Apothekenrecht

Zuwendungen von Apotheken an Ärzte


Dr. Bettina Mecking

§ 128 SGB V verbietet im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung fragwürdige Formen der Zusammenarbeit mit Ärzten bei der ambulanten Arznei- und Hilfsmittelversorgung. Davon ist auch das Verhältnis der Apotheken zu Ärzten betroffen.

Die unzulässige Zusammen­arbeit zwischen Leistungserbringern im Gesundheitsmarkt und Vertragsärzten, Ärzten in Krankenhäusern und medizinischen Versorgungseinrichtungen soll über § 128 SGB V sozialrechtlich unterbunden werden. Im Zuge der 15. AMG-Novelle wurde 2009 der ursprünglichen Fassung des § 128 SGB V ein neuer Absatz 6 angefügt, der die bis dahin nur für die Hilfsmittelversorgung eingeführten Beschrän­kungen auf die Versorgung mit Arzneimitteln ausdehnt. Der personelle Anwendungsbereich wurde ausdrücklich auf Apotheken sowie pharmazeutische Unternehmer und Großhändler erweitert.

In den Anwendungsbereich des § 128 SGB V fallen solche Vertriebsstrukturen in der Arznei- und Hilfsmittelversorgung, bei denen die Gefahr besteht, dass die Freiheit des gesetzlich krankenversicherten Patien­ten eingeschränkt wird, bei der Einlösung seiner ärztlichen Verordnung zwischen verschiedenen Leistungserbringern zu wählen.

Relevanz für die Apothekenpraxis

Die mit der Einführung des § 128 SGB V geschaffenen Verbotstatbestände umfassen alle Handlungen, Rechtsgeschäfte und Vereinbarungen, bei denen die Apotheke die Patienten gemeinsam mit einem Arzt über Depots oder gegen Gewährung eines wirtschaftlichen Vorteils versorgt. Inhaltlich enthält § 128 SGB V vier Verbote:

  • Depotverbot,
  • Beteiligungsverbot,
  • Zuwendungsverbot,
  • Verbot der Vergütung für zusätzliche privatärztliche Leistungen.

Mit dem Depotverbot soll die Abgabe von Arznei- oder Hilfs­mitteln über Depots bei einem Vertragsarzt, einem Krankenhaus oder einer sonstigen medizinischen Einrichtung unterbunden werden. Erlaubt ist die Depotabgabe nur in der Notfallversorgung und im Rahmen interdisziplinärer Kooperationsmodelle wie der integrierten Versorgung. Praxis- und Sprechstundenbe-darf sind jedoch gesetzes­konforme Vorratshaltungen.

Nach dem Beteiligungsverbot dürfen Leistungserbringer Ärzte nicht gegen Entgelt oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile an der Durchführung der Versorgung beteiligen. Es dürfen also seitens der Leistungserbringer keine Anreize für das Eingehen verkürzter Versorgungswege geschaffen werden. Betroffen ist besonders der Homecare-Bereich im Übergang zwischen Krankenhaus und Entlassung in den häuslichen Bereich.

Ferner besteht ein Verbot der unmittelbaren Vergütung für gegenüber GKV-Versicherten zusätzlich erbrachte privatärztliche Leistungen durch die Leistungserbringer.

Von besonderer praktischer Relevanz ist das Zuwendungsverbot, von dem sämtliche Zuwendungen in Form von Geld oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteilen im Zusammenhang mit der Verordnung von Arznei- und Hilfsmitteln erfasst sind. Unter wirtschaftlichen Vorteilen sind nach dem Gesetzestext neben Entgelten und Provisionen auch die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Geräten und Materialien, die Durchführung von Schulungsmaßnahmen, die Stellung von Räumlichkeiten oder Personal sowie die Beteiligung an den Kosten der zuvor genannten Zuwendungen zu verstehen.

Wirtschaftliche Vorteile, die in keinem kausalen Zusammenhang mit einem konkreten Verordnungsverhalten des Arztes stehen, sind jedoch nicht von dem Verbot erfasst.

