Rationalisierung in der Apotheke

Erfolg mit Kommissionierautomaten


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Mittlerweile verlassen sich rund 10% der deutschen Apotheken auf die Unterstützung durch einen Kommissionierautomaten. Die Verkaufszahlen weisen weiter nach oben, insbesondere bei Neugründungen ist der Automat fast schon Standard. Eine ungetrübte Erfolgsstory?

Die Geschichte der Kommis­sionierautomaten währt inzwischen rund 15 Jahre. Hatten die ersten Geräte noch mit allerlei Unzulänglichkeiten zu kämpfen, so hat sich die Branche inzwischen professio­nalisiert. Erprobte Standardkomponenten bestimmen das Bild und die Anbindung an die etablierten Apotheken-EDV-Systeme funktioniert ordentlich.

Bei Neugründungen günstigere Kosten

Das Automaten-Neugeschäft wird heute zu einem guten Teil von Apotheken-Neu­grün­dun­gen getragen. Hier ist der Ausrüstungsgrad überdurchschnittlich hoch. Das ist insoweit sinnvoll, als bei einer Neugründung das gesamte La­denlayout bereits auf den Automaten abgestimmt wird. Zudem kann man von vorn­herein auf Schubsäulen weitgehend verzichten, wodurch sich die Anschaffungskosten relativieren.

Bei den Anbietern herrscht in­zwischen ein reger Wettbewerb. Neben dem Marktführer Rowa (Marktanteil geschätzt etwa 75%) bestimmt eine gute Handvoll weiterer Her­steller die Szene, wie eine Google-Abfrage mit den Begriffen „Kommissionierautomat“ und „Apotheke“ zeigt. Die rei­nen Gerätepreise – ab cir­ca 80.000 € – sind überschaubarer geworden. Die Unterschiede liegen im Detail, von Bedeutung sind vor allem:

  • die Art der Warenaufgabe in das Gerät – manuell oder automatisiert,
  • das Prinzip der Lagerung sowie die Technik und die Zahl der Greifarme für das Herausgreifen der einzelnen Packungen,
  • die Grenzen der Verar­beitbarkeit der Packungen nach Abmessungen und Gewicht,
  • Sonderfunktionen wie Kühlartikel und die rechtlich umstrittene Betäubungsmitteleinlagerung.

Somit ergeben sich unter dem Strich gewisse Unterschiede in der Geschwindigkeit und, noch wichtiger, in der Raumausnutzung und der Fassungskapazität.

Ganz wesentlich ist die Zuverlässigkeit, ist man doch dem Gerät ziemlich ausgeliefert. Das prinzipiell mögliche manuelle Herauspicken von Packungen ist in der Tat nur ein Notbehelf. Die angegebenen Zuverlässigkeitsraten liegen im Bereich von 99,8% bis 99,9%, was aber nicht allzu viel aussagt. Praktisch steht so ein Automat im Schnitt vielleicht einmal im Jahr still und wird dann im Laufe des Tages wieder „flott gemacht“. Manche Kollegen haben etwas höhere Ausfallraten (vor allem in der Anfangsphase), andere noch niedrigere. Insgesamt ist die Technik aber nicht sehr kompliziert. Wichtig ist jedoch eine sorgfältige Wartung und ggf. der rechtzeitige Austausch von Verschleißteilen, insbesondere von hoch beanspruchten bewegten Komponenten.

Erfolgsgeheimnis Kommissioniergrad

Die effektive Arbeitsweise mit einem Lagerautomaten steht und fällt mit dem Anteil sowie der absoluten Zahl der Packungen, die tatsächlich kommissioniert werden können. Es liegt auf der Hand, dass sich die Arbeitserleichterung in Grenzen hält, wenn z.B. in einer sehr frei- und sichtwahlorientierten Lauflagenapotheke nur jede dritte Packung über den Roboter läuft, der Rest hingegen manuell bewegt werden muss.

Ebenso ist zumindest kaufmännisch eine sechsstellige Investition zweifelhaft, wenn in einer kleinen Landapotheke nur 150 Packungen am Tag umgesetzt werden, davon vielleicht die Hälfte oder zwei Drittel mittels Automat. Hier kommen der Komfortaspekt (weniger Lauferei) sowie eine zuverlässigere Warenausgabe zwar ebenfalls zum Tragen. Gleichwohl kann sich der Anschaffungspreis über Einsparungen nicht amortisieren, da in einer so kleinen Apotheke mit Minimalbesetzung meist nicht mehr viel Personal einzusparen ist. Sollten sich die wirtschaftlichen Bedingungen weiter eintrüben, stellt sich die Frage der Existenzfähigkeit solcher Kleinapotheken grundsätzlich – ein Automat kann den Niedergang dann auch nicht aufhalten.

