Kinderlebensversicherungen

Schöne Zahlen auf dem Papier


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Ob Geburt, Einschulung oder Konfirmation: Finanzdienstleister stehen meist schon parat, um den Eltern die „passenden“ Produkte für den Nachwuchs anzupreisen. Wirklich lohnend sind jedoch nur die wenigsten der angebotenen Versicherungen.

Verlockend war das Angebot allemal: Rund 920.000 € sollten dem neugeborenen Kind an seinem 65. Geburtstag zur Verfügung stehen. Einzige Voraussetzung: eine Lebensversicherung, abgeschlossen zur Geburt, mit 65 Jahren Laufzeit und 50 € Monatsbeitrag. Die Rente – so sug­gerierte der redegewandte Vertreter – sei mit dieser Gesamteinzahlung von gerade einmal 39.000 € schon sichergestellt.

Große Verluste bei vorzeitiger Kündigung

In letzter Zeit häufen sich derartige Offerten. Doch das Geschäft macht in erster Li­nie der Vermittler: Seine Provision richtet sich vorrangig nach der Höhe der Beiträge. Zwischen 2.500 € und über 6.000 € bringt der Abschluss eines solchen Vertrags – eine Belastung, die der Kunde erst einmal bezahlen muss. Zu Beginn ist das Versicherungskonto im Minus, der Vertrag bringt weder Zinsen noch Zinseszinsen. Besonders bitter wird dies bei einer Kündigung: Wer beispielsweise nach fünf Jahren aussteigen möchte, bekommt meist nur eine „An­erkennungszahlung“ von weniger als 100 €. Aber auch dann, wenn der versicherte Nachwuchs das Geld z.B. zum 18. Geburtstag haben will, liegt der Rückkaufswert in der Regel erheblich unter der Summe der gezahlten Beiträge. Frühes­tens ab etwa dem 30. bis 35. Lebensjahr kann mit ersten, wenn auch noch sehr mageren Erträgen gerechnet werden.

Ambitionierte Renditeprognosen

Dies gilt allerdings auch nur dann, wenn die bei Vertragsabschluss gemachten Prognosen eingehalten werden. Bei dem genannten Vertrag handelt es sich um eine fondsgebundene Lebensversicherung. Der Sparanteil des Kapitals wird meist in Aktienfonds angelegt. Angesichts der langen Laufzeit ist dies zwar sinnvoll, jedoch erscheint die hier zugrunde gelegte Rendite von 7,5% nach Abzug aller Kosten doch etwas ambitioniert. Im Übrigen erhöhen sich mit dem Anlagekonzept die Risi­ken im Falle eines vorzeitigen Ausstiegs: Sollte die Börse – wie etwa in den Jahren 2000/03 – kurz vor dem Kündigungstermin massiv einbrechen, wird das ohnehin niedrige Kapital möglicherweise nochmals erheblich dezimiert. 50% bis 80% Verlust sind dann – das hat die Vergangenheit gezeigt – keineswegs eine Seltenheit.

Gerade bei derart langen Laufzeiten sollte zudem die Inflation berücksichtigt werden. Knapp 1 Mio. € stellen heute zwar durchaus eine in­‑ ter­essante Altersvorsorge dar, doch wird die Kaufkraft die-ser Summe in den kommenden 65 Jahren deutlich dezimiert. Legt man eine durchschnittliche In­flationsrate von 2,5% zugrunde, reduziert sich der rea­le Wert der gesparten Sum­me auf nur noch rund 184.000 €. Dies erscheint zwar immer noch attraktiv, doch kann heute niemand die Lebensgepflogenheiten und die damit verbundenen Kosten eines Rentners im Jahr 2075 prognostizieren.

Wird das Argument des Kaufkraftverlusts ins Feld geführt, verweisen clevere Vermittler gern auf den Todesfallschutz. Hier sollte man jedoch bedenken, dass die Eltern beim Tod eines Kindes sicher andere Sorgen haben als die Kosten der Beerdigung. Da das Kind keine Unterhaltsverpflichtun­gen hat, ist der Todesfallschutz völlig unnötig.

Es ist zwar sinnvoll, frühzeitig Kapital für den Nachwuchs aufzubauen. Meiden sollten Sie jedoch alle Verträge mit langen Bindungsfristen, da diese erfahrungsgemäß ohnehin nicht eingehalten werden.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(13):16-16