Schwierige Abgrenzung

Erforderlich ist jeweils eine Einzelfallprüfung bezüglich des Zuwendungscharakters und des Zusammenhangs zum Verordnungsverhalten. Zulässig sind nicht an Bedingun-gen geknüpfte Mietkostenzuschüsse als Standortsiche­rungsmaßnahme. Eine Koppelung mit dem Umsatz ist nicht erlaubt. Wenn die Apotheke und die von ihr unterstützte Arzt­praxis nicht im selben Gebäude, sondern in erheblicher Entfernung voneinander liegen und sich eine andere Apotheke in unmittelbarer Nähe der Arztpraxis befindet, könnte eine unzulässige Einflussnahme im Raum stehen. Es dürfte für eine Apotheke jedoch erlaubt sein, ihren Hauptverschreibern eine maß­volle finanzielle Unterstützung zu Umzugskosten oder Inves­titionen zu gewähren, wenn dies als adäquate Exis­tenzsicherung einzustufen ist.

Sanktionsmöglichkeiten

§128 SGB V sieht selbst keine Sanktionsmöglichkeiten vor. Die Krankenkassen sind nur aufgefordert, vertraglich sicherzustellen, dass Verstöße gegen die Verbote angemessen geahndet werden. Eine Sanktionierung ist künftig möglich, wenn diese in den Arznei- und Hilfsmittelversorgungsverträgen vorgesehen ist. Bei schwerwiegenden und wiederholten Verstößen ist als Obergrenze ein Ausschluss von der Leistungserbringung für bis zu zwei Jahre möglich. Rechtsgeschäfte, die gegen die gesetzlichen Verbote in § 128 SGB V verstoßen, sind nichtig, was bei Versorgungen zulasten der GKV zu einem Wegfall des Vergütungsanspruchs führen kann.

§ 128 SGB V ergänzt die bestehenden Regelungen des Straf-, Berufs- und Wettbewerbsrechts, die sowohl das Gewähren als auch das Annehmen von Vorteilen betreffen. Strafrechtlich geht es z.B. um Bestechung, Bestechlichkeit und Vorteilsannahme, wobei das OLG Braunschweig (vgl. AWA -Ausgabe Nr. 9 vom 1. Mai 2010, Seite 4) in niedergelassenen Ärzten Beauftragte der Krankenkasse im Sinne des § 299 StGB sieht, sodass die Einflussnahme auf diese medizinischen Entscheidungsträger je nach Blickrichtung als Bestechlichkeit bzw. Bestechung strafbar sein könnte. Daher verstoßen Apotheker, die mit einer finanziellen Zuwendung an Ärzte auf eine konkrete Patientenbeeinflussung abzielen, nicht nur gegen die §§ 10, 11 Apothekengesetz, sondern müssen bei entsprechender Beweislage eine Anklage wegen Bestechung befürchten.

Diskutiert wird, ob Apotheker auch selbst Zielobjekt einer Bestechung werden können. Die hierfür gemäß § 299 StGB erforderliche Beauftragtenstellung des Apothekers wird zum Teil bejaht, da dieser ökonomisch „Agent“ der Krankenkasse sei. Hingegen wird überwiegend vertreten, der Apotheker werde auf der Grundlage der Arzneimittelversorgungsverträge nicht „für“ die, sondern „gegen­über“ der Krankenkasse tätig.

Zusätzlich regeln die §§ 30 bis 35 der ärztlichen Musterberufsordnung die Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit bei der Zusammenarbeit mit Dritten bereits hinreichend klar. Danach dürfen Ärzte, gleich ob sie in einer eigenen Praxis oder in anderen Einrichtun-gen freiberuflich oder als Angestellte tätig sind, keine Zuwendungen für die bloße Zuweisung von Patienten oder die Abgabe bzw. Empfehlung von Produkten durch Hersteller oder Vertriebsgesellschaften erhalten.

§ 128 SGB V dürfte auch eine Verbotsnorm im Sinne des Wettbewerbsrechts darstellen. Bei einem Verstoß gegen § 128 SGB V liegt automatisch auch ein Wettbewerbsverstoß vor, der ggf. einen Unterlassungsanspruch nach Maßgabe des UWG begründen kann.

Die Verbotstatbestände des § 128 SGB V sowie die bestehenden straf-, berufs- und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften schränken die zu­lässige Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern – wie etwa Apothekern – und Ärzten ein. Die Möglichkeit der Kooperation ist allerdings nicht in jedem Fall ausgeschlossen. Wegen der schwierigen Abgrenzungsprobleme empfiehlt es sich aber, eine entsprechende Zusammenarbeit noch gründlicher als bisher zu überprüfen.

Dr. Bettina Mecking, Justiziarin
der Apothekerkammer Nord­rhein,
Fachanwältin für Medizinrecht,
40213 Düsseldorf,
E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(10):9-9