Diebstahl durch Apothekenmitarbeiter

Vertrauen auf Verdacht


Klaus Hölzel

Vertrauen zwischen Apothekenleiter und Team ist die Basis jeder Zusammenarbeit. Zu viel Vertrauen birgt die Gefahr von Enttäuschungen, zu wenig zermürbt die psychische Verfassung. Mit einem gesunden Maß an Vertrauen sollte der Chef seinem Team begegnen.

Vertrauen schenken macht verwundbar. Wo viel Vertrauen herrscht und es Gelegenheit zum Missbrauch gibt, wird dies in der Apotheke auch genutzt. Ein noch harmloses Beispiel: Aufgeregt kommt eine Mitarbeiterin zum Apothekenleiter und be­richtet von einem deutlichen Fehlbetrag in der gemeinsamen Kaffeekasse. Nach mehrfachem persönli­chen Nachfragen unter den Mitarbeitern gibt eine junge PTA schließlich zu, dass sie das Geld genommen habe, es sich aber nur für einen Tag ausleihen wollte. Können der Chef und das Team ihr noch vertrauen?

Erfahrung als Basis für Vertrauen

Zwischenmenschliches Miteinander im Berufsleben ist ohne ein gewisses Maß an Vertrauen überhaupt nicht denkbar. Aber wem kann der Chef vertrauen und wem nicht? Diese Frage berührt sämtliche Bereiche und Ebenen des menschlichen Umgangs miteinander. Vertrauen entsteht auf verschiedenen Wegen. Eine Rolle spielt die Erfahrung, die wir im Laufe der Zeit machen. Bisher hatte der Chef noch keine schlimmen Erfahrungen mit seiner jungen PTA gemacht. Seine Zuversicht, dass dies auch künftig so sein wird, ist groß genug. Es braucht jedoch Geduld und Ausdauer, ehe er feststellt, dass er ihr wieder vertrauen kann und dass aus vergangenen nicht auf künftige Erfahrungen geschlossen werden muss.

Vertrautes weckt Vertrauen

Ein weiterer Weg, Vertrauen zu entwickeln, geht über die Wahrnehmung. Ob der Chef vertraut oder nicht, hängt von seiner eigenen Wahrnehmung ab. Zu Beginn und stets aufs Neue sind es Besonderheiten im Verhalten eines Mitarbeiters, die sein Vertrauen er­wecken: das freundliche Lächeln, die angenehme Stimme, das Zuhörenkönnen oder auch der Humor, der annehmen lässt, dass nichts Bedrohliches zu erwarten ist.

Auch Gemeinsamkeiten kön­nen vertrauensfördernd sein: wenn der Mitarbeiter aus der gleichen Region kommt, dieselben Urlaubsziele mag oder schon Probleme gemeinsam mit dem Chef bewältigt hat.

Apothekenleiter vertrauen Menschen oft routinemäßig nach gewohnten sozialen Regeln. Der Chef verallgemeinert aus den eigenen Erfahrungen, ohne genauer zu hinterfragen. Vertrauen ist daher immer auch ein wenig Selbsttäuschung.

Entscheidend im Apothekenalltag ist der Anfangskontakt. Wird dieser erste Kontakt vom Chef als sympathisch empfunden, wird eine positive Spirale in Gang gesetzt. Fällt der persönliche Eindruck zu Anfang allerdings negativ aus, entwickelt sich kaum Vertrauen.

Ist erst einmal Vertrauen in einen Mitarbeiter entstanden, verfestigt es sich, wenn Regeln, Absprachen und Verabredungen eingehalten werden – nicht nur einmalig, sondern dauerhaft.

Mit wachsendem Selbstvertrauen eines Chefs wächst auch die Fähigkeit, anderen zu vertrauen und ihr Vertrauen zu gewinnen. Das heißt, nur wenn der Chef sich und seinen Entscheidungen vertraut, kann er es schaffen, auch der Mitarbeiterin wieder zu vertrauen.

Eine Frage der Achtung

Vertrauenswürdig sein, das möchte jeder im Team. Misstrauen werten Mitarbeiter und Chef als mangelnde Achtung, ja sogar Geringschätzung. Schenkt der Inhaber einem Mitarbeiter sein Vertrauen, stärkt er damit das Vertrauen desjenigen in sich selbst. Der Mitarbeiter traut sich selbst mehr zu und macht die positive Erfahrung, etwas bewirken zu können. Dies fördert wiederum das aktive Vertrauen in andere – die positive Spirale ist in Gang gesetzt. Vertrauen wird jedoch nicht ein für allemal gewährt oder erworben. Das erarbeitete Vertrauenskapital kann wie jedes andere Kapital wieder verloren gehen.

