Jahresplanung

Fit für 2011


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Das laufende Jahr nähert sich bereits seinem Ende. Verlief 2010 relativ ruhig, so dürfte das kommende Jahr wieder einmal unter stürmischeren Vorzeichen stehen. Damit wird es höchste Zeit, Bestandsaufnahme zu machen und die Jahresplanung anzugehen.

Wer Neues plant, sollte stets wissen, wo er momentan steht. Das bedeutet: Stellen Sie zuerst Ihre laufenden Betriebsdaten zusammen! Auch wenn die endgültige Bilanz bis weit ins nächste Jahr hinein Zeit hat – Ihre aktuellen Zahlen zu Umsätzen, Erträgen, Kundenzah­len und Kosten sollten Sie zeitnah zur Verfügung haben. Nur so können Sie einen realistischen, auf Ihre Situation passenden Ausblick auf 2011 wagen. Dieses Jahr sind speziell die Einkaufskonditionen ge­nau­ unter die Lupe zu nehmen. Angesichts drohen­der Kürzun­gen und Umstellungen wegen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) können Sie eventuelle Neukonditionen Ihrer Lieferanten nur beziffern und be­werten, wenn Sie den Ist-Zustand möglichst gut kennen.

Bezugskonditionen

Einbußen drohen spätestens 2012 nicht nur bei den Großhandelsrabatten im Rx-Bereich, sondern auch beim Direktbezug. Eine neue Großhandelstaxe mit Fixaufschlagkomponente wird aus Gründen fairen Wettbewerbs genauso für die Industrie gelten. Das „Durchreichen“ der Großhandelsmarge ist dann weniger lukrativ. Nicht zuletzt dürften künftig die OTC-Konditionen auch weiter unter Druck kommen. Pharmafirmen, die vom erhöhten Herstellerabschlag oder erdrosselnden Rabattverträgen betroffen sind, werden zunehmend versuchen, eine ge­wisse Kompensation im OTC-Bereich zu schaffen. Analysieren Sie deshalb Ihr heutiges Bestellverhalten und beantworten Sie folgende Fragen:

  • Wie hoch ist meine gesam­te Rabattsumme konkret in Euro und wie viel davon machen die Großhandelsnachlässe aus?
  • In welchem Verhältnis steht die Rabattsumme zum Ge­winn ? Nicht wenige Apothe­ken erzielen deutlich mehr als die Hälfte ihres Gewinns aus Rabatten, bei manchen speist sich gar fast der gesamte Cashflow daraus.
  • Lässt sich das Bestellverhalten weiter optimieren ? Benötige ich überhaupt einen Zweit- oder Drittgroßhandel? Lohnt an manchen Stellen doch wieder eher ein Direkteinkauf? Hier sind freilich immer der Aufwand und die Verpflichtung zu gro­ßen Abnahmemengen ge­genzurechnen.
  • Wie sehen meine Konditionen beim Großhandel im Detail aus? Was steht an echten Rabatten unter dem Strich (Rabattsumme bezogen auf das Einkaufsvolumen), einschließlich Son­der­konditio­nen sowie Sonder- und Aktionsprogrammen? Bekommen Sie ge­wis­se Kon­ditio­nen nur als Kooperationspartner, müssen Sie die entsprechen­den Gebühren zumindest teilweise abziehen. Auch Lie­ferpauschalen etc. sind zu verrechnen. Zudem sind Skonti grundsätzlich separat zu sehen – sie sind eine Honorierung für schnelle Zahlung und kein Nachlass für die Bestellung.

So vorbereitet, sollten Sie nächstes Jahr die individuellen Auswirkungen der Reformen abseits aller Modellrechnun­gen schnell selbst erkennen können – und gegensteuern, wo es sinnvoll erscheint.

Budgetplanung

Höchste Zeit wird es jetzt für die Budgetplanun­gen, insbesondere das Personal- und das Marketingbudget. Bevor Sie beginnen, werfen Sie erst einen Blick auf Ihre Kundenzahlen der letzten 12 bis 18 Mo­nate: Wie sieht die Ent­wicklung aus? Ist ein klarer Trend erkennbar? Finden sich dafür plausible Erklärungen? In jedem Fall ist es entscheidend, ob Sie in einen deutlich steigenden oder fallenden Trend hinein planen oder ob der Kundenstrom im Wesentlichen so bleibt, wie er ist.

