Steuer-Spartipp

Fortbildungs-/Reisekosten: Aufteilung


Helmut Lehr

Der Große Senat des Bundesfinanzhofs stellte in seinem wegweisenden Beschluss vom 21. September 20091) klar, dass es kein „Aufteilungs- und Abzugsverbot für gemischt veranlasste Kosten“ gibt2). Deshalb sind Fortbildungs-/ Reisekosten selbst dann zu­­­­‑ min­dest anteilig als Werbungs­kosten oder Be­triebs­­ausgaben abzugsfähig, wenn die Reise zum Teil privat mitveranlasst war bzw. anlässlich einer „beruflichen“ Reise auch private Unternehmungen stattfanden. Zwischenzeitlich hat­te das oberste deutsche Steuergericht wiederholt Gelegenheit, seine neue Rechtsprechung zu präzisieren und der Praxis nähere Vorgaben zu machen.

Fall 1: Lehrergruppenreise

Eine Gymnasiallehrerin für Englisch und Religion hatte Reisekosten geltend gemacht, die ihr anlässlich einer acht­tägigen Fortbildungsreise für Englischlehrer nach Dublin entstanden waren. Das Reiseprogramm sah u.a. eine Stadtrundfahrt in Dublin, diverse Vorträge zu kulturellen und sozialpolitischen Themen, den Besuch einer Theateraufführung, einen Tagesausflug nach Belfast und einen „Dublin Literary Pub Crawl“ vor.

Weil das Finanzgericht noch nach „alter Rechtslage“ entschieden und überhaupt keine Kosten anerkannt hatte, hob der Bundesfinanzhof3) das Urteil der Vorinstanz auf. Das Finanzgericht muss nun prüfen, inwieweit die Reise tatsächlich beruflich veranlasst war. Dabei gelten nach Ansicht des Bundesfinanzhofs auch weiterhin die bereits früher entwickelten Abgrenzungsgrundsätze für Auslandsgruppenreisen. Demnach muss festgestellt werden, ob die Reise

  • von fachlicher Seite organisiert,
  • das Programm auf die Teilnehmer zugeschnitten und
  • der Teilnehmerkreis im Wesentlichen homogen war4).

Hinweis: Nach aktueller Auffassung des Bundesfinanzhofs ist es steuerrechtlich unschädlich, wenn die beruflich gewon­nenen Erkenntnisse auch im privaten Bereich verwendet wer­den können. Außerdem steht der Abzugsfähigkeit der Kosten nicht entgegen, dass ein Beruf u.U. Aufwendungen erfordert, die für andere Steuerpflichtige private Kosten sind.

Fall 2: Sportmedizinerkurs

Ein angestellter Unfallchirurg beantragte den Werbungskostenabzug für einen sportmedizinischen Wochenkurs am Gar­dasee. Frühmorgens und spätnachmittags standen Vorträge auf dem Programm, während die Zeit zwischen 9:15 Uhr und 15:45 Uhr der Theorie und Praxis verschiedener Sportarten gewidmet war. Der Arzt wurde von seinem Arbeitgeber für diese Maßnahme freigestellt.

Der Bundesfinanzhof 5) bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, die einen hälfti­gen Werbungskostenabzug zuge­standen hatte. Er hätte wohl auch einen höheren Anteil der Reise-/Bildungskosten als beruflich veranlasst anerkannt, war aber als Revisionsinstanz verfahrensrechtlich an die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts gebunden.

Hinweis: Das Urteil zeigt, dass es die Steuerpflichtigen selbst in die Hand nehmen müssen, einen möglichst hohen Anteil berufli­cher/betrieblicher Veranlassung nachzuweisen bzw. glaubhaft darzulegen. Es ist auch möglich, „Pro­gramm­punk­te“ unterschiedlich zu ge­wichten, wenn dies der tatsächlichen (beruflichen/betrieblichen) In­teressenlage entspricht. Kommt man zu dem Ergebnis, dass die privat veranlassten Teile weniger als 10% ausmachen (insbesondere unter zeitlichen Gesichtspunkten), ist ein vollständiger Kostenabzug anzustreben.

1) Aktenzeichen GrS 1/06.
2) Vgl. AWA-Ausgabe Nr. 3 vom 1. Februar 2010, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 18.
3) Vgl. Urteil vom 21. April 2010, Aktenzeichen VI R 5/07.
4) Vgl. bereits AWA-Ausgabe Nr. 7 vom 1. April 2007, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 18.
5) Vgl. Urteil vom 21. April 2010, Aktenzeichen VI R 66/04.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(13):17-17