Dr. Eva-Maria Stoya
„Meine Kollegin trommelt die ganze Zeit mit den Fingern auf dem Tisch. Mich macht das wahnsinnig...“, klagte neulich eine befreundete PTA beim Stammtisch. Und eine andere ergänzte: „Wir haben eine neue Kollegin, die spricht im Beratungsgespräch mit einer extrem abgehackten Sprache und mit äußerst affektierter Mimik. Was sie sagt, ist in Ordnung, zeugt von Kompetenz –aber die Kunden schauen manchmal ganz komisch. Ich glaube, sie merkt das gar nicht. Jetzt hat mein Chef mich gebeten, sie darauf hinzuweisen. Aber mir liegt das überhaupt nicht.“
Jeder hat irgendeinen Tick
Wohl jeder Mensch hat einen Tick, eine kauzige Angewohnheit, die unbewusst abläuft und deshalb von einem selbst kaum wahrgenommen wird – dafür aber von allen anderen. Mit manchen dieser Marotten kann man leben, mit anderen nicht: Ob Tippeln mit den Fingern auf der Tischplatte, nerviges Hin- und Herlaufen beim Telefonieren, überbetontes, zu gestenreiches Sprechen oder auch ein deutlicher Körper- oder Mundgeruch – dies fällt anderen, auch Kunden, auf, wird als unangenehm, störend empfunden und sollte „abgestellt“ werden. Nur wie?
Kein Tuscheln, Lustigmachen, Ignorieren
Tuscheln im Team mit anderen Kollegen, „küchenpsychologische“ Hypothesen entwickeln und in der Pause darüber reden, ist keine gute Idee – ebensowenig wie Lustigmachen oder gar Nachäffen. Zu schnell ist eine Lawine losgetreten, die sich verselbstständigt, das Arbeitsklima leidet. Und das Schlagwort Mobbing wird – womöglich ungewollt – provoziert. Ignorieren, frei nach dem Motto „Das wächst sich aus!“ hilft auch nicht. Für den Betroffenen ist der Problempunkt meist ein „blinder Fleck“, den er selbst nicht wahrnimmt. Ohne davon zu wissen, hat er keine Möglichkeit, sich zu bessern.
Chef hat Gespräch zu führen
Insofern hilft einzig und allein das konkrete Aufmerksammachen durch ein Gespräch. Natürlich können auch gleichgestellte Mitarbeiter einer neuen Kollegin vertraulich einen Hinweis geben – in bestimmten Fällen ist dies sinnvoll. In erster Linie hat jedoch der Chef, im Regelfall die Apothekenleitung, das neue Teammitglied anzusprechen. Die auffallende Marotte sollte hierbei bewusst thematisiert werden. Diese Aufgabe kann nur in seltenen Ausnahmefällen (siehe Tipp 2) delegiert werden. Mit folgenden sieben Tipps fällt Ihnen das Ansprechen dieses heiklen, unangenehmen Themas leichter.
Tipp 1: Direkt ansprechen
Sprechen Sie das Unangenehme möglichst gleich an und schieben Sie es nicht auf die lange Bank. Damit ist niemandem geholfen. Von selbst wird die betroffene Person nichts ändern, da meist das Problembewusstsein fehlt. Je schneller der neue Kollege oder Mitarbeiter eine Rückmeldung darüber bekommt, wie er wirkt, umso schneller kann er die Macke – den „blinden Fleck“ – für sich selbst einschätzen und sich entscheiden, ob und wie er dies „abstellt“ oder dazulernt.
Tipp 2: Vertrauensperson hilft
Bei Themen, die Körper und Hygiene betreffen, sollte das Unangenehme am besten von einer Person gleichen Geschlechts zur Sprache gebracht werden. Ist der „Problem-Kollege“ weiblich, der Apothekenleiter aber männlich, sollte überlegt werden, ob nicht eine einfühlsame angestellte Apothekerin den Gesprächspart übernimmt. Am besten wäre im Fall von Körper- oder Mundgeruch eine mit dem betroffenen Kollegen wirklich vertraute Person.