Ein weniger harmloser Fall, der leider in vielen Apotheken vorkommt: Über zwei Wochen hinweg stimmt der Kassen­bestand am Abend nicht. Mit Hilfe des Dienstplans versucht der Apothekenleiter herauszufinden, wer an den betreffenden Tagen anwesend war. Doch die Zahl der Mitarbeiter, die für den „Griff in die Kasse“ in Frage kommen, bleibt hoch. Alle Teammitglieder bestreiten energisch die Tat. Erst mit Hilfe von Videoaufzeichnungen wird der Täter überführt. Das Vertrauen ist nachhaltig gestört.

Misstrauen als früh- zeitiges Warnsignal

Ein solcher Diebstahl wird für die meisten Apotheken­inhaber einen Entlassungsgrund darstellen. Diese Tat rechtfertigt zudem regelmäßig eine fristlose Kündigung. Eine wichtige Grundlage für das bestehende Arbeitsverhältnis ist gestört bzw. liegt nicht mehr vor: das Vertrauen. Die Kündigung des Mitar­beiters muss dann unverzüglich (Zwei-Wochen-Frist) in schriftlicher Form erfolgen.

In besonderen Fällen, beispielsweise wenn es um gute und langjährige Mitarbeiter geht, fällt es vielleicht manchem Chef doch schwer, diesen endgültigen Schritt zu gehen. Aber nur über das Vertrauen reden, bringt an dieser Stelle nicht weiter. Wichtig sind gute Taten, das heißt Einsicht zeigen − über die Erwartungen hinaus. Um einen Vertrauensbruch zu kitten, muss das Gleichgewicht zwischen Chef und Mitarbeiter wiederhergestellt werden. Das funktioniert nur, wenn die ehrliche Bereitschaft besteht, das Bedürfnis und Wohlergehen des anderen ernst zu nehmen. Das Ver­trauen kann nur gemeinsam wieder aufgebaut werden.

Ein wenig Zögern, ein Auf­einanderzugehen in kleinen Schritten ist dabei durchaus angebracht. Erfolge können dann wieder Sicherheit geben. Misstrauen wird lange bleiben und es ist auch berechtigt. Es wäre naiv, auf das blinde Vertrauen zu setzen. Misstrauen macht es möglich, grundsätzlich von einem Neuanfang des Vertrauens auszugehen, dabei jedoch Enttäuschungen und Ausnahmen einzukalkulieren.

Die Einführung von Kon­trollmechanismen ist ein Weg. Diese helfen, Erwartungen an die Mitarbeiter zu prüfen. Besprechen Sie diese Kontrollen im Vorfeld mit Ihren Mitarbeitern, das beugt dem Misstrauensklima vor. Denn bei Misstrauen sinkt auch die Bereitschaft, solidarisch zu sein. Die Kooperation zwischen Chef und Team gelingt am besten, wenn beide Seiten sich einig sind in der Absicht: Kontrolle ist jetzt vorübergehend gut, Vertrauen auf Dauer besser.

Letztlich werden allerdings auch genaueste Prüfungen keine absolute Gewissheit über künftig zu machende Erfahrungen bringen. Manchmal hilft es nichts: Es gibt Situationen, da muss der Chef entscheiden – Entlassung des Mitarbeiters aus grundsätzlichen Erwägungen und zur Vorbeugung beziehungsweise zum Schutz des Teams oder Restvertrauen aufbringen und weitermachen.

Apothekeninhaber können sich nicht vor Verletzung und arglistiger Täuschung schützen. Verwundbarkeit und Unsicherheit sind grundsätzliche Erfahrungen im Apotheker­leben. Der Umgang mit Ver­trauensverlusten bleibt eine grundsätzliche Frage: Kann der Chef das selbst ertragen und besitzen er und sein Team die Hoffnung, ein Restvertrauen wieder aufzubauen, dann wird er dem Täter noch einmal verzeihen. Sieht er den „Griff in die Kasse“ als untragbaren Diebstahl, muss er sich vom Mitarbeiter sofort trennen.

Dipl.-Volkswirt Klaus Hölzel,
Apotheken Management-
Institut GmbH, 65375 Oestrich-Winkel,
E-Mail: sekretariat@apothekenzukunft.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(13):8-8