Prof. Dr. Reinhard Herzog
Die Finanzbranche hat keinen guten Ruf: Banken und Sparkassen konzentrieren sich in erster Linie auf hauseigene oder hochprovisionierte Produkte und verweigern die Haftung, wenn sich eine ausdrücklich empfohlene Anlage negativ entwickeln sollte. Versicherungsvermittler verkaufen vorrangig Lebens- und Rentenversicherungen mit hohen Provisionserlösen und auch Fondsgesellschaften sorgen in erster Linie durch Drehen an den Gebührenschrauben für negative Schlagzeilen. Entsprechend leicht haben es freie Vermittler, die mit Schlagwörtern wie „kundenorientiert“ und „unabhängig“ um bisher unzufriedene Anleger werben.
Doch das Spektrum der „freien Beratung“ ist groß und reicht von Beratern, die in Organisationen wie etwa dem AWD, der DVAG oder MLP eingebunden sind, über lediglich lokal tätige Gesellschaften bis hin zu „Einzelkämpfern“, die eine mehr oder minder breite Palette an Vermittlungsleistungen anbieten. Und die Offerten klingen meist überzeugend: Geldanlagen und Versicherungen werden aufeinander abgestimmt, besonders günstige Konditionen angeboten und oft erhält der Sparer sogar Anlagemöglichkeiten, die sich in keinem Bankprospekt finden. Typisches Beispiel sind derzeit etwa lokale Windkraftanlagen, an denen sich Anleger quasi „vor der eigenen Haustür“ beteiligen können. Eines haben alle Angebote gemeinsam: Sie werden in den höchsten Tönen in bunten Hochglanzprospekten gelobt, die Risiken findet man indes meist nur im Kleingedruckten.
Auch der Anleger muss profitieren
Die Mehrzahl dieser freien Berater arbeitet durchaus solide, ist von den eigenen Angeboten überzeugt und bemüht, dem Kunden wirklich lohnende Investments zu vermitteln. Allerdings ist es ein äußerst schmaler Grat zwischen Kundenfreundlichkeit und Provisionsabhängigkeit. Denn letztlich will – und muss – auch ein grundsolider Berater Geld verdienen. Und dies läuft in der Branche nach wie vor in erster Linie über Provisionen. Geht es aber bei einer Geldanlage darum, ob der Vermittler für ein Bankprodukt z.B. 0,5% Provision vom Anbieter erhält oder ob er für einen geschlossenen Fonds einer unbekannten Gesellschaft 10% Provision oder noch mehr einstreichen kann, wird die Entscheidung häufig zugunsten des hochprovisionierten Produkts fallen. Gleiches gilt im Versicherungsbereich, in dem die meisten Berater der Kapitallebensversicherung gegenüber einer gering provisionierten Risikolebensversicherung den Vorzug geben.
Genau dieser Problematik muss sich auch der potenzielle Kunde bewusst sein. Es ist nichts daran auszusetzen, dass der Vermittler für seine Tätigkeit angemessen honoriert wird – solange auch der Anleger davon profitiert. Wird beispielsweise ein individuelles Fondskonzept ausgearbeitet, mit dem der Anleger hohe Renditen erzielt, ist auch die Vermittlerprovision verkraftbar. Gleiches gilt z.B. für eine Fondsbeteiligung, die sich abseits vom „Mainstream“ der Banken bewegt und attraktive Erträge erwarten lässt. Steht jedoch allein das Provisionsinteresse des Vermittlers im Vordergrund, ist größte Vorsicht geboten. Dies gilt besonders auch dann, wenn die Beratung gegen Honorar angeboten wird, das bei Vertragsabschluss zurückerstattet wird. Denn letztlich ist dies nur ein geschickter Köder: Wer Aussicht auf Honorar-Rückerstattung hat, wird manche Offerte blindlings ohne genauere Prüfung unterschreiben – und damit möglicherweise viel Geld verlieren.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(24):15-15