Tipp 3: Richtige Bedingungen schaffen
Nutzen Sie für das Ansprechen der Eigenheit ein vertrauliches Vier-Augen-Gespräch. Der Betroffene darf nicht vor anderen bloßgestellt werden. Ebenso gilt es, schon im Vorfeld die richtigen Rahmenbedingungen für das Gespräch zu schaffen. Eine entspannte Atmosphäre ist wichtig. Keiner der Gesprächspartner darf unter Zeitdruck stehen.
Tipp 4: Wertschätzung zeigen
Beginnen Sie das Gespräch am besten mit einer Wertschätzung des Mitarbeiters: „Ich schätze Sie sehr als kompetenten Mitarbeiter mit gutem Einfühlungsvermögen für die Belange des Kunden. Auch deshalb führen wir dieses Gespräch…“ Erst danach kommen Sie auf den wunden Punkt zu sprechen.
Tipp 5: Offen und ehrlich
Sprechen Sie dabei ruhig an, dass Ihnen das Gespräch selbst unangenehm ist. Formulierungen wie „Dieses Gespräch fällt mir jetzt schwer, aber…“ oder „Ich möchte Sie nicht verletzen…“ zeigen Ihrem Gegenüber, dass Sie länger nachgedacht haben und nicht spontan etwa aufgestauten Unmut verbreiten wollen. Auf Aussagen Dritter sollten Sie sich hingegen nicht berufen und zurückziehen. Vermeiden Sie also Formulierungen wie „Von mehreren Mitarbeitern wurde mir zugetragen…“, sondern sprechen Sie offen in der Ich-Form.
Tipp 6: Nachricht verdauen lassen
Machen Sie deutlich, dass Unterschiedlichkeit auch eine Bereicherung ist. Wenn sie aber aneckt, muss dem Betroffenen die Chance auf Reflexion und mögliche Besserung gegeben werden. Aussagen wie „Selbst der Geradlinigste hat eine Menge Eigenheiten. Schließlich sind wir alle nur Menschen…“ oder „Selber merkt man so etwas meist nicht...“, helfen dem Betroffenen, die unangenehme Nachricht leichter zu verdauen. Wichtig ist, den Kollegen oder Mitarbeiter für die festgestellte Macke zu sensibilisieren.
Tipp 7: Hilfe und Unterstützung anbieten
Wenn es angebracht ist und Sie als Apothekenleitung Hilfe und Unterstützung anbieten können, sollten Sie dies auch tun. Manchmal hilft es, (offene) Fragen zu stellen, etwa: „Wie kann ich Ihnen helfen…?“ oder „Soll ich Ihnen in zwei Wochen Rückmeldung geben, ob es sich verbessert hat?“
Im oben geschilderten Fall der neuen Mitarbeiterin, die mit abgehackter Sprache und übertriebener Mimik im Kundengespräch auftritt, ist es also Aufgabe des Chefs – und nicht der PTA-Kollegin – sie hierauf aufmerksam zu machen. Da 80% der zwischenmenschlichen Kommunikation aus nonverbalen Signalen wie Gestik, Mimik und Modulation der Stimme bestehen und nur 20% der Verständlichkeit aus dem tatsächlich gesprochenen Wort resultieren, ist es notwendig, das Auftreten der neuen Kollegin im Kundengespräch erheblich zu korrigieren.
Hier könnte beispielsweise ein Stimmtrainer dazu beitragen, die Modulation zu verbessern. Weiter gibt es Verhaltenstrainer, die bei leichteren Auffälligkeiten dabei unterstützen, diese zu „überschreiben“. Auch ein Kommunikationstrainer, der mit der Mitarbeiterin speziell das Kundengespräch in der Apotheke trainiert, könnte helfen. Zudem kann auch das ganze Team in liebevoller Art mit der Kollegin üben, sodass sie die Selbstsicherheit gewinnt, mit den Kunden ebenfalls ganz normal zu reden.
Dr. Eva-Maria Stoya,
Apothekerin und Journalistin,
65205 Wiesbaden,
E-Mail: EStoya@gmx.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(24):8-8