Prof. Dr. Reinhard Herzog
Gerade einmal 2,25% Rendite lassen sich derzeit mit 10-jährigen Bundesanleihen erzielen, selbst riskantere Unternehmenspapiere bringen kaum über 3,5%. Während jedoch Neueinsteiger kaum noch attraktive Investitionsmöglichkeiten finden, können sich Anleihebesitzer freuen. Schon Papiere mit wenigen Jahren Restlaufzeit brachten im bisherigen Jahresverlauf mehr als 5% Kursgewinn, 10-jährige Titel legten gar um rund 10% zu und wer vor Jahresfrist mutig in 30-jährige Anleihen eingestiegen war, hat jetzt einen Gewinn von 25%.
Kursverluste sind vorprogrammiert
Das Problem jedoch: Da die Notierungen heute weit über dem Nennwert der Papiere liegen, sind Kursverluste vorprogrammiert. Denn schließlich erfolgt die Rückzahlung stets zum Nennwert von 100%. Anleger, die z.B. die 3,75%ige Bundesanleihe mit Laufzeit bis 2017 besitzen (ISIN: DE0001135317), können zwar auf einen aktuellen Kurswert von 112% verweisen. In knapp sieben Jahren bekommen sie jedoch nur 100% zurück. Wer gar die 4,75%ige Bundesanleihe mit Rückzahlung 2040 sein Eigen nennt (ISIN: DE0001135366), muss in den nächsten 30 Jahren einen Kursrückgang von aktuell 133% auf 100% hinnehmen – was dem Zinsertrag von fast sieben Jahren entspricht.
Gerade bei Anleihen, die in den kommenden zwei bis fünf Jahren zurückgezahlt werden, lohnt sich jetzt das Nachrechnen. Als Beispiel dient uns die 4,25%ige BMW-Anleihe mit Laufzeit bis 2014 (siehe Musterrechnung auf Seite 15). Anleger konnten sie vor zwei Jahren zu 86% kaufen, heute notiert sie bei rund 106%. Das Ergebnis der bisherigen Anlage kann sich durchaus sehen lassen: Bei einem Investment mit 50.000 € Nominalwert summieren sich Zinsen und Kursgewinne auf 14.251 €, was einer Rendite von 16,53% p.a. entspricht. Die 50.000-€-Position ist jetzt stolze 53.120 € wert. Selbst wenn man die zwischenzeitlich angefallene Abgeltungssteuer berücksichtigt, bleiben immer noch rund 15% Jahresertrag.
Die Zukunft des Papiers sieht freilich alles andere als gut aus: Der Anleger erzielt zwar weiterhin bis 2014 den Nominalzins von 4,25%, allerdings geht im gleichen Zeitraum der Kurs von 106,24% auf 100% zurück. Per saldo entspricht dies einer Rendite von 2,23% – mithin deutlich weniger als im bisherigen Anlageverlauf. Und da die Zinszahlungen der Abgeltungssteuer unterliegen, während der Kursverlust aus solchen Altbeständen steuerlich keine Berücksichtigung findet, liegt die tatsächliche Rendite im Bereich der 1-%-Marke.
Halten oder verkaufen?
Entsprechend stellt sich jetzt die Frage, ob die Position überhaupt beibehalten werden soll. In diesem Fall erhält der Anleger weiterhin die jährlichen Zinsen abzüglich Abgeltungssteuer, der bereits erzielte Kursgewinn schrumpft von 10.120 € auf 7.000 €. Da die künftige Rendite – wie dargelegt – bei nur noch 2,23% bzw. nach Steuern bei 1,09% liegt, reduziert sich die Gesamtrendite für die sechsjährige Anlage von aktuell 16,53% auf 7,62%. Dies ist auf den ersten Blick zwar immer noch recht attraktiv, nach den bisherigen Erträgen jedoch alles andere als erfreulich.
Wird die Anleihe hingegen verkauft, realisiert der Anleger damit den Kursgewinn und hat ab sofort 53.120 € zur Anlage zur Verfügung. Geht man von einem Wiederanlagezins von 2,7% aus (Mercedes-Benz Bank, Festzinskonto), liegt die Rendite des Gesamtinvestments rund 0,5%-Punkte höher als bei der Fortsetzung der bisherigen Anlage. Zwei weitere Nebeneffekte: Der Anleger entledigt sich der Risiken der Geldanlage in einer Unternehmensanleihe, zudem braucht er bei entsprechender Anlageform keine Kursschwankungen mehr zu fürchten.
Diese Transaktionen lohnen allerdings im Regelfall nur für Anleihen, die vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden, also vor Einführung der Abgeltungssteuer. Denn nur dann können die bisher aufgelaufenen Kursgewinne steuerfrei realisiert werden. Erfolgte der Einstieg jedoch erst ab 2009, unterliegen auch die Kursgewinne beim Verkauf der Abgeltungssteuer, sodass kein nennenswerter Zusatzertrag mehr zu erzielen ist. Dann entscheidet letztlich allein die Gesamtrendite des Papiers über die Rentabilität, hingegen sind steuerliche Überlegungen von untergeordneter Bedeutung.
Als Alternativanlagen bieten sich im risikolosen Bereich insbesondere Tages- und Festgelder an. Zunehmend an Bedeutung gewinnen derzeit aber auch Anleihen mit variablem Zins. Bei diesen, auch gerne „Floater“ genannten Papieren wird die Verzinsung in regelmäßigem Turnus an die Entwicklung der Kapitalmärkte angepasst. Damit lassen sich Kursverluste im Fall eines allgemeinen Zinsanstiegs vermeiden. Schließlich bieten sich auch Anleihen mit solidem Chance-Risiko-Profil und angemessener Rendite an, selbst wenn deren Kurs ebenfalls über dem Nennwert notiert. Denn schließlich sind beim Neueinstieg auch die vorprogrammierten Kursverluste steuerlich relevant, während die Kursgewinne aus dem Altbestand steuerfrei realisiert werden konnten.
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Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(21):15-15