Dr. Bettina Mecking
Vertraulichkeit und Schweigepflicht sind wichtige Voraussetzungen beim Zustandekommen von Beratungskontakten. Die aktive Informations- und Beratungsfunktion hat als Kernbestandteil apothekerlicher Tätigkeit einen hohen Stellenwert, der durch rechtliche Vorgaben unterstrichen wird.
Bereits 1987 wurde die Verpflichtung des Apothekers zur Information und Beratung über Arzneimittel in § 20 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) niedergelegt. Diese Vorschrift wurde durch die Änderungsverordnung vom 25. August 1994 in § 4 Absatz 2 Satz 2 ApBetrO dahin ergänzt, dass die Offizin so eingerichtet sein muss, dass die Vertraulichkeit der Beratung gewahrt werden kann. Inzwischen hätten, so das Bundesgesundheitsministerium, „umfangreiche Erfahrungen aus der Praxis seit der letzten Verordnungsänderung“ zu einem Anpassungsbedarf geführt.
Aktives Beratungsangebot erforderlich
Wenn aus dem Entwurf eine verbindliche Regelung wird, muss die Apothekenleitung sicherstellen, dass Kunden und die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigten Personen ausreichend informiert und beraten werden. Dazu müsse das pharmazeutische Personal uneingeschränkt bei jeder Abgabe von Arzneimitteln oder Medizinprodukten eine Beratung selbst anbieten. Die Beratung müsse in verständlicher Weise erfolgen. Insbesondere solle über die sachgerechte Anwendung und Aufbewahrung informiert, auf die Wirkungen und Risiken hingewiesen und eine umweltfreundliche Entsorgung angesprochen werden.
Zukünftig müssten Apotheken auch durch bauliche Maßnahmen eine vertrauliche Atmosphäre bei der Beratung sicherstellen. Dadurch solle das Mithören durch andere Personen verhindert werden. Organisatorische Maßnahmen sollen nur in bestehenden Apotheken oder im begründeten Einzelfall akzeptiert werden. Wer keinen separaten Raum habe, müsse über die Abtrennung von Beratungsecken nachdenken. Die Umgestaltung der Offizin wird die Phantasie und das Engagement des Apothekenleiters erfordern.
Es gibt heute schon viele Möglichkeiten, die Vertraulichkeit der Beratung in der Offizin zu verbessern – z.B. mit „Groundstickern“ ähnlich wie in Post- oder Bankfilialen mit der Aufschrift „Beratungsbereich. Bitte halten Sie Abstand“, mit Matten oder Teppichen mit ähnlichem Hinweis sowie mit Aufstellern auf dem Handverkaufstisch bzw. davor.
Berufsordnungen
Im Apothekenalltag erfahren der Apotheker und seine Angestellten zwangsläufig Tatsachen, die dem persönlichen Lebensbereich, meist sogar der menschlichen Intimsphäre angehören. Die Kunden und Patienten haben daher in aller Regel ein großes Interesse daran, dass diese Tatsachen Dritten nicht bekannt werden.
Die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht ist durch den Straftatbestand des § 203 Strafgesetzbuch (StGB) abgesichert. Die berufsrechtlichen Normen lehnen sich zumeist an diesen Wortlaut an und heben die Bedeutung der Schweigepflicht hervor. Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart, das ihm als Apotheker anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Regeln für die Geheimhaltung
Personenkreis: Alle Mitarbeiter einer Apotheke unterliegen der Schweigepflicht, unabhängig davon, ob es sich dabei um pharmazeutisches Personal oder andere Angestellte handelt.
Umfang: Geheimnisse, die dem Apothekenleiter bzw. seinen Mitarbeitern in ihrer beruflichen Eigenschaft anvertraut oder auf sonstige Weise bekannt wurden, unterliegen der Schweigepflicht. Dabei ist das Geheimnis dem Apotheker anvertraut, wenn der Kunde sich ihm direkt offenbart und mit ihm spricht. Das Bekanntwerden eines Geheimnisses meint alle Fälle, in denen der Apotheker von einem Geheimnis im Rahmen des Berufsalltags anders als durch Anvertrauen erfährt.
Adressaten: Die Schweigepflicht gilt gegenüber jedermann, auch gegenüber den Angehörigen eines Kunden. Sie gilt auch gegenüber den übrigen Mitarbeitern, sofern ein Informationsaustausch nicht aus Gründen des Patientenwohls erfolgen muss.
Geltungsdauer: Die Schweigepflicht besteht über den Tod des Kunden hinaus. Auch das Ausscheiden aus der Apotheke ändert nichts an der Schweigepflicht.
Folgen eines Verstoßes: Arbeitsrechtlich berechtigt ein Verstoß gegen eine wirksame Verschwiegenheitsverpflichtung zur Abmahnung, in Extremfällen sogar zur fristlosen Kündigung. Dem Apotheker, der gegen die Schweigepflicht verstößt, droht neben einem strafrechtlichen Verfahren auch ein berufsrechtliches Verfahren. Ferner können Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche hinzukommen.
Personal belehren
Ein umfassender Schutz des Kundengeheimnisses ist nur dann gewährleistet, wenn die Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses nicht auf den Apotheker beschränkt bleibt, sondern auch für das gesamte Apothekenpersonal gilt. Daher ist der Apotheker verpflichtet, alle unter seiner Leitung tätigen Personen, die nicht der Berufsordnung unterliegen, über die gesetzliche Pflicht zur Verschwiegenheit zu belehren.
Die Belehrung des Apothekenpersonals im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht muss sich der Apotheker schriftlich bestätigen lassen. Damit soll nicht lediglich die dem Arbeitsverhältnis innewohnende Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen schriftlich fixiert werden. Vielmehr soll das Schriftformerfordernis sicherstellen, dass alle für den Apotheker tätigen Personen die Verpflichtung zur Verschwiegenheit auch tatsächlich kennen und sich daran halten.
Ausnahmen von der Schweigepflicht bestehen nur in eng begrenzten Fallgestaltungen. Keine Verletzung der Schweigepflicht liegt vor, wenn der Apotheker durch den Betroffenen davon entbunden wurde. Beim strafrechtlichen Notstand, der Gefahr einer Schädigung eigener Rechtsgüter oder auf der Basis einschlägiger Rechtsvorschriften, die Offenbarungspflichten aufstellen – etwa im Grundstoffüberwachungsgesetz – besteht ggf. nach eigenverantwortlicher Entscheidung des Apothekers ein Mitteilungsrecht.
Die sich abzeichnende Neuregelung der Apothekenbetriebsordnung macht Ernst mit der Forderung, dass die Vertraulichkeit der Beratung bei der Abgabe von Arzneimitteln oder Medizinprodukten tatsächlich in jeder Apotheke gelebt werden muss. Die apothekerliche Schweigepflicht ist für diese geforder‑ te Vertrauensbeziehung von grundlegender Bedeutung.
Dr. Bettina Mecking, Justiziarin
der Apothekerkammer Nordrhein,
Fachanwältin für Medizinrecht,
40213 Düsseldorf,
E-Mail: b.mecking@aknr.de
Checkliste
Ein Muster einer Verschwiegenheitserklärung für Apothekenpersonal im Word-Format finden Sie hier. |
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(13):10-10