, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 18.
4) Vgl. Richtlinie 2009/162/EU vom 22. Dezember 2009.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(07):17-17