Beim Personalbudget empfiehlt sich, in aller Kürze, folgendes Vorgehen:

  • Errechnen Sie die Kennziffer „Personalkosten je Bonkunde“ auf dem Ist-Stand zu Vollkosten inklusive Personalnebenkosten (Durchschnitt: um 3,50 € bis 3,75 €). Kommen Sie mit Ihrem jetzigen Personal gut aus oder gibt es ein Defizit bzw. einen Überhang? Passen Sie ggf. die Personalkosten je Kunde etwas an.
  • Durch Extrapolation des oben ermittelten Trends Ihrer Kundenzahlen erhalten Sie eine Schätzung der im kommenden Jahr zu erwartenden Kundenzahl.
  • Diese prognostizierte Jahreskundenzahl mal der Kennziffer „Personalkosten je Kunde“ ergibt die sinnvollerweise anzusetzenden Gesamtpersonalkosten p.a.
  • Das Ganze übersetzen Sie unter Berücksichtigung Ihrer Öffnungszeiten in ein Jahresstundenbudget für die einzelnen Funktionsbereiche (HV, Backoffice usw.).

Beim Werbebudget empfiehlt sich ebenfalls die Orientierung an der Kennzahl „Marketingausgaben pro Kunde“ mit der Anpassung an die erwartete Kundenzahl. Zudem gilt:

  • Legen Sie die größeren Aktionen zu gewissen Themengebieten möglichst bald fest, kann die Vorbereitung z.B. in schwächeren Zeiten umso effizienter laufen.
  • Regelmäßige Aussendun­gen, Flyeraktionen, Anzeigen etc. werden idealerweise in einen Jahreswerbeplan eingetragen.
  • Der Bedarf an Kundenzeitschriften, Zugabeartikeln usw. wird auf den Prüfstand gestellt: Was kommt gut an? Was erscheint verzichtbar? Wo lassen sich Stückzahlen sinnvoll anpassen? Was sollte Neues ausprobiert werden? Gut planbare „Evergreens“ in großen Stückzahlen bestellen Sie dann kostengünstig en bloc für das kommende Jahr.

Organisatorisches

An dieser Stelle wirft die geplante neue Apothekenbetriebsordnung ihre Schatten voraus. Auch wenn nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird und der erste unautorisierte Entwurf überarbeitet wird – gewisse Tendenzen sind erkennbar. So lässt sich der Dauerbrenner „Diskretion bei der Beratung“ nicht mehr wegdiskutieren. Wie könnten bei Ihnen ggf. weitergehende organisatori­sche Maßnahmen aussehen? Das Thema Rezeptur und Herstellung wird wohl ebenfalls vermehrt Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Hier sollte jedoch abgewartet werden, welche Anforderungen ganz konkret neu gestellt werden.

In jedem Fall holt jedoch das Thema Qualitätsmanagement die Apotheken zunehmend ein. Mittelfristig wird für eine zukunftsgerichtete Apotheke wohl kein Weg mehr daran vorbeiführen. Ob Hilfsmittel- oder Heimbelieferung, Versandhandels- bzw. Großhandelserlaubnis oder Be­treiben von Speziallaboren – das Thema betrifft die Apo­theken bereits längst an vielen versteckten Stellen. Wer hier noch nicht enga­giert ist, sollte für 2011 gewisse Kapazitäten für QMS einplanen und sich Gedanken machen, wie er dies organisatorisch angehen möch­te. Welche geeigneten Mitarbeiter finden sich im Betrieb und wie soll Ihre Rolle als Chef aussehen? Welche Zertifizierungsverfahren kommen in Betracht?

Dabei lässt sich oft das Notwendige mit dem Nützlichen verbinden. Wann sind Sie das letzte Mal alle wichtigen Abläufe in der Apotheke durchgegangen und haben sie auf Verbesserungspotenzial hin untersucht? Ist vielleicht doch ein Kommissionierer sinnvoll? Sind mar­gen­schwa­che, aber arbeitsaufwendige Bereiche wie z.B. eine Heimbelieferung noch „up to date“?

Auch wenn all diese Themen nicht unmittelbar akut sind – als kluger Apothe­ker warten Sie nicht bis zum letzten Moment, sondern bereiten sich in Ruhe auf die Dinge vor, die absehbar auf die Apotheken zukommen werden, und er­schließen neue Wirtschaftlichkeitsreserven. Auch wenn man verständ­licherweise gern meint, nun sei der Betrieb aber wirklich „ausgequetscht“: Einige Zeit später zeigt sich immer wieder, dass doch noch Reserven vorhanden sind.

Jahreszielplanung

Mit diesen Punkten kommen Sie einer Jahreszielplanung schon recht nahe. Diese sollte aus zwei Teilen bestehen: Im eher nüchternen Zahlenteil erstellen Sie eine Vorausschau der realistischen „harten“ Ziele wie Kundenzahlen, Umsatz, Rohertrag etc.