Welcher Anteil des Warenstroms letztlich automatisiert wird, hängt freilich auch vom Betreiber ab. Hier gibt es einige Spielarten:

  • Im klassischen Modell werden möglichst viele Artikel des Generalalphabets – die „Rennware“ – einge­lagert und automatisiert. Ohne Zweifel liegen hier die größten Rationalisierungsreserven, dies ist das Kernstück der Warenfluss-Automatisierung.
  • Im erweiterten Modell werden große Teile der Sichtwahl mit eingelagert. Der Grund liegt hier weniger in einer Minimierung der „Rennzeit“ (die Ware kann ja schließlich im HV aus den rückwärtigen Regalen gegriffen werden); vielmehr soll das Warenhandling wie Annahme, laufende Bestands- und Verfallkontrolle etc. zentralisiert werden.
  • Diesem Gedanken der Zentralisierung folgend, werden sogar kommissionierbare Packungen der Freiwahl dem Automaten übergeben und im Be­darfsfall zur Auffüllung der Regale ausgelagert.
  • Im letzten Schritt wird Übervorratsware eingelagert. Damit vermeidet man es, eine Packung mehrfach in die Hand zu nehmen, da nicht mehr zwischen verschiedenen Lagerorten umgelagert werden muss.

Wie weit man dieser Einlagerungskaskade folgt, muss individuell analysiert und ggf. ausprobiert werden. Voraussetzung ist stets eine ausreichende Lagerkapazität im Gerät. Da die größere Variante, gemessen am Gesamtinvestitionsvolumen, meist nicht allzu viel mehr kostet, ist es sinnvoll, den Automaten großzügig zu dimensionieren – sofern genügend Platz da ist.

Zudem sei empfohlen – sofern möglich –, auf eine Deckenhöhe von über 3,50 m im entsprechenden Backoffice-Bereich zu achten. Gerade in Einkaufscentern hat man oft Spiel­raum beim Abhängen der Decke. Nutzen Sie ihn, denn die Lagerkapazität verbessert sich enorm, wenn man weiter in die Höhe gehen kann.

Falls Sie die Wahl haben, versuchen Sie stets, entweder ebenerdig ein- und auszu­lagern oder aber den Warenfluss von oben nach unten, der Schwerkraft folgend, zu führen. Aus dem Keller jede Packung hinauf zu fördern, ist wesentlich aufwendiger. Je nach Architektur und speziellen Gegebenheiten kann die Fördertechnik aber ganz erhebliche Zusatzkosten verursachen.

Durch eine Workflowanalyse (siehe hierzu AWA -Ausgabe Nr. 8 vom 15. April 2010, Seite 5 bis 7) können Sie zudem den Warenströmen im Vorfeld auf die Spur kommen und wissen damit, wo welche Rationalisierungspotenziale liegen.

Einsparpotenziale

Rein kaufmännisch rechnet sich so ein Gerät vor allem durch das viel effizientere Warenhandling. Diese Einsparungen im Backoffice-Bereich sind quasi der betriebswirtschaftliche Pflichtteil, der die Kapital- und Wartungskosten weitgehend abdecken sollte. Insbesondere die Einlagerung ist aber ein kritischer Punkt. Wer oft große Sendungen einzulagern hat, sollte darauf achten, dass dies schnell vonstatten gehen kann und nicht jede Packung einzeln einsortiert werden muss. Hier gibt es verschiedene „Vorschaltlösungen“, welche die Einlagerung entscheidend verkürzen. Sind die Packungen erst einmal eingelagert, entfalten sich Vorteile wie z.B. die außerordentlich vereinfachte Pflege des Warenlagers (einschließlich der Ladenhüterbereinigung) oder das Ein- und Auslagern ganzer Sortimente.

Die betriebswirtschaftliche Kür resultiert aus dem HV- Betrieb. Wie viel hier wirklich eingespart werden kann, hängt ganz wesentlich von der Ausgangslage ab. Wer über sehr fleißige, schnell und effektiv arbeitende Mitarbeiter verfügt, hat weniger Rationalisierungspotenzial als eine Apotheke, in der noch vieles brachliegt. Weitere Kriterien sind das Verhältnis von Rezept- zu Barkunden (bei den Rezeptkunden ist der Einspar­effekt meist am größten) sowie die Packungsstruktur, d.h. die Zahl der abgesetzten Packungen aus Frei- und Sichtwahl sowie Generalalphabet.

