Helmut Lehr
Für volljährige Kinder, die sich noch in der Berufsausbildung befinden, erhalten Eltern das Kindergeld im Allgemeinen längstens bis zum 25. Lebensjahr. Hat der Sprössling zuvor bereits seinen Zivildienst oder den gesetzlichen Grundwehrdienst geleistet, verlängert sich der Kindergeldanspruch um die Dauer des geleisteten Dienstes über das 25. Lebensjahr hinaus (sogenannter Verlängerungstatbestand).
Beispiel
Hendrik Schwarzer vollendete im November 2008 sein 25. Lebensjahr. Nach dem Abitur im Sommer 2003 hatte er vom 4. August 2003 bis zum 31. Mai 2004 (zehn Monate) Zivildienst geleistet und anschließend sein Medizinstudium begonnen, das im September 2009 noch nicht abgeschlossen war.
Die Familienkasse setzte das Kindergeld aufgrund des Verlängerungstatbestands bis einschließlich August 2009 fest und berücksichtigte dabei lediglich neun Verlängerungsmonate. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass das frühere Kindergeld bereits bis einschließlich August 2003 gezahlt worden war (ein Tag Kindergeldberechtigung im Monat genügt hier nämlich!) und somit ein Monat des Zivildienstes bereits abgegolten worden sei.
Hinweis: Die Familienkasse handelte hier streng nach der offiziellen Verwaltungsanweisung1) und entgegen der (eigentlich eindeutigen) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs2), die zur gleichen Problematik nach Ableistung des Grundwehrdienstes ergangen ist.
Finanzverwaltung unterschlägt einen Monat zu Unrecht
Der Bundesfinanzhof hat nun nochmals ausdrücklich entschieden3), dass die Verwaltungsauffassung verfehlt ist und den Eltern in vergleichbaren Fällen das Kindergeld für einen weiteren Monat zusteht. Danach gilt ganz allgemein: Die Altersgrenze verlängert sich auch dann um die gesamte Dauer des Zivildienstes, wenn dieser nicht an einem Monatsersten begann. Ob für den ersten Monat des Zivildienstes noch Kindergeld gezahlt wird/wurde, spielt keine Rolle.
Hinweis: Zwischenzeitlich ist der Dienstbeginn sowohl beim Grundwehrdienst als auch beim Zivildienst regelmäßig der 1. eines Monats, sodass diese Situation vermieden wird. Für den Zivildienst gilt dies jedoch erst seit dem 1. April 2008, weshalb die Problematik noch eine ganze Weile auftreten kann. Eltern sollten ablehnende Bescheide unbedingt zeitnah anfechten und auf die eindeutige Rechtsprechung verweisen.
Kindergeld trotz Erbschaft?
Wenn die Einkünfte und Bezüge volljähriger Kinder den Jahresgrenzbetrag von zurzeit 8.004 € übersteigen, entfällt der Kindergeldanspruch. Ob auch Erbschaften eines Kindes zu dessen Bezügen zählen und somit dem Kindergeldanspruch entgegenstehen, ist umstritten. Das Finanzgericht Düsseldorf hat beispielswei‑ se mit Urteil vom 12. Januar 20064) entschieden, dass geerbtes Barvermögen im Jahr des Zuflusses zu den Bezügen gehört und deshalb auf den Jahresgrenzbetrag anzurechnen ist5).
Hinweis: Bei Geldschenkungen vertritt der Bundesfinanzhof die Ansicht, dass diese dann nicht zu den Bezügen gehören, wenn sie ausdrücklich zur Kapitalanlage bestimmt sind. Deshalb sollten Geldschenkungen möglichst mit einer konkreten Auflage (z.B. langfristiger Vermögensaufbau) versehen werden6).
Person des Erblassers entscheidend
Nach Ansicht der Finanzverwaltung gehören Unterhaltsleistungen der Eltern oder freiwillige Leistungen der Personen, bei denen das Kind berücksichtigt werden kann, nicht zu den Bezügen. Deshalb können nach einem aktuellen Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 4. März 20107) Erbschaften von unterhaltsverpflichteten, grundsätzlich kindergeldberechtigten Personen ebenfalls nicht zu den Bezügen gehören. Im Streitfall hatte das Kind von der von seinem Vater geschiedenen Mutter eine Eigentumswohnung, Wertpapiere und diverse Barmittel geerbt.
Unterhaltseignung
Das Finanzgericht hat die sogenannte Unterhaltseignung des Erbes geprüft und kam zu dem Ergebnis, dass Grundstücke, Aktienpakete, Lebensversicherungen und Bausparverträge aus sich heraus der Kapitalanlage bzw. Altersvorsorge dienen und deshalb nicht vordergründig zur Bestreitung des laufenden Unterhalts eingesetzt werden. Sie gehören daher grundsätzlich nicht zu den Bezügen. Die Barmittel könnten dem Grunde nach „steuerschädliche“ Bezüge sein, allerdings nicht, wenn sie von einem Unterhaltsverpflichteten bzw. Kindergeldberechtigten stammen. Das bedeutet: Hätte statt der Mutter die Großtante dem Kind 20.000 € in bar vermacht, wäre das Kindergeld vom Finanzgericht wohl verweigert worden.
Hinweis: Das letzte Wort hat jetzt der Bundesfinanzhof. Die Revision des Finanzamts ist unter dem Aktenzeichen III R 22/10 anhängig.
Aufgepasst: BAföG-Erhöhung
Ab dem 1. Oktober 2010 soll das BAföG erhöht werden. Die Eltern sollten hier genau rechnen: Übersteigt ihr Kind dadurch den Jahresgrenzbetrag von 8.004 € auch nur geringfügig, geht das Kindergeld verloren, womöglich für ein volles Kalenderjahr. Daher sollte ggf. das Kindeseinkommen z.B. durch steuerwirksame Ausgaben rechtzeitig gezielt beeinflusst werden.
Hinweis: Nur der als Zuschuss ausgezahlte Teil des BAföGs zählt zu den Bezügen, nicht diejenigen Beträge, die als Darlehen gewährt werden.
1) Vgl. Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs vom 30. September 2009, 63.5 Absatz 3.
2) Vgl. Urteil vom 27. August 2008, Aktenzeichen III R 88/07.
3) Vgl. Urteil vom 20. Mai 2010, Aktenzeichen III R 4/10.
4) Aktenzeichen 14 K 1856/05 Kg.
5) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 16 vom 15. August 2006, Steuer-Spartipp Nr. 3, Seite 19.
6) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 16 vom 15. August 2006, Steuer-Spartipp Nr. 3, Seite 19.
7) Aktenzeichen 10 K 128/08.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(14):18-18