Im zweiten Teil werden sons­ti­ge, nicht direkt in der Gewinn- und Verlustrechnung auftauchende organisatori­sche, strategische oder „weiche“ Ziele formuliert. Das können wichtige neue Projekte sein (neue Geschäftsfelder, neue EDV, Internetshop usw.) oder das Abarbeiten von alten „Baustellen“ (z.B. Lieferfähigkeit, Freundlichkeit und Servicebereitschaft, Betriebsklima, Per­sonalfluktuation). Alle Ziele sollten eine Priorität zugeordnet bekommen:

  • in jedem Fall vollumfänglich zu erreichen („Muss-Ziel“),
  • möglichst zu erreichen, ggf. mit Abstrichen nach Ab­sprache und Neubewertung, sowie
  • wünschenswert, aber (noch) nicht elementar notwendig.

Diese Jahreszielplanung sollten Sie schriftlich niederlegen. Sie stellt nebenbei eine sehr gute Grundlage dar für ein Jahresabschlusstreffen mit allen Mitarbeitern sowie im Anschluss daran für die einzelnen Mitarbeiter-Zielgespräche.

Was zum Jahresende immer wieder anfällt

Grundsätzlich ist es gegen Jahresende immer sinnvoll, alle laufenden, zumindest wichtigeren Verträge auf den Prüfstand zu stellen – eine Art „Vertragsinventur“. Lassen Sie sich aber nicht zu viel Zeit und achten Sie auf die Fristen: Regulärer Kündigungstermin der Autoversicherungen (ohne Fahrzeugwechsel) ist z.B. Ende November. Gehen Sie alle Verträge durch:

  • Sind sie überhaupt noch in dieser Form und diesem Umfang notwendig? Gerade viele Versicherungen werden im Laufe der Zeit zum einen zu teuer durch stän­dige Prämienerhöhungen, zum anderen werden sie auch zumindest in Teilen unnötig (weil eben kein neu-wertiges Auto mehr versichert wird, Berufsunfähigkeitsrisiken durch andere Vorsorgemaßnahmen bereits abgefedert sind etc.).
  • Enden Verträge in nächster Zeit (z.B. Leasing)? Was soll im Anschluss geschehen?
  • Sieht der Mietvertrag Überraschungen vor? Müssen Sie Optionsrechte auf eine Verlängerung geltend machen? Droht eine Miet­erhöhung z.B. bei Index-Mieten? Kluge Unternehmer werden von so etwas nicht überrascht, sondern wissen bereits im Vorfeld, dass der Index die „berühmten 10% nach oben“ im kommenden Jahr durchstoßen dürfte...

Werfen Sie einen Blick auf Ih­re zahlreichen Dienstleister. Ob EDV-Anbieter, Steuerbe­rater, Reinigungsdienst oder Werbe­agentur: Sind Sie zufrieden? Stimmen Preis und Leistung? Es lohnt, sich selbst dazu zu zwingen, periodisch eine Bestandsaufnahme zu ma­chen und im Einzelfall neu zu entscheiden. Andernfalls geht vie­les in der Tagesroutine unter und kommt erst bei größeren Problemen ans Licht.

Es lohnt ebenfalls, bevor jetzt der Weihnachtstrubel so richtig beginnt, noch die aufgelau­fenen Papierstapel durchzugehen und zu lichten. Welche Angebote „dümpeln“ dort vor sich hin? Vielleicht ist, auch aus steuerlichen Erwägungen in Erwartung niedrigerer Gewinne nächstes Jahr, doch noch die eine oder an­dere Investition in diesem Jahr sinnvoll? Was ist sonst noch aufgelaufen, was entweder erledigt oder aber „beerdigt“ werden sollte? Mit anderen Worten: Arbeiten Sie jetzt noch möglichst viele „Altlasten“ ab! Das sichert nicht zuletzt relativ unbeschwerte Feiertage und einen unbelasteten Start in das neue Jahr.

Außenstände jetzt noch anmahnen

Zu guter Letzt: Schauen Sie liegen gebliebene Rechnungen durch. Forderungen aus 2007 verjähren mit Ablauf dieses Jahres. Auch unabhängig von diesem Datum sollten Sie Ihre Außenstände durchgehen und das meiste möglichst zum Jahresende eingetrieben haben. Mahnen Sie also rechtzeitig mit einem „Respektabstand“ vor den Feiertagen und solange nicht das ganze Geld Ihrer Schuldner in Weihnachtseinkäufe geflossen ist. Möglicherweise winkt so für Sie noch etwas Weihnachtsgeld...

Dr. Reinhard Herzog,
Apotheker, 72076 Tübingen,
E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(22):5-5