Garantieren kann man hingegen eine Entzerrung des HV-Betriebs in Stoßzeiten. Kommissionierautomaten benötigen pro Packung meist nur etwa 10 bis 20 Sekunden bis zur Auslagerung an den HV-Tisch. Somit ist es möglich, mit gleicher Personalbesetzung einen größeren Kundenansturm zu bewältigen. Jeder HV-Mitarbeiter „schafft“ also mehr Kunden pro Stunde – das Plus kann bei über 30% liegen. Auch im Routinebetrieb wird durchweg von einer ru­hige­ren, konzentrier­teren Arbeitsweise berichtet, was sich freilich schwer in nüchterne Zahlen kleiden lässt. Je höher die Personalbelastung und je größer die täglichen Kundenzahlen, umso stärker macht sich der Entlastungseffekt bemerkbar.

Ebenfalls nicht zu vernachlässigende Argumente für einen Automaten sind die Minimierung von Lagerfehlern sowie der Raumgewinn für zusätzliche Verkaufsfläche.

Geräteauswahl

Bei der Auswahl entscheiden neben den Leistungsdaten vor allem die laufenden Kosten. Sie können sich über die Lebensdauer des Geräts fast zu einem „zweiten Kaufpreis“ auswachsen. Vergleichen Sie daher die Alternativen Kauf, Mietkauf sowie Leasing und unterscheiden Sie zwischen den Kapitalkosten bzw. Leasinggebühren und den reinen Wartungs- und Betriebskosten.

Leasingverträge sind ein Fall für sich, hier lohnt das intensi­ve Studium der Bedingungen. Dies beginnt beim Leasinggeber (oft werden spezielle Leasingfirmen eingeschaltet) und geht bis hin zur Laufzeit und der Frage, was eigentlich am Ende des Vertrags passiert: Übernahme des Automaten zu welchem Restwert? Rückgabe und Tausch in ein anderes Gerät? Und vieles mehr...

Selbst der Energieverbrauch ist nicht zu verachten. Ältere Systeme weisen auch im inaktiven Zustand einen spürbaren Grundverbrauch auf. Neuere Automaten sind hier ökono­‑ mi­scher. Dennoch ergibt eine Kilowattstunde mehr oder weniger Leistungsbedarf auf 3.000 oder 4.000 Betriebs-stunden im Jahr gerechnet und multipliziert mit der Zahl der Betriebsjahre ebenfalls einen beachtenswerten Betrag.

Die Entscheidung für einen so tiefen Eingriff in die Apotheke sollte von Langfristigkeit und Vertrauen in den Hersteller geleitet sein. Wir reden über Zeiträume von mindestens acht bis zehn Jahren, in denen der Anbieter bereitstehen sollte. Denn ein Wechsel kann teuer werden.

Politische Aspekte

Ohne Frage hat die Automatisierung politische Dimensio­nen, wie Abgabeterminals (Vi­savia) oder die Videokabine Co­Box zeigen. Sie führen vor Augen, dass es technisch möglich ist, bedeutende Teile der Apothekenarbeit zu automatisieren bzw. aus der Ferne zu steuern. Zudem werden damit neue Benchmarks bei den Handling- und Logistikkosten gesetzt. Automaten werden so immer mehr ein Quasi-Stan­dard, um auf der Kostenseite konkurrieren zu können. Vielleicht führt dies eines Tages sogar zu einer Differenzierung des Honorars in einen dank Rationalisierung niedri­gen Lo­gistik- und einen höher be­zahlten Dienstleistungsanteil.

Damit einher schreitet eine weitgehende Technikabhängigkeit, die allerdings andere Bereiche ebenfalls erfasst hat. Somit kommt es langfristig weniger auf das „Ob“ der Automatisierung an, sondern auf das „Wie“ und den Umgang damit. Die Absatzzahlen der Automatenhersteller dürften garantiert sein.

Dr. Reinhard Herzog,
Apotheker, 72076 Tübingen,
E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Checkliste

Ein Excel-Blatt zur betriebswirtschaftlichen Analyse der Automatisierung finden Sie hier

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(09):5-5